Deutschland und das Rassismus-Problem

Europarat kritisiert die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt in Deutschland

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Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) schreibt in ihrem Länderbericht über Deutschland, dass zwar eine Reihe von Schritten zur Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung unternommen worden seien, dass Deutschland aber nach wie vor ein Land ist, in dem sich schwerwiegende Vorfälle rassistisch motivierter Gewalt ereignen. "Das bedeutet", schlussfolgert die Kommission, "dass die Themen Rassismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz noch nicht genügend wahrgenommen und bekämpft" werden.

Der Bericht der Kommission ist bereits der zweite über Deutschland. In einzelnen Länderberichten sieht die Kommission einen Eckpfeiler ihrer Politik zur Bekämpfung von Rassismus und fremdenfeindlicher Gewalt, weil damit Fortschritte und Rückschläge im Auge behalten werden können. Die Kommission ist ein Organ des Europarats, eine Organisation von 41 Staaten mit dem Zweck, Menschenrechte und demokratische Werte zu verteidigen. Der 33 Seiten lange Bericht, obwohl in diplomatischer Sprache verfasst, wirft ein Licht nicht nur auf Exzesse rassistisch motivierter Gewalt, sondern auf den Kontext, in dem diese entsteht und den man institutionellen oder strukturellen Rassismus nennen könnte.

Spezifisch hervorgehoben wird die negative Auswirkung der Diskussion um den Begriff "Leitkultur". Der Begriff "Leitkultur", schreibt die Kommission, "impliziert eine homogene deutsche Kultur und die Furcht vor den Auswirkungen von Verschiedenheit auf Kultur und Identität". Damit würden "negative Stereotypen über andere Kulturen verstärkt und der Wert und die wichtigen Beiträge von Minderheiten ignoriert", heißt es in dem ECRI-Bericht. Ein besser informiertes und realistischeres Portrait der Rolle ethnischer Minderheiten wird vorgeschlagen, was der Einsicht zum Erfolg verhelfen solle, dass die deutsche Gesellschaft als eine Gesellschaft verstanden werden kann, in der verschiedenste Formen von Identität mit einer "deutschen" Identität assoziiert werden können.

In den Abschnitten über das Stimmungsbild der Lage der Nation macht der Bericht auch vor einer dringend nötigen Auseinandersetzung mit dem Begriff "Ausländer" nicht halt. Ungefähr 9% der Menschen, die auf dem Gebiet der Bundesrepublik leben, besitzen keine deutsche Staatsbürgerschaft. Ein kleiner Teil von ihnen sind Asylsuchende, die Mehrheit "Gastarbeiter", oft in zweiter und dritter Generation - und sie alle haben die Absicht, auf unabsehbare Zeit zu bleiben. Teile der Medien und der Politik werden dafür gescholten, auf diese Gruppen immer noch pauschal als "Ausländer" zu referenzieren. Vor allem Menschen, die auf Grund ihrer äußeren Erscheinung als "Ausländer" identifizierbar sind, hätten in diesem Stimmungsklima unter vielfältigen Repressalien zu leiden, meint die Kommission. Sie verweist auf Muster der Benachteiligung bei der Arbeitssuche, der Ausbildung und Wohnungssuche. Vorgeschlagen wird, Anti-Diskriminierungsgesetze einzuführen, die z.B. Wohnungsangebote "nur für Inländer" verbieten würden. Auch wird die Einführung einer Art Bundesombudsmanns für ethnische Minderheiten vorgeschlagen, wo spezifische Fälle von Diskriminierung vorgebracht werden können und Unterstützung finden. Die von der rot-grünen Regierung vorgenommenen Änderungen am Staatsbürgerschaftsgesetzt werden als nicht weitgehend genug kritisiert. Die Bedingungen für die Erlangung der Staatsbürgerschaft seien nicht in sich diskriminierend, könnten aber willkürlich ausgelegt werden und daher Missbrauch begünstigen.

Die Liste der Beschwerden ist lang. Sie umfasst das Verhalten von Teilen der Strafverfolgungsorganen bei der Verhaftung und der Behandlung von Personen in Polizeigewahrsam; Praktiken des Grenzschutzes an den Flughäfen ("Vorfeldbehandlung") und bei der Abschiebung von Flüchtlingen in sogenannte "sichere Drittländer" werden kritisiert. Auch die Möglichkeit der Abschiebung von in Deutschland aufgewachsenen Jugendlichen, die sich Straftaten zuschulden kommen lassen, in "Heimatländer", die für sie gar keine Heimat sind, wird beanstandet.

Der Bericht der Kommission des Europarats führt zu einem Bild erschreckender Doppelmoral und Heuchelei. Gewalttaten gegen "Fremde" und Verwüstungen jüdischer Friedhöfe werden womöglich wirklich nur von einer Minderheit größtenteils jugendlicher Gewalttäter begangen. Doch ein größerer Teil der Bevölkerung steht diesen Handlungen indifferent, wenn nicht stillschweigend zustimmend gegenüber, während die sogenannte liberale demokratische Mehrheit ihre Hände in Unschuld wäscht. Für sie ist alles nur eine Frage des Rassismus der anderen und gerne gibt man vor allem den Ostdeutschen die Schuld. Auch wenn es stimmen würde, dass eine überproportional große Zahl von Gewalttaten in Ostdeutschland geschehen, schreibt der Bericht, sind auch in Westdeutschland Gewalt, Diskriminierung und rassistische und fremdenfeindliche Haltungen an der Tagesordnung. Man muss schon den Kopf in den Sand stecken, um nicht anzuerkennen, dass eine Querverbindung zwischen Alltagsrassismus, dem Umgang mit Asylsuchenden oder sogenannten "Wirtschaftsflüchtlingen" und den Gewalttaten von Neo-Nazis besteht. Wenn etwa ein Innenminister Otto Schily auf einer "beinharten Linie" gegenüber Flüchtlingen und anderen Einwanderungswilligen besteht, dann leistet er damit den fremdenfeindlichen Tendenzen in der deutschen Gesellschaft Vorschub. Er beugt sich den Umfragen, wonach eine kleine Mehrheit gegen eine Ausweitung der Immigration nach Deutschland ist.

Was der Bericht des Europarats unmissverständlich zum Ausdruck bringt, ist, dass seitens der Politik und Medien einfach nicht genügend getan wird. Man kann sich nicht damit begnügen, die NDP verbieten zu wollen, während man gleichzeitig Asylantragsteller wie Kriminelle behandelt, ihnen die Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit zur Erwerbstätigkeit nimmt und sie in Sammelstellen fernab der Großstädte einpfercht, was von der "liberal demokratischen Mehrheit" scheinbar gutgeheißen wird. Es ist die Pflicht einer Regierung, dass sie, wenn sie, wie sie vorgibt, bestimmte ideale einer fairen und gleichberechtigten Gesellschaft wirklich hat, diesen Idealen aktiv zuarbeitet - und das auch mal gegen den Wind von Meinungsumfragen. Was nämlich unter dem Strich herauskommt ist, dass die Deutschen gar nichts gegen Ausländer haben, wenn sie schön, erfolgreich und reich sind, seien sie Rap-Stars oder Athleten. Doch wehe, wenn sie arm sind, schlecht gekleidet und auch noch braune Haut haben...