Die Geschichte des politischen Islam in Deutschland

Eine Erfolgsgeschichte der Muslimbruderschaft - mit der heute allerdings niemand mehr in Verbindung gebracht werden möchte. Die Vorgeschichte (Teil 1)

Die Geschichte des sogenannten politischen Islams in Deutschland begann Ende der 1950er Jahre und ist eng mit der Person Said Ramadan, Schwiegersohn des Gründers der Muslimbruderschaft (MB), Hasan al-Banna, verknüpft. Said Ramadan übernahm die von ehemaligen Wehrmachtssoldaten angeschobene Münchner "Moscheebau-Kommission" und drückte dem Projekt seinen Stempel - die Ideologie der MB - auf.

Aus der "Moscheebau-Kommission" wurde die "Islamische Gemeinde Süddeutschland" mit Sitz im "Islamische Zentrum München" (IZM), dem eine Moschee angeschlossenen war. Aus der "Islamischen Gemeinschaft Süddeutschland" wurde die "Islamische Gemeinschaft in Deutschland" (IGD), die Anfang der 2000er Jahre nach Köln umsiedelte und 2017 in "Deutsche Muslimische Gemeinschaft" (DMG) umbenannt wurde.

München wurde Ausgangspunkt eines europäischen Netzwerks, in dem es zwischen verschiedenen Organisationen und Institutionen, die als MB-nahe gelten, Berührungspunkte sowie personelle Verflechtungen gibt. Vor allem in Deutschland wird indes versucht, die Nähe zur MB, deren Ziel die Errichtung eines Gottesstaates ist, zu verschleiern.

Gern werden auch Gerichte bemüht, um die Publikation von Recherchen, die diesen Zusammenhang nahelegen, zu unterbinden. Da die MB keine Partei mit Mitgliedsausweis ist, sondern eine weltumspannende Bewegung, die eine bestimmte Ideologie und im Westen das Fernziel der Transformation der säkularen Gesellschaften in einen Gottesstaat verbindet, lässt sich eine Mitgliedschaft im Allgemeinen nicht belegen. Das ist auch nicht wichtig, problematisch sind die Ideologie und das Ziel, nicht die Organisationsform. Im Gegenteil: Feste Strukturen wären einfacher zu durchschauen.

Wir haben es mit einem Spektrum zu tun, einem Geflecht Personen, Organisationen und Institutionen, die eine besondere Auffassung des Islam Stück für Stück in den westlichen Gesellschaften verankern, mehr und mehr Sonderrechte für Muslime und vor allem Musliminnen nach westlichen Standards Unrechte, die im Widerspruch zur Verfassung stehen - einfordern und wenn es sein muss, einklagen.

Diese Ideologie, laut der Allah der einzige Souverän ist, dem sich die Menschen auf Erden zu beugen und ihr Leben, die Gesellschaft, das Rechtssystem, seinen Vorstellungen gemäß auszurichten haben, ist kompatibel mit dem saudischen Wahabismus - wenngleich die MB in Saudi-Arabien als Terrororganisation verboten ist - sowie eng verflochten mit dem Schiitentum Khomeneiischer Prägung, vertreten in Deutschland, bzw. Europa durch das Islamische Zentrum Hamburg (IZH) mit der angeschlossenen Imama-Ali-Moschee, bekannt als "Blaue Moschee" und dem türkischen Staatsislam, für den hierzulande die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) sowie DITIB, Tochter der direkt der türkischen Regierung unterstellten Religionsbehörde Diyanet, stehen.

Die IGMG gilt als in der Türkei verwurzeltes Pendant zur MB. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan bekundet ganz ungeniert seine Sympathie für die MB, ihm ist die türkische Religionsbehörde Diyanet unterstellt, dieser wiederum deren deutscher Ableger Ditib, so dass die mitgliederstärksten Verbände in dieses Spektrum einzuordnen sind. Sowohl die DMG als auch die IGMG und Ditib haben ihren Sitz in Köln.

Alle diese Strömungen lassen sich unter dem Stichwort "politischer Islam" oder auch "Islamismus" subsumieren - die größte politische Bewegung in Deutschland, die mit legalen Mitteln versucht, Macht zu erringen, weshalb sie auch "legalistischer Islam" genannt wird. Obschon diese Bewegung selbstverständlich kein homogener Block ist, es manchmal Gezänk gibt, so kritisierte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, nach der zweiten "Europäischen Islam-Konferenz" in der Kölner DITIB-Zentralmoschee laut Tagesspiegel die "Ethnisierung der muslimischen Community mit Ausrichtung ins Ausland", immer wieder Abspaltungen und neue Zusammenschlüsse, und die Grenzen zum Terrorismus durchaus fließend sein können.

Kalte Krieger wollten Muslime für den Kampf gegen den Kommunismus nutzen

Die Grundlagen für dieses Netzwerk wurden vor mehr als 100 Jahren gelegt, die Geschichte des Islams in Deutschland geht zurück auf die deutsch-türkische Waffenbruderschaft im Ersten Weltkrieg, die des politischen Islams auf das Nachkriegsmünchen der 1950er Jahre. Muslime wurden mit türkischer Unterstützung schon im Ersten Weltkrieg für die Interessen des Kaiserreichs instrumentalisiert.

