Die Erde gerät ins Taumeln
Seite 2: Sommerbeginn rund 10 Tage früher als vor 50 Jahren
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Fernab aller Prognosen sprechen die aktuellen Daten für sich: Eine Studie, die im April 2016 in der Fachzeitschrift "Nature Climate Change" erschien, zeigt, dass der Sommer in Europa immer früher beginnt.
Die Klimaforscher Christophe Cassou und Julien Cattiaux analysierten für ihre Studie Klimadaten aus den Jahren 1950 bis 2010 und unterteilten die Jahreszeiten - zur Vereinfachung - in ein Winter- und ein Sommerhalbjahr. Den Beginn des Sommers definieren die Forscher als denjenigen Zeitpunkt, an dem die ausgeprägten Hochdruckgebiete östlich und nördlich von Europa nicht mehr die gemäßigten Westwinde des Atlantiks blockieren. In den 1960ern lag dieser meteorologisch definierte Sommerbeginn um den 12. April. In den vergangenen Jahren lag dieser Zeitpunkt, wo die langanhaltende Wärmeperiode bis zum nächsten Wintereinbruch beginnt, jedoch zwischen dem 1. und 5. April. Verantwortlich dafür ist vor allem die immer früher abschmelzende Schneedecke in Osteuropa, die zu einer Verschiebung der Luftdruckgebiete führt.
Die Studie wird auch durch phänomenologische Beobachtungen gestützt: So beginnt die Apfelblüte, die oft als Frühlingsmarker fungiert, heutzutage deutlich früher als in den letzten Jahrzehnten. Setzte die Apfelblüte in den 1980ern durchschnittlich am 10. Mai ein, so beginnt sie derzeit durchschnittlich bereits am 24. April. Cassou und Cattiaux rechnen damit, dass das Sommerhalbjahr bis zum Jahr 2100 bereits am 25. März beginnen könnte, also rund 20 Tage früher als noch in den 1960er Jahren.
Menschengemachter Klimawandel
Klar ist, dass der Klimawandel größtenteils menschengemacht ist und sich vor allem auf die CO2-Emmissionen zurückführen lässt. Im Jahr 1997 verbrauchte die Weltbevölkerung täglich 10,5 Milliarden Liter Erdöl pro Tag. Im Jahr 2015 betrug der tägliche Verbrauch bereits über 15 Milliarden Liter Erdöl, Tendenz weiter steigend. Die Natur hat eine Million Jahre benötigt, um diese 15 Milliarden Liter Erdöl hervorzubringen.
Dabei sind die Wechselwirkungen zwischen unserem kapitalistischen Wirtschaftssystem und dem Klimawandel fatal (Kapital- und Klimakollaps). Übrigens: Der weltweit größte Konsument von Erdöl ist das Pentagon: Die US-Streitkräfte und die Militärbasen verbrauchen täglich über 50 Millionen Liter Erdöl und damit mehr als die gesamte Schweiz. Noch schlimmer ist es bei der Kohle: Sie ist mit 40 Prozent die weltweit wichtigste Quelle zur Energieerzeugung, pro Sekunde verfeuert die Menschheit 253 Tonnen Kohle.
Will die Menschheit die globale Erderwärmung auf 2,0 Grad Celsius beschränken (und selbst das hätte enorme klimatische Auswirkungen), müsste der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Kohle von derzeit 1.070 Kilogramm bis zum Jahr 2050 auf nur noch 80 Kilogramm sinken. Geschieht das nicht, gerät die Erde weiter ins Taumeln. Und das nicht nur an der Erdachse.
Patrick Spät lebt als freier Journalist und Buchautor in Berlin.