Syrien: Iran greift mit Mittelstreckenraketen Ziele bei Abu Kamal an

Die Revolutionären Garden sorgten auch für die Bebilderung der Raketenangriffe. Bild: PressTV

Anlass ist die Vergeltung für den Terroranschlag in Ahwaz, aber es geht strategisch um die Kontrolle der syrisch-irakischen Grenze und die Demonstration der Leistung iranischer Raketen

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Der Iran wendet nun das zweite Mal dieselbe Methode wie die USA und Israel an und griff am Montagmorgen um 2 Uhr Ortszeit Ziele in Syrien an. Zuletzt hatte der Iran im Juni 2017 in Reaktion auf Anschläge auf Teheran IS-Ziele in Deir ez-Zor angegriffen. Der Islamische Staat hatte dafür die Verantwortung übernommen.

Die Luftwaffe der Islamischen Revolutionären Garden (IRGC) hat Raketen auf das "Hauptquartier" von "Takfiri"-Terroristen bei Abu Kamal an der Grenze zum Irak östlich des Euphrat abgefeuert und angeblich zahlreiche Kämpfer getötet. Abu Kamal war bis November 2017 noch vom IS kontrolliert und ist danach wieder von diesem eingenommen worden. Jetzt ist sie weiterhin umkämpft. Ziel der Raketen soll nicht Abu Kamal, sondern die nahe gelegene Stadt Hajin gewesen sein. Es soll sich um 6 oder 7 Mittelstreckenraketen gehandelt haben, die aus dem Iran bis zum Ziel 570 km überquerten. Zusätzlich sollen noch 7 IRGC-Drohnen Stellungen der Terroristen angegriffen haben.

Gerächt werden sollte damit der Terroranschlag am 22. September. Während einer Militärparade in Ahwaz hatten vier Angreifer in Uniformen der Revolutionären Garden auf Soldaten und Zuschauer geschossen. Dabei starben neben den Angreifern 25 Menschen, mehrere Dutzend wurden verletzt. Sowohl der Islamische Staat als auch die Gruppe Al-Ahvaziya, die Iran in Verbindung mit Saudi-Arabien und den Vereinten Arabischen Emiraten sowie europäischen Ländern bringt, hatten den Anschlag für sich verbucht. Al-Ahvaziya ist allerdings bislang wenig bekannt gewesen. Angeblich hat der iranische Geheimdienst das Versteck der Terroristen aufgespürt und mehr als 20 Personen festgenommen.

Heikel daran ist nicht nur, dass der Iran gerade wegen seiner Raketenentwicklung unter Kritik Israels und der USA steht, die aus dem Iran-Abkommen ausgestiegen sind und nun über Sanktionen der Führung des Landes für einen Regime Change den Boden unter den Füßen wegziehen wollen. Die Trump-Regierung nimmt dafür eine Isolation der USA ebenso in Kauf wie eine Verteuerung der Ölpreise, aber auch eine mögliche Schwächung des Dollar, wenn dadurch Länder wie der Iran, aber auch Russland oder China dazu übergehen, in eigenen Währungen oder in Kryptowährungen zu handeln, wie das Nordkorea offenbar erfolgreich zur Umgehung der Sanktionen bereits macht und Venezuela versucht.

Der Iran beweist damit auch, dass er in der Lage ist, Ziele aus großer Entfernung zu treffen. Erst kürzlich wurde in einem WSJ-Artikel berichtet, dass die USA Patriot-Systeme aus der Region abziehen. Dabei wurde auch ein Experte zitiert, der sagte, die iranischen Raketen seien nur halb präzise und könnten gut mit Flugzeugen abgewehrt werden, sodass das Raketenabwehrsystem nicht mehr erforderlich sei.

Ob die Raketen die Ziele präzise getroffen haben, ist noch unklar, der Iran aber hat, was alle kriegsführenden Länder gerne machen, dabei auch seine Raketen getestet und deren Funktionsfähigkeit vorgeführt. Nachdem die Revolutionsgarden den Abschuss schon angekündigt und dann Videos verbreitet hatten, erklärten Beobachter, dass 2 der angeblich insgesamt 8 abgefeuerten Raketen abgestürzt seien.

Betont wird von iranischer Seite, dass die Raketen des Typs Qiam und Zolfaghar aus iranischer Produktion stammen. Sie hätten eine Reichweite von 700 bzw. 750 km und können von Silos oder einer mobilen Plattform abgeschossen werden. Die Raketenangriffe seien nur ein kleiner Schlag gewesen, warnte Mohsen Rezayee, der frühere Kommandeur der Revolutionären Garden: "Die große Strafe ist auf dem Weg."

Iranischer Eigenbau ...

Heikel an dem Angriff war aber vor allem, dass bei Al Qaim auf irakischer Seite and Abu Kamal auf syrischer Seite auch US-Truppen mit SDF-Verbänden stationiert sind. Der Grenzort ist für den Iran strategisch bedeutsam, um einen Landzugang aus dem Irak in den Iran zu erhalten. Der weiter westlich gelegene Grenzübergang bei al-Tanf ist durch einen amerikanischen Stützpunkt gesichert.

Der US-Sicherheitsberater John Bolton hat gerade erst wieder deutlich gemacht, dass US-Truppen in Syrien bleiben werden. Dabei geht es mittlerweile längst nicht mehr primär um den IS, sondern Ziel ist es zu verhindern, dass iranische Milizen und Truppen einen Landkorridor vom Iran über die Türkei nach Syrien und Libanon bilden können. Abu Kamal wird auch von den US-Truppen angegriffen, Ziel ist es, mit den kurdischen SDF-Milizen die Stadt zu vereinnahmen, bevor sie von iranischen Verbänden besetzt wird.

Mit den Raketen sind nach IRGC-Angaben IS-Stellungen beschossen worden sein. Al-Ahvaziya wird in Verbindung mit dem IS gebracht. Primär dürfte jedoch die Warnung an die SDF und die US-Truppen gewesen sein, Abu Kamal und den Grenzübergang zum Irak nicht kampflos aufzugeben. Russische Medien hatten zuletzt berichtet, dass nach kurdischen Angaben US-Truppen auf irakischer Seite an der Grenze zu Al Qaim einen Stützpunkt errichten. Eigentlich haben Washington und Russland vereinbart, dass am Euphrat zwischen Deir ez-Zor und Abu Kamal eine Linie zur Vermeidung von Konflikten auch zwischen den alliierten Milizen verläuft.