Deutschland ist in der Rezession – und das ist extrem gefährlich!
Seite 3: Unterstützt die Wirtschaftspolitik?
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In einer Konstellation, in der die private Nachfrage in Europa wegen temporärer Preiseffekte unweigerlich sinkt, ist die Politik der EZB, ich kann mich nur wiederholen (hier zuletzt beschrieben), vollkommen unangemessen.
Wie unangemessen, hat der Chefvolkswirt der EZB (der übrigens lange Zeit eine Stimme der Vernunft war, dann aber vollständig umgefallen ist) gerade eindrucksvoll demonstriert.
Wir dürfen nicht erwarten, sagte er kürzlich auf einer Veranstaltung, dass die Geldpolitik sich sofort auf die Finanzierungsbedingungen auswirke. Die Geldpolitik bewirke aber, dass sich mit der Zeit die Finanzierungsbedingungen hinreichend verschärfen, die Nachfrage gedämpft werde und sich der Preisdruck abschwäche.
Diese Aussage macht nur Sinn, wenn man glaubt, dass der Preisdruck etwas mit der Nachfrage, also mit einer "zu starken Nachfrage" zu tun habe. Wenn man auf eine durch die Geldpolitik geschwächte Nachfrage hofft, um den Preisdruck zu dämpfen, ist man allerdings derzeit auf dem völlig falschen Dampfer.
Der Preisdruck hat nichts, aber auch gar nichts mit der Nachfrage zu tun, sondern einzig und allein mit den eingangs erwähnten Schocks. Diese dämpfen die Nachfrage von sich aus, so dass es der zusätzlichen Dämpfung durch die EZB gar nicht bedarf. Woher glaubt die EZB zu wissen, dass nur mit ihrer zusätzlichen Dämpfung die Nachfrage weit genug gedrückt wird, um den Preisdruck zu verringern?
Weil die EZB exakt das Falsche macht, ist die Aufgabe des Staates umso schwerer. Will er einen tiefen Absturz der Wirtschaft verhindern, muss er nicht nur die Lücke füllen, die von der gesunkenen Binnennachfrage herrührt und sich im gesunkenen Überschuss der Leistungsbilanz spiegelt, sondern auch die, die von der EZB noch zusätzlich bei der Investitionstätigkeit geschaffen wird. Das ist nahezu unmöglich.
Eine vorausschauende Politik würde aber versuchen, einen wirklich schweren Einbruch durch eine ausgeprägt antizyklische Politik zu verhindern. Davon kann bei einer Regierung, die sich bis zuletzt für die Einhaltung der Schuldenbremse stark macht, nicht die Rede sein.
Es fehlt an der Spitze dieser Regierung einfach an der Sachkenntnis, die man braucht, um eine angemessene Makropolitik zu betreiben. Allerdings sind auch weit und breit weder offizielle noch inoffizielle Berater zu sehen, die ihr auf die Sprünge helfen könnten.
Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Herausgeber des Online-Portals flassbeck-economics.com. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung.
Vom Autor erscheint monatlich eine Kolumne zu Hintergründen wirtschaftlicher Entwicklungen und zur Wirtschaftspolitik.