Deutschland: Nicht interessant für junge Talente

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Die Minister Faeser und Heil suchen in Kanada nach Antworten auf die Frage: Wie holen wir gut ausgebildete Arbeitskräfte nach Deutschland? Wie es aussieht, stellt sich die deutsche Landeskultur für Fachkräfte aus anderen Ländern als wenig attraktiv dar.

Innenministerin Nancy Faeser und Arbeitsminister Hubertus Heil sind nach Kanada gereist, um sich dort abzuschauen, wie man Fachkräfte ins Land holt. Kanada wird für seine erfolgreiche Einwanderungspolitik gerühmt. Die Ampel-Koalition kündigt ein Fachkräftegesetz an, das ein Punktesystem nach kanadischem Vorbild enthält. Laut Heil soll das Gesetz in einer Woche im Kabinett sein.

In Deutschland ist Einwanderung ein politisch schwieriges Gelände, außer für die AfD. Für sie kommen zu viele und vor allem die Falschen, die nicht zur "Landeskultur" passen. Beim Thema "Einwanderung von Arbeitskräften", die Faeser und Heil beschäftigt, dreht sich die Frage um. Da heißt es nicht mehr, warum wollen so viele nach Deutschland, sondern warum wollen so wenige nach Deutschland?

Wie es aussieht, stellt sich die deutsche Landeskultur für Fachkräfte aus anderen Ländern als weniger attraktiv dar, als viele es lange Jahre glauben mochten. Mit der Behauptung "qualifizierte Migranten sind nicht an Deutschland interessiert" ist ein aktueller Artikel überschrieben, der vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler und Journalisten Paul Hockenos für das US-Magazin Foreign Policy verfasst wurde.

Anekdotisch wird dort das deutsche Problem mit einer Erfahrung illustriert, die Finanzminister Christian Lindner Anfang Februar bei seinem Besuch afrikanischer Länder machte. In Ghana warb er für den Wirtschaftsstandort Deutschland und fragte ghanaische Studenten danach, wer von ihnen sich vorstellen könne, in Deutschland zu arbeiten. Nur sehr wenige hoben – und dies zögerlich – die Hand. Im nicht voll besetzten Hörsaal folgte Gelächter.

Wenig attraktiv

Auf Foreign Policy unterlegt Hockenos die Anekdote, die nicht gerade für die Attraktivität Deutschlands für junge Studierende aus einem anderen Land spricht, mit dem Ranking des diesjährigen OECD-Berichts zur Anziehungskraft der Mitgliedsländer auf Talente (Talent Attractiveness (ITA) 2023). Dort rangiert Deutschland auf Platz 15 bei den hochqualifizierten Arbeitern, hinter Finnland, Portugal und Irland (aber zwei Plätze vor Frankreich).

Das mag alleine noch nicht viel sagen, zumal die OECD Deutschland schon seit mehreren Jahren als mäßig attraktiv für ausländische Fachkräfte einstuft. Der FP-Bericht erwähnt jedoch zwei andere Aspekte, die das Problem schärfer hervortreten lassen.

Zum einen ist das die Befürchtung von Ulrich Kober, der sich bei der Bertelsmann-Stiftung mit Einwanderung beschäftigt, wonach die EU-interne Arbeitsmigration, von der Deutschland so sehr profitiert habe, "schnell zu Ende geht". Kober nennt dazu das Beispiel Polen.

Im Artikel werden dazu noch Rumänien, Spanien, Italien und Bulgarien als Länder genannt, aus denen viele Arbeitsmigranten nach Deutschland kamen. Eine abnehmende Tendenz wird im Artikel selbst aber nicht erwähnt.

Zum anderen sind die Gründe interessant, die gegen eine Migration nach Deutschland sprechen, um dort zu arbeiten. Im FP-Bericht erwähnt wird der Experte auf dem Feld der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Holger Bonin, der sich dazu vor ein paar Tagen in der Zeit äußerte.

Zu viel Bürokratie, zu voreingenommen

Bonin nennt zu viel Bürokratie als Grund für die Unbeliebtheit Deutschlands bei ausländischen Fachkräften - besonders bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse, was mit dem "einzigartigen System der dualen Berufsausbildung" zusammenhänge. Er nennt die Schwierigkeit der deutschen Sprache und "wenig Willkommenskultur", die Deutschland ausstrahle.

Darin stimmt ihm Innenministerin Faeser bei ihrem Vergleich Deutschlands mit Kanada zu.

Ein aktueller Bericht des Stern zitiert dazu Resultate einer Befragung der auf Expats spezialisierten Organisation Internations. Bei 12.000 befragten Expats landete Deutschland bei der Einschätzung, wie gut sie sich in ihrem Gastland zurechtfinden, demnach auf Platz 52 von 52.

Als Hürden wurden laut Stern genannt: die Sprachbarriere ("Die Deutschen sind voreingenommen, wenn man nicht gut genug Deutsch spricht, besonders auf den Ämtern."), das schlechte Niveau der Digitalisierung, Deutschland hinke da weit hinterher, sowie der Wohnungsmarkt mit knappen und teuren Mietwohnungen (die sich nur hochqualifizierte Apple-Mitarbeiter leisten können).