Die Geister, die ich rief

Forscher baut Gruselhaus, in dem es "echt" spuken soll

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Wir wollen unser eigenes Spukhaus bauen, damit wir alles unter Kontrolle haben. Damit bekämen wir wirklich wichtige Forschungsergebnisse, eine Riesen-Publicity und wir würden in die Geschichte eingehen.

Dr. Richard Wiseman im New Scientist

In Experimenten mit Hunderten von Probanden hat der Psychologe Wiseman herausgefunden, dass feine elektronmagnetische Felder und "Infrasound" (niederfrequente Vibrationen, die knapp unter der Grenze des Hörbaren liegen) Halluzinationen hervorrufen können. Ein kleiner Temperaturabfall, ein gewisses Licht in einem Zimmer, das eine merkwürdige Form und Größe hat - schon kann das Grauen um die Ecke lugen.

This house is a house of troubles, this house is a house of tears The walls shake in desperation, it's been a prison for many a year This house is a house of troubles, this house is a house of tears The walls shake in desperation, it's been a prison for many a year

Marc Almond

Jeder kennt das: Häuser, die etwas Unheilvolles haben. Das Gefühl, es spuke, scheint sehr stark an bestimmte Ort gebunden zu sein und Orte, an denen es spuken soll, gibt es in Großbritannien genug, so dass es Wiseman - Nomen est Omen - gelang, herauszukristallisieren, was diese geheimnisvollen Plätze gemein haben (außer dass sie alle selbstverständlich von exzentrischen Gespenstern wie der fünften Frau von Henry VIII oder dem Obszönitäten wispernden "Mr. Boots" heimgesucht werden).

Die klassischen Spukhäuser schienen darüber hinaus nämlich noch "besessen" von Temperaturschwankungen, leichten, aber ungewöhnlichen Luftzügen und Luftströmen oder Fluktuationen in im Hintergrund liegenden elektromagnetischen Feldern. Offensichtlich sind es nicht die Gene des Gespensts (an welches der vernünftige Forscher, wie er betont, gar nicht glaubt), sondern jene des Ortes, die den Besuchern die Schauer über den Rücken jagen. Anders gesagt muss man wohl nur für die richtigen Umweltbedingungen sorgen um ex machina "Gespenster" zu erschaffen und genau das hat der Forscher vor. Man wisse nur dann ob etwas kausal sei, wenn man selber die Signale setze. Also nur wenn es ihm gelingt, einen Spuk zu zaubern, hat er kapiert, wie der Spuk funktioniert. Mit einer Geisterbahn, wie wir sie vom Rummelplatz kennen, hat Wisemans Gruselhaus natürlich nichts zu tun.

Vielmehr setzt er auf eben jene subtilen Zeichen, die im Unterbewussten den Schrecken einzunisten imstande sind. Hinter Bildern angebrachte elektrische Windungen, Luftabzugslöcher in den Fußbodenleisten, versteckte Lautsprecher, aus denen Infrasound kommt, eine verstörende innen- wie außenarchitektonische Gestaltung und last but not least, eine abgefeimte Lichtregie, das sind einige der Elemente, welche die Besucher seines Hauses das Fürchten lehren sollen. Dass sie dafür auch noch bezahlen müssen, versteht sich von selbst. Denn wenn es auch manchmal anders aussehen mag, auch die Forschungsgelder von Psychologen sind beschränkt. Doch ihre Macht über uns wächst unaufhaltsam, wer garantiert uns, dass die von Wiseman so genau berechneten Gruseleffekte nur in seinem ausgewiesenen Spukhaus eingesetzt werden und wir nicht zunehmend Opfer gefährlicher Manipulationen werden?

Wisemans Arbeit könnte einen Kollegen aus Harvard inspirieren, ein UFO-Entführungsspektakel auf die Beine zu stellen. Richard McNally hat untersucht, warum die "Entführten" glauben, dass sie in ein UFO verschleppt wurden und herausgefunden, dass im Gegensatz zu einer nicht entführten Kontrollgruppe die "Entführten" die gleichen Reaktionen wie z.B. Vietnamveteranen oder Feuerwehrleute zeigten, wenn man ihnen ihre (echten) Erinnerungen vorspielt; Menschen also, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen (PTSD) leiden. Auch falsche Erinnerungen können, so der Schluss, echte seelische Narben und Traumata hervorrufen. Um diese falschen Erinnerung zu schaffen, müsste man sich jemanden aussuchen, der zunächst einmal zu den etwa 30 Prozent der Bevölkerung gehört, die eine Schlafparalyse (Schlaflähmung) kennen, bei der eine plötzliche Lähmung der Körpermuskulatur beim Schlafbeginn oder beim Aufwachen eintritt; man kann alles sehen, sich aber nicht bewegen.

Zusätzlich müsste das Opfer so genannte hypnopompen Halluzinationen haben, das sind Halluzinationen, die im Übergangsstadium vom Schlaf zum Aufwachen auftreten und ungefähr 5 Prozent der Bevölkerung bekannt sind. Beides zusammen ist recht selten aber nicht krankhafter oder psychotischer als ein Schluckauf, weshalb die meisten Entführten auch über ein recht solides geistiges Gewand verfügen. Obgleich nicht geisteskrank, verfügen sie jedoch alle über eine außergewöhnlich lebhafte Phantasie (wer hätte das gedacht!) und zeigen übereinstimmend eine hartnäckige Vorliebe für New Age und Esoterik. Der Rest wäre eine perfekt getimte Show aus Lichteffekten, Wasser, Elektrizität und würde sich für das Opfer etwa so anfühlen:

Ein schockartiges Erwachen in der Nacht, man ist unfähig sich zu bewegen, nur die Augen kann man rollen. Um einen herum Licht und wilde Blitze, das Bettuch ist durchfeuchtet von Helligkeit; man schwebt und fühlt kleine Stromstöße überall. Der größte Schock: Um das Bett herum stehen (grinsend?) (oder eher humorlos?) Wesen von einem anderen Stern. Sie tragen einen zum Fenster hinaus, draußen wartet das Raumschiff. In einem Raum, der entfernt an ein medizinisches Labor erinnert, hat man Sex mit einem der außerirdischen Entführer.

Diesen Grusel kennt man aus den Berichten der immerhin vielen Millionen Menschen, die glauben, Kontakt mit Außerirdischen gehabt zu haben. Ihn bewusst zu generieren, das könnte trotz Kenntnis der Kausalkette schwierig werden. Auch Wisemans "bescheidener" Anspruch, nicht nur schleichendes Unbehagen, sondern die "echte" Halluzination von Gespenstern zu kreieren, hängt natürlich in hohem Maße von der Leichtgläubigkeit seiner Opfer ab. Insgesamt scheint es hier mehr um einen aufmerksamkeitsheischenden Gag zu gehen in einem Land, das zur Zeit von ganz realen Gespenstern heimgesucht wird...