"Die Friedensbewegung schwört nicht ab"
Seite 2: Was die Friedensbewegung will
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Im Aufruf zum Kongress heißt es sinngemäß, das Agieren der Nato würde das Funktionieren einer Friedensordnung in Europa verhindern. Wie könnte Ihrer Meinung nach eine europäische Friedensordnung aussehen?
Christiane Reymann: Seit 1989/90 gab es verschiedene Ansätze für eine europäische Friedensordnung. Schauen wir nur auf die Charta von Paris, die damals von allen europäischen Staaten unterzeichnet wurde. Sie sah unter anderem vor, dass sich die Länder in der Wissenschaft und anderen Bereichen zunehmend "verweben". Das sollte auf vielen Ebenen den Dialog und den Austausch fördern.
Der ehemalige russische Präsident Dmitri Medwedew griff dies später auf und schlug vor, die Charta von Paris in ein Vertragsprojekt auszubauen. Doch die europäischen Nato-Staaten durften sich auf Weisung von Washington nicht daran beteiligen.
Nicht zu vergessen sind auch die Vorschläge eines eurasischen Projekts. Oder die Modernisierungspartnerschaft zwischen Deutschland und Russland, die vor einigen Jahren vom damaligen Außenminister Frank-Walter Steinmeier angestrebt wurde.
Was dagegen jetzt geschieht, halte ich für gefährlich. Die wirtschaftliche Entflechtung zwischen den Nato-Staaten und Russland gleicht einem Umstellen der Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft.
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine und der zunehmenden Spannungen in Asien: Welche Ziele verfolgt die Friedensbewegung in Deutschland und welche Positionen vertritt sie?
Christiane Reymann: Die Friedensbewegung in Deutschland ist vielschichtig. Unter den Akteuren gibt es eine wesentliche Übereinstimmung: gegen Aufrüstung und gegen das Streben sein, Konflikte mit militärischen Mitteln lösen zu wollen. Unterhalb dieser Ebene gibt es viele Meinungen und Akzente, hinsichtlich der Ursachenanalyse und der Strategie.
Klar ist aber auch: Eine nachhaltige Lösung kann nur eine friedliche sein. Das internationale Recht muss wieder gestärkt werden, nachdem es durch die US-Kriege der letzten 30 Jahre förmlich geschreddert wurde. Wir brauchen Kooperationsprojekte und Dialog. Konfliktparteien sollen sich aufeinander einlassen.
Das ist auch vor dem Hintergrund wichtig, dass die Medien zurzeit eine unrühmliche Rolle spielen. Denn ihr Dauerfeuer gegen friedensfördernde Positionen könnte in der Bevölkerung einen dauerhaften Schaden hinterlassen und in den Köpfen fest verankern, dass sich Konflikte mit militärischen Mitteln lösen ließen.
In den letzten Jahren führte die Friedensbewegung in Deutschland eher ein Schattendasein – und noch immer zeichnet sich nicht ab, dass sie Zulauf bekommt. Wie will sie es schaffen, wieder zu Kräften zu kommen?
Christiane Reymann: Unsere Möglichkeiten sind Aktionen und Aufklärung. Eines macht die Friedensbewegung nicht: Sie schwört nicht ab. Frieden in Europa ist nicht an einem Zuviel an Berücksichtigung von Interessen und Diplomatie gescheitert, von beidem gab es zu wenig.
Früher, im Kalten Krieg, war die Angst vor einem Atomkrieg und dem Atomtod eine starke Triebkraft, sich in der Friedensbewegung zu engagieren. Ich denke, wir haben heute wieder Anlass zu dieser Angst. Die Gefahr eines 3. Weltkriegs ist so groß wie nie.
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