Die CIA und das Öl
Seite 3: Iran
Ungemach drohte in Persien nicht von den Russen. Die hatten ihre Truppen bereits 1946 friedlich das Gebiet abgezogen, hinterließen allerdings eine starke kommunistische Partei. Die Briten, die dem Shah von Persien dessen Präferenz zu Hitler verübelten, schickten ihren Ex-Partner ins Exil und ersetzten ihn durch dessen jüngsten Sohn. Der gewählte iranische Staatschef Mossadegh verstaatlichte die Ölindustrie und warf die Briten 1951 aus dem Land. Die Sabotage geschah nicht technisch, sondern durch Boykott iranischen Öls. Zudem fehlten Mossadegh qualifizierte Arbeiter.
Nachdem Dwight D. Eisenhower Eisenhower 1953 Präsident wurde, kündigte Aramco die Zusammenarbeit beim Sprengprogramm auf, da man keinesfalls die saudischen Gastgeber weiter hintergehen wollte. Stattdessen plante die CIA nun, die Sabotage mit zivileren Methoden durchzuführen oder mit konventionellem Militär zu erledigen. Dennoch versteckten von der CIA angeleitete Aramco-Männer weiterhin unter ihren Betten Bomben, um notfalls Pipelines zu sprengen.
Dulles & Dulles
Eisenhower hatte die Außenpolitik an die beiden Anwälte der Ölindustrie delegiert, die ihm als Strippenzieher der Republikanischen Partei das Präsidentenamt besorgt hatten: John Foster Dulles amtierte als Außenminister und führte die Welt in den Kalten Krieg, der die Rüstungsindustrie glücklich machte. Allen Dulles wurde CIA-Direktor. Beide Brüder behielten gleichzeitig ihre Position bei Sullivan & Cromwell und waren nach wie vor am Auslandsgeschäft der US-Industrie beteiligt. Einer der Mandanten war zufällig der Shah von Persien.
Kermit Roosevelt, Neffe des Präsidenten, leitete die legendäre CIA-Operation Ajax, eine inszenierte Revolution königstreuer Rebellen. Nachdem der Shah auf dem Pfauenthron reinstalliert war, galt dessen Loyalität nunmehr ganz den USA. Die Briten blieben fortan draußen und firmierten ihre nun nicht mehr persische Ölgesellschaft in British Petroleum um, später nur noch "BP".
Revision
1956 sinnierten die Briten über eine nukleare Zerstörung der Ölförderung im Irak, da sich im Zweiten Weltkrieg konventionelle Fliegerbomben insoweit nicht als effektiv erwiesen. Das Sabotageprogramm am Boden wäre nur in Kooperation mit den Ölfirmen realistisch, die im Iran nun verstaatlicht waren. Eine Zusammenarbeit mit der irakischen oder iranischen Regierung kam nicht infrage. Großbritannien hätte mit Agenten lediglich die riesigen Anlagen im irakischen Kirkuk unbrauchbar machen können. Die nukleare Option wäre jedoch nur gemeinsam mit den USA realistisch gewesen. Eine Antwort der US-Seite ist nicht überliefert. Stattdessen prüfte Prussing, ob der Originalzerstörungsplan für die Anlagen im Iran funktionierte, was er positiv einschätzte.
1957 überdachte man die Pläne zur Selbstzerstörung. Als dringlicheres Problem wurde der zunehmende arabische Nationalismus erkannt, dem jedoch nicht durch entsprechende Sabotage hätte begegnet werden können. Die Befürchtung, die geplante Verletzung des Gastrechts könnte durchsickern und die Scheichs verstimmen, überwog den Nutzen. Daher gab man die klandestinen Sabotagepläne auf und baute die passive Verteidigung der Ölfelder etwa gegen Luftangriffe aus. Für den Fall eines Rückzugs stimmte man nun mit den Regenten vor Ort eine militärische Vernichtung ab.
Texas
Der Boom der texanischen Ölindustrie machte die ultrarechten Spekulanten Clint Murchison und H. L. Hunt zeitweise zu den reichsten Männern der Erde. Die bekennenden Rassisten bespendeten u.a. den Ku Klux Klan und die amerikanische Nazi-Partei. George H. W. Bushs Firma Zapata Oil soll der CIA als Cover-Organisation bei den verdeckten Operationen gegen Castros Kuba gedient haben. Allein die Liaison mit den Saudis brachten den Bushs nach plausiblen Schätzungen eineinhalb Milliarden Dollar ein.
Präsident John F. Kennedy, dessen Macht nicht am Ölgeschäft oder der Rüstungsindustrie hing, wollte das einträgliche Wettrüsten beenden und die CIA abschaffen. Nachdem Kennedy eine Reise nach Texas nicht überlebte, füllte sein texanischer Stellvertreter und Nachfolger Lyndon B. Johnson die Auftragsbücher der Rüstungsindustrie mit dem Vietnamkrieg.
