Die Folgen der US-Geldpolitik
Deutschland und China ärgern sich zu Recht über die Währungspolitik des Dollar-Hegemons. Denn absehbar ist eine weitere Umverteilung von unten nach oben und in Richtung der USA
Während Präsident Barack Obama am Montag in Neu Delhi betonte, es sei eben das Mandat der US-Regierung und der Fed, die Wirtschaft in Schwung zu bringen, ist klar, warum Deutschland, Japan oder China so unwirsch auf die jüngsten geldpolitischen Aktionen der USA reagieren. Ganz offenbar ist die FED gewillt, das vom New-Economy-Crash bekannte Sanierungsmuster mit radikaleren Methoden fort zu setzen.
So ereifert sich der britische Economist, die USA hätten "sich im Ausland in Dollars verschuldet. Geld zu drucken, um diese Schulden zu bezahlen (was die FED tut, wenn sie Dollars kreiert, um Staatsanleihen zu kaufen) ist im Grunde ein teilweiser Kreditausfall. Es ist, als würden sie die Supermarktrechnung mit Monopoly-Geld bezahlen wollen, mit der Begründung, es sei das einzige Papiergeld das sie zu Hause finden konnten."
Sogar der Chef der Weltbank Robert Zoellick, der seine Karriere im US-Finanzministerium begonnen hatte, es unter Bush I zum Außenminister brachte und später Berater der Investmentbank Goldman Sachs wurde, fabuliert in einem Beitrag für die Financial Times von einem neuen Bretton Woods III, "einem kooperativen Währungssystem, dass die Emerging Markets berücksichtigen und den Dollar, den Euro, den Yen, das Pfund und den Renmimbi umfassen müsse".
Was die Finanzmärkte jedoch viel mehr aufregte als diese altbekannte Anregung, war, dass er vorschlug, dieses nun zu schaffende System solle auf Gold als "Referenzpunkt für die Markterwartungen bezüglich Inflation, Deflation und künftiger Wechselkurse herangezogen werden, (…) da die Märkte Gold heute ohnehin bereits als alternatives monetäres Anlageobjekt nutzen". Das rechtfertigte zwar nicht ganz die Schlagzeile, Zoellick trete für einen Gold-Standard ein, aber bei einem neuen Rekordpreis von 1400 Dollar je Unze dürfte es wohl als Spitze gegen die US-Geldpolitik zu interpretieren sein.
Nicht nur den "Economist" regt auf, dass die USA ihren Gläubigern nun die Möglichkeiten nehmen, auf längere Laufzeiten auszuweichen, mit den angekündigten Käufen von bis zu zehnjährigen US-Staatsanleihen sage die USA zu ihren Kreditgebern: "Wir werten ab, aber wir verhindern, dass du uns für dieses Risiko höhere Zinsens verrechnest."
Schon nach dem DotCom-Crash stellte die Fed den Banken Geld kostenlos zur Verfügung
Das erinnert an die Zeit des New-Economy-Crash, als im Sommer 2000 die Ökonomie-Professoren Maurice Obstfeld (Berkeley) und Kenneth Rogoff (Harvard) bei einer hochkarätigen Notenbanktagung im malerischen Wintersportort Jackson Hole ihre Betrachtungen zu den weiteren Aussichten der USA und zu deren Leistungsbilanzdefizit präsentierten, das zu jenem Zeitpunkt auf 316 Milliarden Dollar (3,6% des GDP) angeschwollen war. Sie gingen davon aus, dass der Ausgleich des Ungleichgewichts durch eine Abwertung des Dollars erfolgen werde, wobei sie offen ließen, ob das Ausmaß bei etwa 25 Prozent liegen oder gar 40 Prozent übersteigen werde. Die Frage sei, wie "die Fed die heimische Arbeitslosigkeit gegenüber dem Dollaraußenwert auszubalancieren gedenkt".
Schon damals hätte jedoch kaum jemand vermutet, wie radikal die USA daraufhin vorgehen würden. Denn nun hielten die USA die kurzfristigen Realzinsen drei Jahre lang konsequent im negativen Bereich, was der damalige Notenbankchef Alan Greenspan mit Deflationsängsten begründete, später aber zugab, dass er die Zinsen zwar gerne früher erhöht hätte, nur sei das - so viel zur Unabhängigkeit der Notenbank - "politisch nicht opportun" gewesen.
Die Fed stellte den Banken jahrelang also gratis Geld zur Verfügung, beließ es aber bei den "traditionellen" Instrumenten der Geldpolitik. Sie verlieh an ihre Mitgliedsbanken nur kurzfristige Gelder und die Banken mussten dafür erstklassige Sicherheiten übermitteln. Sie wich damit allerdings eindeutig von der von der Fed jahrelang beachteten "Taylor Rule" ab, die einen "optimalen" Leitzinssatz nach einer simplen Formel von der Entwicklung mehrerer makroökonomischer Daten ableitet. Das behauptet jedenfalls der Stanford-Ökonom John Taylor, der diese Regel 1993 aufgestellt hatte.
