Die Balkan-Connection des 9/11
Wichtige Verdächtige des 11. September waren in Bosnien aktiv die Heiligen Krieger wurden damals vom Pentagon unterstützt
"Und ihr werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird Euch frei machen." (Johannes 8:32 - Inschrift in der Lobby der CIA)
Nach fast drei Jahren gibt es nun endlich eine offizielle Version über die genauen Abläufe, die zu den Terroranschlägen des 11. September geführt haben sollen. Dem Untersuchungsausschuß des US-Kongresses wurde in seiner letzten Sitzung am 16. und 17. Juni 2004 der Bericht "Outline of the 9/11 Plot" vorgelegt, den der Stab der Kommission erarbeitet hatte. Demnach wurde der Angriff zu Jahresbeginn 1999 bei einem Treffen im afghanischen Kandahar von der Al-Qaida-Spitze geschlossen. Dort wurde festgelegt, dass die Saudi Araber Nawaf Alhamzi und Khalid Almidhar die Operation führen sollten. Die ersten Terroristen, die nach dieser Datstellung im weiteren für die Aktion gewonnen wurden, waren die Hamburger Studenten Mohammed Atta, Marwan al Shehhi, Ziad Jarrah und Ramzi Binalshibh. Ein weiteres wichtiges Treffen fand von 5. bis 8. Januar 2000 in Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysi, statt. Daran nahmen unter anderem Almidhar und Alhazmi teil.
"Um diese drei Saudis (neben Almidhar und Alhamzi wird noch Hani Hanjour genannt) und die Hamburger Gruppe schmiedete Al-Qaida den Plot", fasste die Washington Post zusammen. Binhalshibh wird von den Ermittlungsbehörden als "Mastermind" der Anschläge bezeichnet, die anderen Hamburger sollen am 11. September drei der vier gekaperten Maschinen geflogen haben. Alhamzi und Almidhar sollen die Pentagon-Maschine gekapert haben und ansonsten die 911-"Cheflogistiker" gewesen sein.
Worüber kaum gesprochen wird: Von diesen sieben Schlüsselpersonen kämpften drei in Bosnien gegen die Serben – Alhamzi, Almidhar und Binalshibh. Außerdem waren zwei weitere mutmaßliche Organisatoren der Hamburger Fundamentalistenzelle, Mohhamed al Zammar und Mamoun Darkanzali, im Krisengebiet aktiv – der eine als Mudschahaheddin-Kommandeur, der andere als Finanzier. Die Ignorierung der Balkan-Connection des 11. September hat einen Grund: Ebenso wie in den achtziger Jahren in Afghanistan waren die Heiligen Krieger in Bosnien – westliche Quellen schätzen die Zahl der arabischen und iranischen Fremdenlegionäre auf 4.000, serbische Quellen liegen weit darüber - mit Unterstützung der USA und anderer NATO-Staaten im Einsatz. Während Washington das frühere Bündnis mit den radikalen Fundamentalisten in Afghanistan mittlerweile selbstkritisch sieht, gibt es keine Aufarbeitung der ähnlichen Politik auf dem Balkan. Der Grund liegt auf der Hand: Weil sich das Grundmuster dieser Politik, dass nämlich im Kampf gegen den "großserbischen Nationalismus" für den Westen auch das Bündnis mit radikalen Moslems erlaubt ist, bis heute in Bosnien und im Kosovo fortsetzt.
Dschihad in Bosnien
Der Bosnien-Einsatz von Alhamzi und Almidhar wird im Untersuchungsbericht der Kongresskommission in einem einzigen Satz gestreift, der aller anderen komplett ignoriert. Die Anwesenheit Binalshibhs im balkanischen Kriegsgebiet wird von Regina Kreis, der deutschen Ehefrau eines Mudschaheddin, bezeugt: Sie hat ihn 1996 in ihrem Wagen vom bosnischen Bocinja nach Deutschland chauffiert. Bocinja war vor Kriegsbeginn 1992 "ein reiches serbisches Dorf, in dem jetzt Araber leben, die in den Reihen der Armee Bosnien-Herzegowinas gekämpft haben", angeblich "300 Mudschaheddin mit ihren 900 Frauen", berichtete eine Reporterin der kroatischen Tageszeitung "Slobodna Dalmacija" nach einem Besuch des Fleckens im Jahre 1997. Auch Frau Kreis war in jenen Tagen in Bocinja nach eigenen Angaben "tief verschleiert".