Vom Durst nach Öl profitierte insbesondere die Hughes Tool Company mit ihrem konkurrenzlosen Ölbohrmeißel. Hughes Aircraft erarbeitete sich ein Monopol für Rüstungselektronik, der rechtsgerichtete Texaner Howard Hughes wurde schließlich zum reichsten Mann der Welt. Für die CIA entwickelte Hughes heimlich u.a. die Spionagesatelliten und stellte dem Geheimdienst seine landesweit verteilten Kinos als verdeckte Basen für illegale Inlandsaktivitäten zur Verfügung. Die Kooperation der CIA mit Hughes gipfelte Anfang der 1970er Jahre im Azorian Project, der wohl aufwändigsten Geheimdienstoperation aller Zeiten.
Enrico Mattei
Die Befürchtungen vor einer sowjetischen Invasion erwiesen sich als unbegründet. Doch der Kommunismus bedrohte die Interessen der Seven Sisters inzwischen aus Italien. Dort hatte der Manager Enrico Mattei den Konzern AGIP bzw. ENA aufgebaut und entwickelte eine unerhörte Importstrategie: So paktierte Mattei mit den ärmsten Staaten im Nahen Osten und im Ostblock, die er fair entlohnen wollte. Marokko und Tunesien wollte er etwa zu 50% beteiligen. Mattei pumpte auch Geld in die algerische Unabhängigkeitsbewegung, was ihm die Feindschaft der rechtsgerichteten Organisation de l’armée secrète (OAS) einbrachte.
Mattei erklärte 1960 nach Verträgen mit der Sowjetunion und China das Monopol der US-dominierten Seven Sisters im Erdölmarkt für beendet Für Washington waren Geschäfte mit dem Osten spätestens nach dem Embargo während der Kubakrise nicht akzeptabel. Mattei rekrutierte seine Leibwächter aus ehemaligen Partisanen, deren Loyalität er sicher sein konnte. 1962 entdeckte Matteis Pilot rechtzeitig Sabotage. 1963 wurde Mattei bei einem mysteriösen Flugzeugabsturz dennoch getötet. Ein Enthüllungsjournalist sowie Polizisten und Carabinieri, die den Fall untersuchten, wurden ermordet. 1986 erklärte der spätere italienische Chef des Militärgeheimdienstes, es habe sich um einen Abschuss gehandelt. Eine 1995 durchgeführte Exhumierung ergab, dass Mattei durch eine Explosion deformiert wurde.
OPEC
Nicht die Sowjetunion, sondern die Gastgeber durchkreuzten die Pläne der Seven Sisters. Dem Beispiel Mossadeghs, die westliche Ölindustrie einfach zu verstaatlichen, folgten nach und nach etliche andere Länder. Nach dem Vorbild des einst geheimen Kartells der Seven Sisters gründeten 1960 Staaten im Mittleren Ostens und in Südamerika unter konspirativen Umständen in Baghdad die Organization of the Petroleum Exporting Countries (OPEC). Selbst die aufs engste mit den USA verbündeten Saudis verstaatlichten Aramco in den 1970ern.
Nichts Neues unter der arabischen Sonne
Nelson Rockefeller, der es politisch zum Gouverneur von New York gebracht hatte und wie sein Vorgänger Roosevelt zum Staatschef aufsteigen wollte, scheiterte stets bereits bei den Primarys. Hughes illegale Wahlkampfspenden und Richard Nixons CIA-Methoden führten zum Watergate-Skandal. Nach dem ruhmlosen Rücktritt Nixons wurde Ölmann Rockefeller ohne Wahl nun wenigstens zum Vizepräsident berufen. Bush wurde 1976 Direktor der CIA und gleitete auf einem Ölfilm in den 80er Jahren ins Weiße Haus. Als Außenminister setzte er seinen Anwalt James Baker ein.
Als Saddam Hussein 1990 die Ölfelder in der Diktatur Kuwait besetzte, demonstrierten Bush und 28 an Erdöl interessierte Staaten mit einem historisch beispiellosen Luftangriff, wem das Öl tatsächlich gehörte und wie man es in Kriegsmaschinen einzusetzen hatte. Hussein praktizierte die Strategie der verbrannten Erde und zündete beim Rückzug die Ölfelder an. Bushs ebenfalls aus dem Ölgeschäft stammender Sohn George W. Bush machte die Chevron-Managerin Condoleeza Rice zur Außenministerin und nutzte 9/11 und erfundene Massenvernichtungswaffen, um gemeinsam mit den Briten 2003 den Irak zu okkupieren. Als erstes besetzten die Truppen das Ölministerium, die Verhinderung von Sabotage hatte also Priorität. Später kam heraus dass Shell, BP und die US-Ölindustrie wie schon 1928 die Schürfrechte vor dem Krieg aufgeteilt hatten.
Von Markus Kompa aktuell im Westendverlag erschienen: Der Politthriller Das Netzwerk.