Die Folge der lockeren Geldpolitik war ein Boom in den USA, der von extrem lockeren Kreditvergaben geprägt war, weil die umlaufenden Privatschulden über diverse Verbriefungsrunden an "Investoren" verkauft werden konnten. In der Folge verdoppelten der Finanz- und der Immobiliensektor ihre Anteile am US-BIP und es entstand die "erste wirklich globale Blase", die in den schwersten globalen finanz- und realwirtschaftlichen Crash seit dem 2. Weltkrieg mündete.
In der Eurozone konnte Deutschland nur mit der Einführung eines Billiglohnarbeitsmarkts am Weltmarkt mithalten
Zuvor hatte die lockere Geldpolitik der USA aber auch zu einem drastischen internationalen Kaufkraftverlust des Dollar geführt, was freilich wenig am ausufernden Leistungsbilanzdefizit änderte. So war ein Euro kurz nach seiner Einführung ein echtes Sorgenkind und in den Jahren 2001 und 2002 gerade einmal rund 90 US-Cent wert, was die EZB zu einer relativ strengen Geldpolitik und zeitweise sogar zu Stützungskäufen veranlasste. Bis 2004 hatte sich der Euro dann aber schon bei rund 1,20 Dollar etabliert und war 2007 auf fast 1,60 angestiegen, hatte gegenüber dem Dollar also rund zwei Drittel an Wert gewonnen, was immerhin einen Ausgleich zu den inzwischen massiv angestiegenen Dollar-Rohstoffpreise bot.
Jedenfalls haben die USA den schwachen Dollar nicht zur Verringerung des Leistungsbilanzdefizits genutzt, vielmehr überstieg das Defizit 2006 in jedem Quartal 200 Millionen Dollar und hatte sich damit seit 2003 in etwa verdoppelt. Offenbar boten die boomenden Sektoren keine Exportchancen und die Sachgüterindustrie stagnierte trotz der um mehr als 50 Prozent verbesserten internationalen Wettbewerbsfähigkeit, was aber sicherlich auch daran lag, dass sich China der Dollarabwertung entgegengestellt hatte. Was der Finanzsektor indes produzierte, wirkte immerhin auf die Kapitalbilanz. Denn der vergab nun Unmengen an Krediten und reichte diese als Wertpapiere an internationale Investoren weiter. Und während vor allem China US-Staatsanleihen aufnahm, produzierte der Finanzsektor die heute so berüchtigten Schrottanleihen, die die Bilanzen vieler europäischer Banken noch immer belasten.
In der Eurozone konnten indessen nur noch Deutschland und einige kleinere Länder am Weltmarkt mithalten, besonders die so genannten "PIGS"-Staaten gerieten in Leistungsbilanzkrisen. Denn sie hatten ihre traditionelle Politik stetig steigender Löhne und Preise beibehalten, konnten ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit nun aber nicht mehr mit den üblichen Währungsabwertungen wiederherstellen. Das gelang insbesondere nicht gegenüber ihrem wichtigsten Handelspartner Deutschland, das gegenüber diesen Ländern in der Folge einen enormen Handelsüberschuss und hohe Finanzforderungen aufbauen konnte. Deutschland behielt dadurch zwar Budget und Staatsschulden unter Kontrolle, die Bevölkerung bezahlte diese ökonomische Machtposition jedoch mit dem Entstehen eines Billiglohnsektors, stagnierenden Einkommen und der Erosion traditioneller Beschäftigungsverhältnisse.
Chinas Erfolg hängt an der Bindung an den Dollar
Warum die Weltleitwährung Dollar ihren Status unangefochten behalten konnte, lag nicht nur daran, dass die meisten Rohstoffe gegen Dollars gehandelt werden, sondern nun finanzierte China das eskalierende außenwirtschaftliche Defizit der USA. Denn dieses verfolgt seit mehr als zehn Jahren das Ziel, alljährlich 20 Millionen Menschen neu in einen global wettbewerbsfähigen industriellen Produktionsprozess zu integrieren und die meisten Schätzungen sprechen dafür, dass dies bislang gut gelungen ist. In China gilt als gesichert, dass dafür besonders die Politik der stabilen Bindung an den Dollar verantwortlich ist.
China lässt sich diesen informellen Währungsblock, um den sich inzwischen etliche südostasiatische Länder gruppiert haben, allerdings einiges kosten. Immerhin muss es dem Aufwertungsdruck, dem seine Währung ausgesetzt ist, fast permanent mit Yuan-Verkäufen entgegentreten. Während China dadurch enorme Dollarreserven anhäuft, strömen diese frisch produzierten Yuan umgehend nach China zurück, wo sie von der Notenbank mit Wertpapierverkäufen "sterilisiert" werden müssen, um die Geldmenge nicht übermäßig anschwellen zu lassen.
