Die Angst der Eliten vor der Demokratie

Seite 2: Demokratiepanik

Der seit mehr als einem Jahrzehnt immer stärker aufkommende Populismus hat vor diesem Hintergrund eine Demokratiepanik ausgelöst.

Denn durch das Ende des Kalten Krieges ist der bis dahin geltende, sehr weitreichende gesellschaftliche Konsens aufgebrochen und die meinungsführenden Eliten der westlichen Gesellschaften stehen seitdem unter einem erheblichen Legitimationsdruck.

Er prägt sich aus in kulturellen Auseinandersetzungen wie z.B. der geeigneten Sprache, Diversität, Ernährung und Konsum, der Bewertung von Migration, Nation und Geschichte oder dem Umgang mit dem Klimawandel.

Wie globale Schocks den politischen Diskurs in Deutschland verändert haben

Seit den heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen im Zuge der Euro-Rettungspolitik 2012 und der Flüchtlingskrise 2015 ist Populismus in Deutschland gefürchtet.

Die Brexit-Entscheidung der britischen Wähler am 23. Juni 2016 und die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten am 8. November 2016 haben in den Augen des Establishments – und für viele unerwartet – das Potenzial populistischer Strömungen offenbart.

Sie haben gezeigt, dass die Wähler gegenüber Auffassungen abseits des politischen Mainstreams nicht immun sind.

Erfolge des Populismus

Der 2022 errungene Wahlerfolg Giorgia Melonis, der neofaschistische Wurzeln bescheinigt werden, zur Regierungschefin Italiens, aber auch das politische Erdbeben bei der niederländischen Parlamentswahl 2023, in der die Wähler die als radikal rechts geltende Partij voor de Vrijheid (PVV) von Geert Wilders mit deutlichem Abstand zur stärksten Partei machten, vor allem aber der in Deutschland mit AfD und dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) immer stärker werdende Populismus, der von Auflösungserscheinungen des etablierten Parteienspektrums begleitet wird, haben den Alarmismus hierzulande enorm verstärkt.

Lange glaubte man, dass die Wähler in Deutschland weniger anfällig seien oder es zumindest gelingen könne, sie weitgehend zu immunisieren.

"Der Meinungsfreiheit Grenzen setzen"

Da das politische Konzept der wehrhaften Demokratie auf großen Zweifeln an den moralischen und geistigen Kapazitäten der Bürger beruht, denen Leichtgläubigkeit, Naivität und Uninformiertheit unterstellt werden und die daher leichte Opfer extremistischer Kräfte sein könnten, ist die Annahme, dass die Meinungsfreiheit Grenzen haben muss, ein zentrales Merkmal der wehrhaften Demokratie.

Um die Demokratie zu schützen, so dieser Ansatz, sei die Öffentlichkeit daher insbesondere vor der Artikulation bestimmter Ansichten abzuschirmen.

Empörung als Mittel

Daher wird die Auseinandersetzung mit dem aufkommenden Populismus in Deutschland in der Regel nicht über inhaltliche politische Debatten geführt, sondern diesen ausgewichen.

Stattdessen dient Empörung über Hass und Hetze, Desinformation und Fake News, Demokratiefeindlichkeit, Extremismus, Delegitimierung des Staates usw. dazu, diese als demokratiegefährdend eingestuften Äußerungen möglichst zu ächten und deren Artikulation im öffentlichen Raum zu unterbinden.

Empörung ist zu einem wirksamen Mittel der Ächtung unliebsamer Meinungen geworden, denn sie greift die in der Bevölkerung verbreitete Verunsicherung gegenüber populistischen Strömungen auf und mobilisiert vorhandene Ängste.

Gesetze gegen Hass und Hetze

Mit dem Vorwurf von Hass und Hetze, Desinformation usw. werden zwar vordergründig diejenigen angegriffen, die bestimmte Botschaften senden.

Tatsächlich geht es jedoch vor allem um die Empfänger, also die große Masse der Menschen, von denen man nicht etwa nur vermutet, sondern zu wissen glaubt, dass sie für dumpfe Parolen empfänglich sind.

Die umfangreichen Gesetzgebungsverfahren der vergangenen Jahre gegen "Hass und Hetze", vor allem das unter dem damaligen Justizminister Heiko Maas (SPD) verabschiedete und inzwischen mehrmals verschärfte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von 2017, sollen zwar in einigen Punkten eine konsequentere und härtere staatliche Strafverfolgung der Täter ermöglichen.

Der Fokus liegt nach Auffassung des Autors jedoch eindeutig in der Unterdrückung derartiger Äußerungen.

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