Die Ampel und das Erdgas
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Die Energie- und Klimawochenschau: Erdgas als "Brückentechnologie" bis 2035 und Ölkatastrophen in aller Welt
Trotz aller vorheriger Proteste hat sich die EU-Kommission nun fürs Greenwashing von Atomenergie und von Erdgas entschieden. Am 2. Februar hat die Kommission, wie es offiziell heißt, einen "ergänzenden delegierten Taxonomie-Rechtsakt zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel" vorgelegt. Die Taxonomie legt fest, welche Investitionen als nachhaltige Investitionen im Sinne des Klimaschutzes gelten.
Die EU-Kommission vertritt nun die Auffassung dass Investitionen in Gas- und Kernenergietätigkeiten eine Rolle beim "Übergang von umweltschädlicheren Tätigkeiten wie der Kohleverstromung zu einer klimaneutralen Zukunft mit überwiegend erneuerbaren Energieträgern" zukommt.
Theoretisch könnte der Rechtsakt innerhalb des nächsten halben Jahres noch von einer Mehrheit im Europäischen Parlament oder im Europäischen Rat von mindestens 20 Mitgliedstaaten abgelehnt werden. Andernfalls treten die neuen Regeln zur Taxonomie am 1. Januar 2023 in Kraft.
Kritik an der Einstufung von Kernenergie und Erdgas als nachhaltige Technologien gab es in den letzten Monaten zuhauf. An dem nun vorgelegten Rechtsakt kritisieren unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (Bund) und die Deutsche Umwelthilfe (DUH), dass die Kriterien für fossile Gaskraftwerke gegenüber vorherigen Entwürfen sogar noch abgeschwächt wurden. Damit Gaskraftwerke als nachhaltig gelten, müssen diese bis 2035 von fossilem Erdgas auf andere Energieträger wie Biogas oder grünen Wasserstoff umsteigen.
Zuvor waren für diesen Umstieg noch Zwischenschritte vorgesehen, die nun entfallen sind. Atomkraftwerke gelten im Sinne der Taxonomie als nachhaltig, wenn die Baugenehmigung bis 2045 erteilt ist, bestehende Atomkraftwerke dürfen bis 2040 nachgerüstet werden.
Die DUH sieht mit den neuen Regeln das Label für grüne Finanzprodukte entwertet. Ihr Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner kritisiert insbesondere die Rolle der deutschen Regierungskoalition:
Die Ampelkoalition hat sich in besonders unrühmlicher Weise dafür eingesetzt, das Greenwashing von Gas-Kraftwerken sogar noch zu erleichtern.
Er fordert die Bundesregierung auf, sich der Klage von Österreich und Luxemburg gegen die Taxonomie anzuschließen.
Zu erwarten ist dies wohl nicht. Der grüne Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, hat sich angesichts des Konflikts zwischen den Nato-Staaten und Russland gerade erst für den Import von Flüssiggas (LNG) ausgesprochen, um die Abhängigkeit von Russland zu verringern. Im Bundestag sprach sich der Minister auch für den Bau der LNG-Terminals in Brunsbüttel und Stade aus, wie u.a. der Focus berichtet.
Dabei hat die Stadt Brunsbüttel die Pläne für den Standort aufgrund von Sicherheitsbedenken nicht genehmigt, wie an dieser Stelle bereits berichtet. Für die Grünen und ihre Wähler:innen dürfte die Aussage Habecks ein besonderes Politikum darstellen, denn bei Flüssigerdgas handelt es sich zum großen Teil um per Fracking gewonnenes Gas aus den USA, dessen Gewinnung nicht nur Treibhausgase freisetzt, sondern auch zur Verschmutzung von Grundwasser führt.
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) sieht den Ausweg aus knappen Energierohstoffen und hohen Energiepreisen indessen im massiven Ausbau der Erneuerbaren. BEE-Präsidentin Simone Peter erklärt:
Eine sichere Energieversorgung auf Basis Erneuerbarer Energien ist ohne den Neubau zentraler Gaskraftwerke in Deutschland möglich und wird durch das Abschalten atomarer und fossiler Energieträger noch beschleunigt. Dazu müssen die volatilen Erneuerbaren Energien Wind und Sonne stark ausgebaut und gleichzeitig ein dezentrales Back-Up durch die Optimierung der vorhandenen Biogaskraftwerke, KWK und neuer Speicher, aber auch Wasserkraft und Geothermie angereizt werden.
Simone Peter
Die letzten Wochen hätten laut BEE auch gezeigt, dass Sonne und Wind die Strommarktpreise dämpfen konnten. Tatsächlich entfielen in der vergangenen Woche 61,1 Prozent der Nettostromerzeugung auf erneuerbare Energien und dank des stürmischen Wetters allein 48,7 Prozent auf die Windenergie.
Das ist zwar erfreulich, aber nur ausreichende Kapazitäten können dafür sorgen, dass die Erneuerbaren auch nachhaltig die Strompreise senken. Derzeit setzen die hohen Gas- und Strompreise die Bundesregierung unter Druck. Um die Auswirkungen auf die Haushalte mit niedrigen Einkommen abzufedern, hat das Bundeskabinett einen einmaligen Heizkostenzuschuss für Wohngeldbeziehende, Bafög-Empfänger:innen und Auszubildende auf den Weg gebracht.
Wohngeldbeziehende sollen einmalig 135 Euro erhalten, geförderte Studierende und Auszubildende 115 Euro. Insgesamt könnten 2,1 Millionen Menschen von dem Zuschuss profitieren, so die Bundesregierung. Der Deutsche Mieterbund begrüßt den Heizkostenzuschuss zwar grundsätzlich, hält ihn aber für nicht ausreichend.
Die Energiepreise steigen gerade in der Grundversorgung massiv an: 1.858 Grundversorger haben ihre Preise zum Jahreswechsel erhöht: Bei Strom um durchschnittlich 60 Prozent bzw. 985 Euro pro Jahr und bei Gas um durchschnittlich 76 Prozent bzw. 1.147 Euro pro Jahr.
Mieterbund
Die hohen Energiekosten summieren sich auf ein allgemein hohes Mietniveau in den Städten. "Einkommensarme Haushalte, die von Energiearmut bedroht sind, brauchen deshalb eine dauerhafte Entlastung", fordert daher der Präsident des DMB, Lukas Siebenkotten.