Allerdings konnte sich wohl nur so die kaum bestreitbare ökonomische Identität erfüllen, dass ein Leistungsbilanzdefizit durch gegenläufige Transaktionen in der Kapitalbilanz ausgeglichen werden muss. Exportländer wie China und Deutschland müssen also in Höhe der Überschüsse entweder US-Schuldtitel (z.B. Staatsanleihen), US-Sachwerte (z.B. Immobilien und Aktien) oder eben direkt Dollars annehmen, was kumuliert das Auslandsvermögen eines Staates ergibt.
Makroökonomisch wird die Angelegenheit jedoch dadurch verkompliziert, dass ein großer Teil der US-Importe dabei von Auslandsstandorten von US-Unternehmen kommt, die nur Teile der daraus resultierenden Gewinne repatriieren und anscheinend hohe Auslandsvermögen aufgebaut haben, die nicht voll von den internationalen Statistiken abgebildet werden. Das macht die US-amerikanischen "Global Payer" wiederum zu doppelten Profiteuren einer Dollar-Abwertung, denn in Dollar gemessen steigen sowohl der Wert ihrer Auslandsanlagen, als auch ihre Exporterträge, was die ökonomische Situation der USA wesentlich stärker macht, als man auf Basis der offiziellen internationalen Vermögensposition annehmen sollte. Es macht aber auch deutlich, wie die Lasten einer Dollarabwertung in den USA selbst verteilt werden. Denn vermutlich wird der Beschäftigungseffekt der Abwertung auf die US-Produktion weiterhin gering ausfallen, allein schon weil kaum Kapazitäten für eine Steigerung der Sachgüterproduktion bestehen, und neue Kapazitäten aufgrund von diversen strukturellen Hindernissen bislang auch nicht vermehrt aufgebaut werden.
Lockere Geldpolitik lässt Gewinne der Multis sprudeln und führt weiterhin zur Umverteilung der Vermögen und Einkommen von unten nach oben
Der Währungseffekt schlägt sich also unmittelbar positiv in den Gewinnen der Multis nieder, sorgt aber kaum für steigende US-Arbeitseinkommen. Haushalte mit niedrigen Einkommen geben zudem einen überproportionalen Teil ihrer Einkommen für Energie sowie Rohstoff-lastigen Konsum aus, deren Preise ebenso durch die US-Geldpolitik nach oben getrieben (bzw. am Einbrechen gehindert) werden, wie die Preise von Finanzanlagen und Immobilien.
Vor allem den Preis von Vermögenswerten dürfte dann auch die Fed im Sinn haben, denn durch den Wohlstandseffekt der Buchgewinne lassen sich durchaus steigende Privatausgaben der Vermögensbesitzer erwarten, das aber vermutlich in viel geringerem Ausmaß, als wenn es sich um Einkommenszuwächse handeln würde.
Offenbar sorgen die weltweit bestehenden Überkapazitäten bei etlichen Produktgruppen für fallende Preise, was viele Unternehmen außerhalb des Rohstoffbereichs davon ausgehen lässt, in absehbarer Zeit höhere Verkaufspreise kaum durchsetzen zu können. Die aktuelle Geldpolitik hat daher offiziell den Zweck, die Inflationserwatungen der Unternehmen anzuheben. Würden sie von steigenden Preisen ausgehen können, dann sollten sich produktive Investitionen rentieren und die ökonomischen Kräfte müssten dazu führen, dass diese auch durchgeführt werden, insbesondere wenn die Zinsen für Finanzanlagen so niedrig sind wie heute.
Genau dies geschieht mangels US-Investitionsobjekten aber offenbar nicht, sondern die Dollars fließen ins Ausland, da z. B. in den Emerging Markets höhere Wachstumsraten und Gewinne erwartet werden und die Dollar-Abwertung zusätzlich für Wechselkursgewinne sorgt. Weite Teile der Wall Street zeigen sich wie Marc Mobius vom Investmentfonds Templeton jedenfalls überzeugt, dass diese frischen Dollars nun bis auf weiteres für steigende Preise bei EM-Anlagegütern und Rohstoffen führen.
Klar absehbar sind die Folgen für die EM-Staaten. Wie auch immer Länder wie Thailand, Brasilien oder China sich diesen Geldern entgegenstemmen, sie können kaum verhindern, dass die hereinströmenden Dollars die Preise von Finanzanlagen und das allgemeine Preisniveau in die Höhe treiben, während gleichzeitig Auslandsvermögen und Exporterlöse sinken. In den Überschussländern sollten die steigenden Buchvermögen nun zu einem Ansteigen des inländischen Konsums und zu einer Reduktion des Außenhandelsüberschusses führen, was angesichts der hohen Sparquoten in vielen EM-Staaten durchaus sinnvoll wäre. Absehbar ist jedoch, dass diese Länder – wie Deutschland - eher die Produktionskosten senken werden, anstatt den Inlandskonsum zu steigern. Damit wird wohl neuerdings eine Umverteilung der Vermögen und Einkommen von unten nach oben einhergehen.