Atta dagegen dürfte nach bisherigem Kenntnisstand nicht auf dem Balkan gekämpft haben. Aber viel spricht dafür, dass seine Wende vom recht harmlosen Moslem zum fanatischen Dschihaddisten unter dem Einfluss von Bosnienkämpfern zustandekam. "Es gibt bei Atta, wie bei den meisten anderen, zwei entscheidende Wendepunkte: 1995 begann seine Radikalisierung; vier Jahre später, Ende 1999, wird er zum Terroristen", analysieren Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und sein Co-Autor Cordt Schnibben ("11. September – Geschichte eines Terrorangriffs"). Noch bei einer Studienreise nach Ägypten im August 1995 seit er lustig und vergnügt gewesen, mit Freunden ausgegangen. "Für ein paar Wochen, endlich mal, war er wie ein Clown", sagt ein Kommilitone. Einen Monat später aber kommt Binalshibh nach Hamburg – und Atta verwandelt sich.
Auch in der Islam-AG, die die mutmaßlichen Terroristen ab Januar 1999 an der Technischen Universität in Hamburg-Harburg eingerichtet hatten, war Binalshibh der "Wortführer" (Oliver Schröm in seinem Buch "Al Qaida"). "Innerhalb der Islam AG versteht es Binalshibh, geschickt für die Ideen von Al Qaida zu werben", urteilt Schröm, unter anderem habe er Videocassetten mit religiöser Werbung und Predigten für Osama bin Laden an die anderen verteilt. Ein Teilnehmer der AG berichtete, es sei Binalshibh gewesen, der darauf gedrängt habe, den Worten endlich auch Taten folgen zu lassen. Konkret verlangte er: "Man muß in Bezug auf Amerika etwas tun!" – so der Zeuge Sahid Nickels im Hamburger Terrorprozeß.
In der Atta-WG wohnte auch Marwan al-Shehhi – er soll am 11. September die zweite Todesmaschine in das World Trade Center gesteuert haben. 1999 passiert bei ihm dasselbe wie bei Atta: Er "stieß auf Ramzi Binalshib, den geheimnistuerischen Jemeniten, und ziemlich schnell entschied er sich gegen das eine, das muntere Leben. Und für das andere, die Vorbereitung des Massenmords", schreiben Aust und Schnibben.
Vielleicht ebenso wichtig für die geistige und praktische Vorbereitung der Hamburger Todespiloten wie Binalshib war ein weiterer Bosnien-Kämpfer: Mohhamed al Zammar. Der Kommandeur einer Mudschaheddin-Einheit in Zentral-Bosnien war, wie ZDF-Nachrichtenchef Elmar Theveßen in seinem Buch "Schläfer mitten unter uns" schreibt, die "zentrale Figur, wenn nicht sogar die Schlüsselfigur in der Wandlung des Mohammed Atta zum skrupellosen Terroristen ... Zammar, das darf ... als sicher gelten, empfahl Atta und seine Freunde an die Führungsspitze von Al-Qaida in Afghanistan". Angeblich sollen auch Said Bahaj, der ebenfalls mit Atta und Binalshibh in der Marienstraße 54 wohnte und heute in Afghanistan kämpfen soll, und Mamoun Darkanzali, der später in Al-Qaida-Finanzgeschäfte in Bosnien verwickelt gewesen sein soll, von Zammar in Hamburg angeworben worden sein. Aust und Schnibben resümieren: "Wenn in den vergangenen Jahren irgendwo in Europa Mudjahedin-Kämpfer verhaftet wurden, führte die Spur immer wieder zu Zammar."
Bin Laden in Sarajevo
Auch Osama bin Laden selbst war in Bosnien, und zwar in einer der Kommandozentralen des blutigen Bürgerkrieges. "SPIEGEL-Balkan-Korrespondentin Renate Flottau traf den Terroristenchef 1993 in Sarajevo; er stellte sich artig vor und sprach vom bosnischen Befreiungskampf, an dem seine Leute auf der Seite der Muslime mitmachen wollten. Er besaß einen Pass des neuen Staates Bosnien-Herzegowina, ausgestellt von der Botschaft in Wien, und rühmte sich, internationale Kämpfer ins Krisengebiet zu schmuggeln," berichtete das Hamburger Nachrichtenmagazin mit sieben Jahren Verspätung. Was der Spiegel nicht schrieb, aber die Belgrader Politika nach einem Gespräch mit Flottau: Dieses Zusammentreffen mit Bin Laden soll im Präsidentenpalast des Präsidenten Alija Izetbegovic stattgefunden haben, der im Westen immer als toleranter Muslim gerühmt wurde.
