Die Gefahr steigt: Russland liefert S-300-Luftabwehrsysteme an Damaskus
Israel verliert nach dem Abschuss des russischen Aufklärungsflugzeugs die Lufthoheit über Syrien
Das ging schnell. Kaum war versehentlich ein russisches Il-20-Aufklärungsflugzeug von der syrischen Luftabwehr mit veralteten russischen S-200-Systemen abgeschossen worden, hat Moskau die Ankündigung umgesetzt und Syrien neuere S-300-Raketenabwehrsysteme übergeben. Das teilen russische Staatsmedien mit. In drei Monaten seien sie einsatzbereit, nachdem das syrische Personal angelernt wurde, das System zu bedienen. Israel hatte die russische Version abgestritten, dass die israelische F-16 sich am 17. September hinter dem russischen Aufklärungsflugzeug "versteckt" habe und so das Feuer es gelenkt habe, und Russland gedrängt, keine S-300-Systemen Syrien zu übergeben.
Israel ist klar, dass auch diese Aufrüstung der syrischen Luftabwehr noch ein Kompromiss ist. Russland gibt seinem Alliierten nicht die neueste Version, sondern nur ein älteres Modell, das man auch bereits dem Iran nach längerem Zögern und großem Einspruch Israels verkauft hat. Gleichwohl könnten nun auch die Zeiten vorbei sein, in denen Israel praktisch die Lufthoheit über die Gebiete hatte, die die syrische Regierung kontrolliert. Immer wieder wurden Angriffe gegen mutmaßliche iranische Stellungen und angebliche Waffenlieferungen an die Hisbollah geflogen.
Moskau hielt sich immer zurück und duldete die Angriffe, obgleich die russischen Streitkräfte in Syrien über legendäre, aber noch im Kampfeinsatz ungeprüfte S-400-Luftabwehrsysteme verfügen (Russisches Raketenabwehrsystem S-400: "Unser System ist besser"). Israel und Russland haben sich bislang verständigt, auch wenn es gegen die russischen Alliierten Iran und Syrien ging.
Israel holte sich vor Angriffen offenbar das Plazet von Moskau, was auch darauf verweist, dass Damaskus und Teheran das Spiel mitspielen mussten (Israel hat angeblich "praktisch" die gesamte iranische Militärinfrastruktur in Syrien zerstört. Allerdings kamen bei dem Abschuss 15 russische Soldaten ums Leben, was Moskau auch nicht innenpolitisch überspielen kann, zudem wirft man Israel vor, den Angriff zu knapp angekündigt zu haben. Russland sagt, Israel habe den Angriff nur eine Minute zuvor angekündigt, Israel sagt, es seien 13 Minuten gewesen.
Jetzt werden Angriffe auf syrische Ziele schwerer, Israel muss damit rechnen, dass Flugzeuge abgeschossen werden. Das war erstmals seit Jahrzehnten bereits im Februar 2018 geschehen, als israelische Kampfflugzeuge als Vergeltung nach dem Eindringen einer Drohne aus Syrien in den israelischen Luftraum 12 Ziele in Syrien bombardierten. Die syrische Luftabwehr Syrien schoss mit den veralteten russischen Luftabwehrsystemen eine F-16 über israelischem Territorium ab. Die Piloten konnten sich retten, allerdings war einer der beiden dabei schwer verletzt worden. Teheran verkündete bereits damals: "Die Zeit der israelischen Luftangriffe auf Syrien ist vorbei." Israel bezeichnete es als Pilotenfehler.
Angeblich nur zum Schutz russischer Truppen
Die S-300-Luftabwehrsysteme haben eine Reichweite von 200 km. Die Frage ist nun, wie Israel und Russland weiter verfahren. Israel hat angekündigt, seine Angriffe weiter auszuüben. Der israelische Verteidigungsminister Liebermann hatte schon zuvor mit dem Wissen um die Rückendeckung der USA gedroht: "Eines muss klar sein: Wenn jemand auf unsere Flugzeuge schießt, werden wir sie zerstören. Dabei ist es egal, ob es sich um ein S-300- oder um ein S-700-System handelt."
Nach dem russischen Verteidigungsminister Sergey Shoigu, der am Dienstag im Sender Rossiya 24 TV auftrat, stellt die Lieferung der S-300-Systeme, darunter vier Abschusssysteme, einen Schutz der russischen Truppen in Syrien statt. Moskau will also nicht explizit sagen, dass sie gegen Israel gerichtet sind. Geschützt werden die russischen Truppen allerdings wohl schon von den neuen S-400-Systemen. Bis 20. Oktober soll ein vereintes Luftabwehrsystem eingerichtet sein, damit sollen dann auch die Satellitennavigation, die Radarsteuerung und die Kommunikationssysteme von Kampfflugzeugen über dem Mittelmeer unterbrochen werden können.
Die Drohung richtet sich natürlich gegen Israel, so nicht mehr mit Russland umgehen zu können, aber auch gegen die USA und ihre Verbündeten. Israel wird sich überlegen müssen, weitere Angriff riskieren zu wollen, was bislang mit dem prinzipiellen russischen Einverständnis keine größeren Sicherheitsrisiken mit sich brachte. Sollten israelische Flugzeuge in Zukunft abgeschossen und Soldaten dabei getötet werden, wird die Regierung auch innenpolitisch unter Druck geraten. Für die USA hat Israel ebenfalls die Lage kompliziert. Gut möglich, dass neue Bombardierungen, wie sie schon angekündigt wurden, falls Syrien gegen Idlib Giftgas einsetzen sollte, auf mehr Widerstand stoßen. Sie waren auch jetzt schon nicht sonderlich erfolgreich. Und es ist insgesamt das Risiko weiter angestiegen, dass in und über Syrien Russland und die USA oder Israel in einem direkten militärischen Konflikt geraten.
Dazu kommt, dass der Iran nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen auch aggressiver auftritt. Letzte Demonstration war die Bombardierung mit Raketen von IS-Zielen bei Abu Kamal, was aber auch gegen die USA gerichtet war. Washington will unterbinden, dass der Iran einen schiitischen Korridor vom Iran über den Irak und Syrien nach Libanon einrichten kann.
Gleichzeitig wird gefeiert, dass Israel wieder einen von den Vereinten Nationen kontrollierten Grenzübergang bei Quneitra nach Syrien eingerichtet hat. Er war 2014 geschlossen worden. Danach hatte Israel versucht, mit islamistischen Gruppen an der Grenze zu kooperieren, die aber vor kurzem von den syrischen Truppen vertrieben wurden. Liebermann betonte, die Wiedereröffnung des Grenzübergangs bedeute aber nicht, dass sich die Haltung Israels zu Syrens "Regime" und dem Kriegsverbrecher Assad verändert habe
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