Die EU-Strategie gegen China: Zwischen kolonialem Blick und Hybris

Seite 2: Kolonialer Blick auf China

Während man immer neue US-Militärbasen im unmittelbaren Umfeld Chinas wie in Japan und den Philippinen aus- und aufbaut, verbittet man sich zugleich chinesische Militärbasen in Kuba mit dem Argument der Nähe zu den USA.

Zentral ist bei der vom EU-Außenbeauftragten Josep Borrell und dem diplomatischen Dienst der Union (EAD) ausgearbeiteten EU-Strategie gegen China, im Mai 2023 konsentiert in der Folge von allen EU-Hauptstädten, nicht nur das Panorama eines beginnenden Wirtschaftskrieges gegen die Volksrepublik, sondern der quasi koloniale Blick Europas auf das Land. In einer merkwürdigen Verkennung der Realitäten wird China zu einer bestimmten Außenpolitik gegenüber Russland regelrecht aufgefordert.

Während die EU die Ukraine über die nach Orwell-Manier benannte "Friedensfazilität" massiv aufrüstet und den Nato-Stellvertreterkrieg durch das Aufrechterhalten der ukrainischen Behörden mittels einer stetigen Milliardenförderung flankiert, soll Beijing vorgeschrieben werden, was es außenpolitisch zu tun und zu lassen hat. Immer noch nicht will man in Brüssel das Ende der westlichen Hegemonie akzeptieren und träumt dort den Traum der europäischen Kolonisatoren von einer Welt, wo man anderen Gegenden sagen konnte, was sie zu tun und zu lassen haben sollten.

Multipolare Welt ist Realität

Europa weigert sich, das Werden einer multipolaren Welt anzuerkennen. Man muss leider hinzufügen – bei Strafe seines eignen Untergangs. Die Hybris, die aus der EU-China-Strategie spricht, speist sich aber nicht nur aus der kolonialen Vergangenheit, sondern hat ihre Wurzel in einem Vasallenverhältnis, im unbedingten Glauben, sich in jedem Falle auf den Hegemon USA verlassen zu können. In der irrigen Überzeugung, dass es deckungsgleiche Interessen gäbe und die USA nicht auch auf Kosten der Bevölkerungen Europas ihre ganz eigenen Interessen verfolgen würden.

Wie ein Hund an der Leine seines Herrn sich größer und mächtiger fühlt, meint man China Mores lehren zu können. Es gehört offenbar zum Zynismus dieser Machtstrategie, dass man zugleich die Freiheit im Westen mit Füßen tritt und jemanden wie den Journalisten Julian Assange foltert und lebendig zu begraben versucht, weil er US-Kriegsverbrechen öffentlich gemacht hat.

Es scheint, als hätte sich die EU als Ganzes das Großbritanniens eines Tony Blair und eines Boris Johnson zum Vorbild genommen und sähe seine Zukunft allein in einer nibelungentreuen Gefolgschaft zu den USA. Deren Regierungen setzen eine knallharte Interessenpolitik von US-Konzernen auf die Schiene, auch wenn dies zum massiven Schaden der eigenen Bevölkerung und zu einer verheerenden Beteiligung an den immer neuen US-Kriegen und -Wirtschaftskriegen führt.

Es gibt dagegen ein vitales Interesse der Bevölkerungen in der EU, die bisherigen Wirtschaftskriege zu beenden und keine neuen Sanktionsspiralen einzugehen. Denn inzwischen wird klar, dass die soziale und ökonomische Zukunft Europas hier leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.

Und es gibt das Interesse, die gesellschaftlichen Ressourcen nicht in einer gigantischen Aufrüstung verbrennen zu lassen. Um die Interessen der Beschäftigten im Westen für ein gutes Leben zu realisieren, braucht es ein Bündnis mit dem globalen Süden, braucht es Dialog, Kooperation und die Achtung der demokratischen Souveränität.

Sevim Dagdelen ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Deutschen Bundestages

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