Die Folterbrigade
Der "Inkubationsherd" der Gefangenenmisshandlungen im Irak ist in Deutschland stationiert
Der Skandal um die Folterpraxis der US-Armee weitet sich aus. Während Seymour Hersh mit seinen Enthüllungen über die von Verteidigungsminister Rumsfeld abgesegnete Geheimoperation zur rigorosen "Befragung" Gefangener deutlich gemacht hat (Rumsfeld und die supergeheime Pentagon-Abteilung), wie weit nach oben die Kommandokette in Sachen Folter tatsächlich reichte, macht ein Bericht des "Independent" die Dimension des Skandals deutlich.
"Nahezu 10.000 Gefangene aus Präsident George W.Bush's sogenanntem Krieg gegen den Terror sind rund um die Welt in geheimen, von Amerikanern betriebenen Gefängnissen und Befragungszentren wie dem notorischen Abu Ghraib Prison in Gewahrsam. Einige der Gefangenenlager sind so geheim, dass selbst höhere Mitglieder des US-Kongresses keine Ahnung haben, wo sie liegen. Von Afghanistan bis Kuba wird dieser amerikanische Gulag von dem Druck angetrieben, "umsetzungsfähige" (actionable) Erkenntnisse von den Gefangenen zu erhalten.
Der Irak bildet derzeit die Speerspitze dieser US-Lager (Das Zweiklassensystem des Pentagon). Laut "Human Rights Watch" waren Ende Januar insgesamt 8.968 Personen aus 21 Nationen inhaftiert - davon etwa 8.000 in 10 Gefängnissen und Lagern im Irak, von denen viele bei Straßenaufständen willkürlich eingesammelt und verhaftet worden sein sollen. Auch wenn diese Angaben unsicher sind - und das Pentagon keine Auskünfte zur Zahl der Inhaftieren gibt -, machen sie doch deutlich, dass es bei "Torturegate" nicht mehr um einen Zellenblock und ein paar schwarze Schafe geht, sondern um ein von der Regierungsspitze sanktioniertes System.
Noch dementiert das Pentagon den Bericht von Seymour Hersh, nach denen das von Rumsfeld initiierte "special access programm" (SAP) ein Verhörkommando von ca. 200 Spezialisten mit Lizenz zum Foltern war und von seinem Staatssekretär Cambone geleitet wurde. Doch Hersh ist gewöhnlich nicht nur gut informiert - erst das Erscheinen seines Artikels im "New Yorker" setzte CBS unter Druck, die wochenlang zurückgehaltenen Folterbilder und Informationen aus Abu Ghraib zu veröffentlichen -, seine Angaben über diese geheime Verhörpolizei passen auch perfekt zu dem von Cheney und Rumsfeld im Pentagon geschaffenen Neben-Geheimdienst namens "Office of Special Plans", der an den militärischen Diensten und der CIA vorbei kriegsfördernde Informationen sammeln sollte. Dazu einen diskreten Foltertrupp bereit zu halten, der ansonsten nicht zu beschaffende Informationen mit Gewalt einzutreiben versucht, scheint nur konsequent. Wenn sich Hershs Enthüllungen bestätigen, wird der schneidige Rummy mit einem "Na ja, in Zeiten des Terrors muss man eben auch mal den 'kurzen Dienstweg' benutzen, um die Nation zu schützen" nicht durchkommen...
Und für Joschka Fischer sollte es eigentlich auch nicht mehr reichen, gegenüber Condi Rice das "Entsetzen" Deutschlands nur soweit zum Ausdruck zu bringen, dass er dafür vom CDU-Fraktionsvize Schäuble gelobt wird, "den richtigen Ton" getroffen zu haben. Statt wohlfeilem Entsetzen aus Deutschland scheint nämlich ein deutliches Machtwort angebracht. Wie die New York Times berichtet, wurde mittlerweile der "Inkubationsherd" der Folterverbrechen ausgemacht: das Gefangenenlager "Camp Cropper" am Rande Baghdads, aus dem das Internationale Rote Kreuz schon im Juli 2003 mindestens 50 Misshandlungen an das US-Oberkommando gemeldet hatte (s.a. Robert Fisk: The Ugly Truth of Camp Cropper vom Juli 2003). Zuständig für die Befragungen in Camp Cropper war die 205th US Military Intelligence Brigade, stationiert im hessischen Wiesbaden-Erbenheim:
Dem Brigadekommandeur, Oberst Thomas M. Pappas, der das Kommando Ende Juni 2003 übernahm, wurde später das Kommando der Befragungen in Abu Ghraib übertragen; er wird in der Armeeuntersuchung der Missbräuche zu denen gezählt, die "entweder direkt oder indirekt verantwortlich" für die dort misshandelten und erniedrigten Gefangenen verantwortlich ist. (..) Die 205th US Military Intelligence Brigade steht nun im direkten Brennpunkt der internen Armee-Untersuchung, von der laut einem höheren Militäroffizier erwartet wird, neues Licht in die Missbrauchsfälle zu bringen."
Inwieweit die Folterbrigade, die als "Inkubationsherd" der Misshandlungswelle im Irak gilt und der auch private Söldner zugeordnet sind, im Rahmen des von Rumsfeld abgesegneten Geheimprogramms operierte, ist derzeit nicht bekannt; sicher aber ist, dass sie in Deutschland stationiert ist, einem Land, in dessen Grundgesetz es heißt:
Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.
Terroristen in Uniform einen sicheren Hafen zu bieten, von dem aus sie folternd und mordend in die Welt ziehen oder sich von ihren Taten erholen - just in jener alten Kurstadt, in dem Joschka Fischer als friedensbewegter Turnschuhfreak seine Ministerkarriere begann -, diese verfassungswidrigen Handlungen erfordern von einem deutschen Außenminister mehr als nur moderates "Entsetzen". Eine umgehende Verweigerung der Überflugsrechte wäre das Mindeste. Dass gerade die Deutschen besonders empfindlich und gesetzestreu sind, wenn es um Lager und Kriegsverbrechen geht, würde - außer den Bush-Barbaren - wohl alle Welt verstehen...