Die Energiewende erreicht die Straße
Wer hätte gedacht, dass marktfähige Elektroautos aussehen wie ein Aston Martin?
Ein Wintertag in Oberbayern. Fünf Grad minus am morgen - seit Jahren gilt dieser Fall als beliebtes Killerargument gegen Elektroautos. Diese, so hieß es, können bei Hitze nicht gekühlt, bei Kälte nicht geheizt werden. Die Batterie mag keinen Frost, heißt es. IT-Personalberater Alexander Spuhl fährt bereits seit Jahren Tesla. Nun steht er mit seinem fabrikfrischen Tesla S vor mir: Schwarz in schwarz, schwarzes Leder, Sportfelgen. Schwarze Sonnenbrille.
Ein "vierpoliger Dreiphasenwechselstrominduktionsmotor mit Kupferläufer", so umständlich steht es in den Fahrzeugdaten, beschleunigt das 2.100 Kilogramm schwere Geschoss in 4,4 Sekunden von Null auf Hundert. Vom Design erinnert der Tesla S an Aston Martin, den Jaguar "R" mit einem Hauch Maserati Quattroporte und einer Prise Porsche Panamera.
18,1 Kilowattstunden soll er auf 100 Kilometer konsumieren - soviel benötigten in den 70er Jahren neun Radiatoren in einem zugigen Bungalow. Bei einem Kilowattpreis von 20 Cent wären das Treibstoffkosten von 3 Euro 60 pro 100 Kilometer. Für ein High-End Luxusgefährt ein unvorstellbar niedriger Wert. Jede verbrauchsoptimierte Mercedes E-Klasse, jeder 5er BMW, jeder Audi A6 verbraucht mindestens sechs Liter Treibstoff zu je 1 Euro 50, also mindestens neun Euro für die gleiche Distanz. SUV und Boliden mit der Leistung des Tesla S schlucken mindestens 10 Liter.
Wie Spuhl auf meine Frage nach der Herkunft des Stromes betont, wird er ab Frühjahr zu Hause solar tanken. Das beliebte Argument, Elekroautos seien solange sinnlos oder gar absurd, wie der Strom aus brandenburgischer Braunkohle stamme, zieht dann nicht mehr. Ausgerechnet ein US-amerikanischer Hersteller zeigt im Mutterland jeglicher Energiewenden, dass ein Serienfahrzeug mit Nullemission machbar ist.
Die magische Zahl ist grün: 421
Dass der Motor bereits läuft, hört man nicht. Allerdings sind die Fahrgeräusche bei Tempo 100 nicht ungewöhnlich niedrig. "Die Geräuschdämmung", führt Spuhl aus, "ist nicht mit der von Mercedes und Rolls Royce vergleichbar."
Teslafahrer entfalten nicht den Ehrgeiz, vor Ingolstadt den beliebten Abriegelungspunkt bei 250 zu erreichen, was auch nicht ginge, da bei 210 Schluss ist. Wenn Spuhl Gas gibt, drückt es mich in den Sitz, als sei ich Co-Pilot in einer MIG.
Elektroautos sind ja längst keine Sensation mehr. Es gibt sie von Nissan, von Opel und Renault. Die Sensation des Tesla S besteht in zwei Dingen. Erstens ist es ein vollwertiges Luxusfahrzeug mit tollem Design und viel Platz. Zweitens - das sieht man in meinem Video - erscheint auf der Reichweitenanzeige die Zahl 421.
Das lässt Raum für Phantasie, gelangte man doch so von München ins steirische Weinland und in die Wachau, in die Agtriturismi Friauls, die Grotto des Tessin und die Skigebiete Tirols. Dass man dort nächtigt und auftankt, dürfte wohl kaum ein logistisches Problem sein.
Wer die in den USA leidenschaftlich und mit Akribie geführte Debatte um Reichweite und Sicherheit des Tesla S verfolgen möchte, deren Auslöser eine missglückte Testfahrt des New York Times Reporters John Broder war, kann im Time Magazine einen Überblick bekommen.
Im August 2013 lag der Tesla S ungeachtet der riesigen Diskussion in den USA in Kalifornien mit 4.714 verkauften Exemplaren bereits auf Platz drei hinter der Mercedes E-Klasse und dem 5er BMW.
Allerdings erfahren wir, dass Daimler-Benz an Tesla beteiligt ist und auch einige Komponenten aus der traditionsreichen deutschen Edelschmiede stammen.
24.000 Euro Einsparung im Vergleich zu gleichstarken Konkurrenzmodellen
In Deutschland erhält man beim Kauf eines Tesla eine zehnjährige KfZ-Steuerbefreiung. Es ist allerdings fraglich, ob die Zielgruppe mit einem Einkommen von 100k plus so motiviert werden muss. Der P 85 schlägt derzeit mit 91.000 Euro zu Buche und bietet als Option integrierte Kindersitze für 2.400 Euro. Die darin enthaltenen 416 PS Leistung bewegen sich auch bei unseren Herstellern im Bereich oberhalb von 80.000, so dass der Tesla eigentlich nicht ungewöhnlich teuer ist.
Wenn man ihn dann noch über das Geschäft least, wird die Umsatzsteuer herausgerechnet. Die Garantie über 200.000 Kilometer oder acht Jahre könnte dann auch beinharte Controller überzeugen, denn bei 200.000 Kilometern fährt der Tesla bei mindestens zwölf Euro Einsparung je 100 Kilometer weitere 24.000 Euro heraus - falls er nicht an der firmeneigenen Solartankstelle befüllt wird.
Mit solchen Rechenbeispielen gerät der Tesla, der klar in der Oberklasse positioniert ist, in die Gruppe der 50.000-Euro-Mittelklasse.
Es ist deshalb zu erwarten, dass wir in Kürze auch von Dacia vollwertige Elektroautos mit 400 Kilometer Reichweite sehen werden. Der Tesla S wird dann wie bereits jetzt in Kalifornien die obere Mittelklasse abdecken. Wer weiß, vielleicht fahren dann sogar Telepolis-Autoren Tesla?