Die Balkanroute: wilde Camps, Polizeigewalt und brutale Pushbacks
Seite 3: Wachsende zivile Aufmerksamkeit für die Geflüchteten
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SOS Balkanroute, im April 2019 unter anderem vom Rapper Petar Rosandic gegründet, unterstützt Geflüchtete in Bosnien, die dort festsitzen. Petar Rosandic hat kroatische Wurzeln und spricht die Landessprache. So konnte er viele Kontakte und ein beeindruckendes Netzwerk mit kleinsten bosnischen Flüchtlingsinitiativen entwickeln.
"Am Anfang sind wir mit einer Spende von 2.000 Euro losgefahren. Das Geld war in zehn Minuten für Hilfsgüter ausgegeben und am Ende des Tages verteilt", erzählt er von seiner ersten Reise nach Bosnien.
"Inzwischen haben wir viele erfolgreiche Aktionen für Sach- und Geldspenden gestartet." Diese Sachspenden liefert SOS Balkanroute direkt nach Bosnien und unterstützt außerdem mit Spendengeldern, viele kleine Graswurzelinitiativen, die in Bosnien entstanden sind und minutiös durch Quittungen für die Spender belegt werden.
Sie helfen mit dem Nötigsten wie Schlafsäcken, Kleidern und Nahrung. SOS Balkanroute half im August auch mit 8.000 Euro aus, als die bereits erwähnte Geflüchtetenhilfe Rahma ein Finanzierungsproblem hatte, damit Rahma weiterhin Menschen in den Camps mit Nahrung und Kleidern versorgen kann.
Im Frühling 2021 spendete sie für Rahma auch ein Fahrzeug für 7.000 Euro. Die Finanzierung von Fahrzeugen spielt eine wesentliche Rolle bei der Verteilung von Spendengeldern, die SOS Balkanroute rekrutiert. Bereits drei Helferinnen konnten so Fahrtzeuge gekauft werden.
Interessant ist auch die Aktion Bauern helfen Bauern, die zusammen mit Rahma das Camp mit den afghanischen Familien versorgt. SOS Balkanroute besucht regelmäßig Zemira Gorinjac vom Verein Solidarnost in Bihać, die Geflüchtete mit Sachspenden versorgt.
Ebenso regelmäßig schaut SOS Balkanroute bei Azra Velagić Macić vom Verein Hedija in Sarajewo vorbei und fragt nach den dringendsten Bedürfnissen bei der Versorgung der Geflüchteten. Azra Velagić Macić versorgte die Geflüchteten zunächst in der Innenstadt von Sarajewo, bis sie von der Polizei vertrieben wurde. Seitdem ist ihre kleine Wohnung voll mit Sachspenden, die sich im Flur stapeln und die sie an ihrer Wohnungstür an die Geflüchteten ausgibt.
Die beiden Schwestern Amina und Merdija Kobilica waschen Kleidung für die Geflüchteten und bekamen von SOS Balkanroute eine Waschmaschine gespendet. Das Tageszentrum in Tuzla, das ebenfalls regelmäßig von SOS Balkanroute besucht wird, wenn die Initiative von Wien aus wieder in Bosnien unterwegs ist, konnte mit deren Spendengeldern sechs Duschen bauen.
Hier können sich die Geflüchteten von zehn bis 18 Uhr aufhalten. Vor allem im Winter, wo die meisten Menschen wegen der Kälte nicht über die Grenze gehen, ist dies ein wichtiger Ort zum Aufwärmen, Duschen, Tee trinken, Handys aufladen und um ins Internet zu gehen.
In der Hochsaison der Flucht über die Grenze kleiden sich die Menschen hier neu ein, versorgen sich mit Rucksäcken, telefonieren noch einmal mit ihrer Familie.
Mirela Ahmetbegović arbeitet zudem in Emmaus, einer Organisation, die halbstaatlich, halb mit privaten Spendengeldern finanziert wird und 1999 ins Leben gerufen wurde - ursprünglich, um die Geflüchteten von Kosovo aufzunehmen und zu versorgen. Emmaus ist hauptsächlich für psychisch und körperlich Schwerstbehinderte tätig, für Menschen, die in keinem Krankenhaus mehr aufgenommen werden und keine Angehörigen haben.
Emmaus hat ihre sozialen Aktivitäten nun auch auf Geflüchtete ausgeweitet. Neben dem weitläufigen Heimgelände mit eigenem Gemüseanbau hat die Organisation nun auch einen Trakt für unbegleitete minderjährige Flüchtende errichtet. Dort waren 2021 im September 16 Jugendliche untergebracht.
"Wir beschäftigen sie so gut wie möglich und haben viele kreative Angebote für sie. Aber wir halten sie nicht, wenn sie nach Kroatien oder Serbien über die Grenze wollen", erklärt eine Mitarbeiterin von Emmaus beim Besuch von SOS Balkanroute. Emmaus stellt außerdem täglich ein warmes Essen für die Geflüchteten, das sie am Busbahnhof von Tuzla an die Geflüchteten verteilt.
Es ist dieses Netzwerk kleinster Initiativen und inzwischen auch ein guter Kontakt zum bosnischen Fernsehen, das die Arbeit von SOS Balkanroute so effektiv macht.
"Als das Lager Lipa in Bihac brannte, waren unglaublich viele Helfer:innen vor Ort. Die blockierten sich teilweise gegenseitig – zu viel unorganisierte Hilfe ist nicht immer hilfreich. Aber nach diesem Wirbel war niemand mehr von ihnen übrig", erzählt Petar Rosandic. "Von den großen Hilfsorganisationen haben wir nach dem Brand niemanden gesehen. Was hätten wir mit diesen riesigen Summen von Hilfsgeldern, die sie bekommen haben, bewerkstelligen können und wie viel haben wir aus den Geldern gemacht, die uns gespendet wurden."
Doch auch ohne riesige Summen wird die Arbeit von SOS Balkanroute auf alle Fälle weitergehen.