Die Gefahren für das demokratische "Regime"

Seite 2: Ein Apokalyptiker?

War Michael Th. Greven ein Apokalyptiker? Vielen seiner Texte ist jedenfalls ein pessimistisch-melancholischer Zug eigen: Zur Politik der fortwährenden Entscheidung aller möglicher Fragen gebe es keine Alternative.

Immer wieder einmal zitiert Greven an verschiedenen Stellen seines Werks den Münchener Althistoriker (und Carl-Schmitt-Schüler) Christian Maier, dessen erstes Werk ("Res Publica Amissa") eine Analyse der "Krise ohne Alternative"in der späten römischen Republik ist. Dieser Topos der "Krise ohne Alternative" verdient aktuell große Beachtung.

Er könnte unsere tagesaktuelle Kritik an den handelnden Politikern und den versagenden Institutionen entspannen und den Blick auf systemische Probleme legen und auf das, was man zu anderen Zeiten einmal "Schicksal" nannte. "Die Zukunft kommt von allein, der Fortschritt nicht", zitiert er einmal Georg Lukacs, den Lieblingsdenker seines soziologischen Lehrers Frank Benseler.

Systemopposition werde im neoliberalen System zunehmend unmöglich, selbst Revolten und Revolutionen könnten kaum ausreichende politische Legitimität generieren: "In der modernen Demokratie der politischen Gesellschaft fehlt letztlich die Einheit einer solchen Repräsentation." Die Intention eines Systemwandel wäre gleichbedeutend mit einem Angriff auf die Volkssouveränität selbst.

Greven stellt sich den gegenwärtigen Erscheinungsformen der neoliberal transformierten Moderne offen entgegen. Er hält an der Möglichkeit eines grundsätzlichen Wandels fest - auch hier hilft das Wissen um das geschichtliche Gewordensein des 21. Jahrhunderts und um die Kontingenz.

Der letzte Satz seines Buches über Systemopposition spielt auf Albert Camus' berühmtes Gleichnis des Sisyphos an:

Wie jener den von den Göttern auferlegten Felsen immer wieder den Berg hinaufrollt, ohne ihn jemals auf den Gipfel zu bringen, so sind heute diejenigen, die im Wissen um die Vergeblichkeit der Verwirklichung von wahrer Demokratie und endgültiger Gerechtigkeit an ihrem Engagement für beides nicht verzweifeln, politisch "glücklich" zu nennen.

Ein Blick in das Werk von Michael Th. Greven, dessen wesentliche Bücher sämtlich bei den Verlagen erhältlich sind, lohnt nicht nur. Er ist dringend nötig. Ob ihn die heutigen demokratischen Diskurs- und Handlungsverhältnisse besonders optimistisch gestimmt hätten, muss man bezweifeln.

Aber sie hätten ihn zu Stellungnahmen herausgefordert, so wie sein Werk mit seinen Einsichten uns von Illusionen befreien und in der Kontingenz des Politischen zumindest für Augenblicke glücklich machen kann.