Nach dem 11. September 2001 hat die bosnische Regierung die Ausstellung eines Passes an den Terroristen dementiert. Die Zürcher "Weltwoche" schreibt allerdings: "Europol findet ... immer mehr Hinweise für die bosnische Staatsbürgerschaft Bin Ladens." Noch im August 2003 soll der saudische Millionär und sechs seiner wichtigsten Helfer in Bosnien gewesen sein – die Grenzkontrolle am Flughafen Sarajevo hat jedenfalls ihre Namen aufgezeichnet. Als dies im Mai 2004 aufflog, war die Aufregung auf dem Balkan groß – hierzulande erfuhr man nichts darüber. Ein bosnischer Grenzschutzbeamter bezeichnete gegenüber den Nachrichtenagentur AP die Einreiseliste des fraglichen Tages als manipuliert. "Jemand mit einem dummen Begriff von Humor" habe sich einen "Scherz" erlaubt.
Terroristen und Agenten
Alle genannten Bosnien-Veteranen des 911-Plots standen in einem nicht geklärten Verhältnis zu den Geheimdiensten. Almidhar und Alhamzi wurden seit dem Al-Qaida-Treffen im Januar 2000 in Kuala Lumpur überwacht. Trotzdem konnten sie wiederholt in die USA einreisen und dort unter ihrem eigenen Namen Appartments und Autos mieten – und auch am 11. September einchecken. Mehrere Monate lang wohnten sie in San Diego bei einem FBI-Spitzel.
Die "Frankfurter Allgemeine" stellte fest, dass sich "die drei Hamburger Todespiloten und ihre Helfershelfer unter den Augen diverser Nachrichtendienste zu einer Terrorgruppe" zusammenschlossen. Zammar wurde seit 1997 vom deutschen Verfassungsschutz überwacht, und die CIA versuchte sogar, Darkanzali als Maulwurf anzuwerben. Ob das, wie behauptet, fehlgeschlagen ist, kann niemand nachprüfen.
Und Binalshibh, der 911-"Mastermind" aus Hamburg? Er hat Leute wie Atta heiß gemacht und auf Aktionen gegen Amerika gedrängt. Doch all das tat er nicht im Auftrag der Al-Qaida-Spitze – die traf er erst Ende 1999 bei seinem Besuch in Afghanistan. Hat er also alles selbst ausgebrütet? Oder baute er die Hamburger Truppe im Auftrag der Leute auf, die er bei seinen Kampfeinsätzen in Bosnien kennengelernt hatte? Waren darunter auch US-Amerikaner, die die Mudjahedin damals mit Waffen versorgten (Das schmutzige Spiel der Geheimdienste).
Bis heute jedenfalls erfreut sich Binalshibh einer besonderen Fürsorge der US-Geheimdienste. Seit seiner angeblichen Verhaftung am 11. September 2002 in Karatschi ist er von der Bildfläche verschwunden (Wie ein schlechter Krimi). Die US-Behörden weigern sich, seinen Aufenthaltsort bekanntzugeben, keiner hat ihn seither überhaupt gesehen – nicht einmal auf Fotos oder Videos. Gleichzeitig sind es vor allem die Aussagen dieses Kronzeugen, die die offizielle These über die Allenschuld der Al Qaida an den Megaanschlägen stützen (Neues von Binalshibh).
Die bisherigen Informationen sind widersprüchlich, das Mosaik des 11. September bruchstückhaft. Klar ist nur eines: Die angeblichen Schlüsselpersonen des Plots haben, bevor sie mit Al-Qaida in Kontakt kamen, in Bosnien gekämpft. Die dortigen muslimischen Einheiten wurden vom Pentagon-Geheimdienst mit Waffen versorgt. Als dieselben Personen später die Anschläge des 11. September vorbereiten, wurden sie von den US-Geheimdiensten pausenlos observiert, teilweise gab es sogar direkte Anwerbeversuche – aber niemals eine Verhaftung.