Deutschland stellt Nutzung von Atomkraft ein – und macht doch weiter

Seite 2: Russlands Atomgeschäfte in Deutschland

Aber über derlei wird hierzulande nur ungern gesprochen. Schon gar nicht in Zeiten, in denen man sich auf neue Kriege vorbereitet und die sogenannte atomare Teilhabe übt, also den Zugriff des deutschen Militärs auf Atombomben.

Und schließlich wird in Deutschland weiter Brennstoff für Atomkraftwerke hergestellt. Im niedersächsischen Lingen werden aus angereichertem Uran Brennelemente für Druck- und Siedewasserreaktoren gefertigt.

Das Uran stammt aus Russland und wird im benachbarten Gronau angereichert, das unmittelbar an der niederländischen Grenze im äußersten Nordwesten Nordrhein-Westfalens liegt. Abnehmer der Brennelement sind bisher vor allem Frankreich und Belgien.

Die Betreibergesellschaft gehört der französischen Framatome, die gerade mit der russischen Rosatom ein Joint Venture gründet, um künftig in Lingen gemeinsam Brennelemente für osteuropäische AKW herzustellen. Atomkraft ist offensichtlich etwas anderes als russisches Erdgas.

Und schließlich ist da noch die Sache mit dem Atommüll, der die nächsten 100.000 oder mehr Jahre sicher gelagert werden müsste. Die Verantwortung hat man beizeiten den Betreibern der Anlagen abgenommen, die sich mit ein paar Dutzend Milliarden Euro freikaufen konnten.

Ein sicheres Endlager – so es denn ein solches überhaupt geben kann – ist für den hoch radioaktiven Strahlenmüll noch immer nicht gefunden, obwohl eigentlich die gesicherte Entsorgung als eine der Betriebsvoraussetzung der seit den 1970er-Jahren in Westdeutschland betriebenen Anlagen galt.

Vielerorts liegen abgebrannte Brennelemente an den alten AKW-Standorten in nur sehr mäßig gesicherten Zwischenlagern. Nach den Zahlen der Bundesgesellschaft für Endlagerung könnte es sich um rund 10.000 Tonnen hoch radioaktiver Hinterlassenschaften handeln.

Hinzu kommen noch mehrere hundert sogenannter Castor-Behälter mit weiteren radioaktiven Abfällen, die meist aus der Wiederaufbereitung abgebrannter Brennstäbe stammen. Wobei Wiederaufbereitung eher eine verniedlichende Umschreibung für das Abtrennen hochgiftigen Plutoniums für neue Brennstäbe ist.

Und zuletzt noch eine kleine Anmerkung zum Stichwort "günstiger Atomstrom". Der wissenschaftliche Dienst des Bundestages bezifferte 2021 unter Berufung auf das Bundeswirtschaftsministerium die Gestehungskosten für Atomstrom auf 13 Cent pro Kilowattstunde. Für Windstrom bekamen die Betreiber zu dieser Zeit 4,3 bis 7,8 Cent pro Kilowattstunde, während es für Solarstrom 5,3 bis 7,7 Cent pro Kilowattstunde gab. Nicht enthalten sind in den angegebene Kosten des Atomstroms die öffentlichen Subventionen.

Das Umweltbundesamt zitiert eine Kalkulation, nach der für die Nutzung der Atomkraft von 1955 bis 2022 rund 169 Milliarden Euro an staatlicher Unterstützung geflossen ist. Nicht berücksichtigt ist dabei die indirekte Subventionierung, die darin besteht, dass die AKW-Betreiber ihre Anlagen nur für einen Bruchteil der möglichen Schäden versichern mussten, die bei einem größeren Unfall wie etwa in Fukushima hätten entstehen können.

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