So richtig Fahrt nahm diese unheilige Allianz zwischen deutschen Herrschern und muslimischen Gefolgsleuten während der NS-Zeit auf. Nach dem Krieg waren es ehemalige muslimische Wehrmachtssoldaten, die - protegiert vom ehemaligen Gauamtsleiter in Ostpreußen, Theodor Oberländer, seines Zeichens CDU-Bundesminister für Vertriebene, Flüchtlinge und Kriegsgeschädigte (BMVt) sowie Ex-SA-Mitglied Gerhard von Mende, ein deutsch-baltischer Russland-Experte, der seine Dienste und Sprachkenntnisse zunächst den Nazis, später im kalten Krieg der Bundesregierung zur Verfügung stellte - in München den Grundstein legten für das heutige muslimische Leben in Deutschland.

Zunächst ging es den Muslimen darum, Gebetsstätten errichten und ihren Glauben praktizieren zu können. Bis Said Ramadan auf der Bildfläche erschien und aus religiösem Bekenntnis ein politisches Programm wurde. Für die Münchner Muslime interessierten sich neben den Deutschen auch die USA und ihre Geheimdienste, wie die beiden Autoren Stefan Meining und Ian Johnson in ihren Büchern "Eine Moschee in Deutschland - Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam in Deutschland" (Stefan Meining) sowie "Die vierte Moschee - Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus" (Ian Johnson) beschreiben.

Diese Rechnung ging allerdings nicht auf, denn statt im Sinne der Kalten Krieger für Revolten der Muslime in der Sowjetunion zu sorgen, wurden die ehemaligen Wehrmachtssoldaten von arabischen Studenten vertrieben, die die vorhandenen Strukturen nutzen, um ein Netzwerk im Geiste der Muslimbruderschaft zu etablieren, das bis heute existiert, weit über die Grenzen Deutschlands hinaus reicht und effektiver denn je arbeitet.

"Ein unglaubliche Geschichte", schreibt Meining: "Ausgediente NS-Bürokraten, Vertriebenenfunktionäre, Geheimdienstler und andere Kalte Krieger päppeln in den fünfziger Jahren in München die Keimzelle des politischen Islam im Westen auf. Muslime, die im Dienst der Wehrmacht und der SS im Zweiten Weltkrieg gegen die Sowjetunion gekämpft haben, sollen nun für Unruhe in den islamischen Sowjetrepubliken sorgen. Aber die Münchner Muslime haben mit dem Kalten Krieg nichts im Sinn: Sie werden zur wichtigsten Filiale von Anhängern der Muslimbruderschaft im Westen und zur Schaltzentrale eines globalen Netzwerks."

Die Anwesenheit der Soldaten in München war Teil einer fast vergessenen Nebenhandlung des Zweiten Weltkriegs: der Entscheidung von Zehntausenden Muslimen in der sowjetischen Roten Armee, die Seite zu wechseln und für Hitler zu kämpfen. Nach dem Krieg suchten Tausende Zuflucht in Westdeutschland und bauten eine der größten muslimischen Gemeinschaften im Europa der 1950er Jahre auf. Als sich der Kalte Krieg verschärfte, waren sie begehrt wegen ihrer Sprachkenntnisse und Kontakte in der Sowjetunion. Mehr als ein Jahrzehnt wetteiferten US-amerikanische, westdeutsche, sowjetische und britische Geheimdienste um ihre Kontrolle im neuen Kampf zwischen Demokratie und Kommunismus. Der Sieger war jedoch keiner dieser Kämpfer des Kalten Krieges. Stattdessen war es eine Bewegung mit einer ebenso mächtigen Ideologie: der Muslimbruderschaft."

Ian Johnson, Die vierte Moschee

Islamische Eroberung "ohne Schwert und ohne Kampf"

Diese wurde 1928 von Hasan al-Banna gegründet, Ziel war die Umgestaltung der Gesellschaft in eine Theokratie, dazu setzte al-Banna auf Bildung - religiöse Indoktrination -, um Schlüsselfunktionen in Gesellschaft, Politik, Justiz, Medien, etc. besetzen zu können sowie Wohlfahrt, um Abhängigkeiten zu schaffen und so Einfluss auf die Bevölkerung zu bekommen. Nach diesem Prinzip arbeitet das Spektrum, das mittlerweile weit mehr als die Organisationen umfasst, als die, die der MB zugeordnet oder als MB nah eingestuft werden, bis heute. Im Westen primär gewaltfrei.

Oder, wie es Yusuf al-Qaradawi, Chefideologe der MB, der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zufolge in seiner Sendung des katarischen Senders Al Jazeera ausdrückte: "Der Islam wird Europa erobern, ohne Schwert und ohne Kampf."

Immer wieder sind dem Netzwerk der MB zugeordnete Organisationen wie beispielsweise die Hilfsorganisation Islamic Relief Worldwide (IRW) dem Vorwurf ausgesetzt, die Hamas, ebenfalls Teil des globalen Netzwerks der MB, zu unterstützen. IRW bestreitet allerdings diese Vorwürfe. In der dem Spektrum der MB verorteten Moscheen treten salafistische Prediger auf, oder Attentäter haben in Moscheen gebetet, die enge Bezüge zur MB aufweisen, wie der junge Syrer, der ein schwules Paar in Dresden mit einem Messer angriff, einen der beiden Männer schwer und den anderen tödlich verletzte.

Recherchen des MDR zufolge, besuchte der Attentäter die Moschee des Marwa Elsherbiny Kultur-und Bildungszentrums Dresden e.V. (MKBD). Diese steht in enger personeller Verbindung mit der Sächsischen Begegnungsstätte (SBS), die vom Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen als MB-nah eingestuft wird. Die Moschee weist jedoch jede Verantwortung von sich: Der junge Mann habe dort nur gebetet, wird dem MDR gegenüber betont. Der Blog der Islamismus-Kritikerin Sigrid Herrmann-Marschall "Islamismus und Gesellschaft - vorwärts und nicht vergessen" (vunv) ist eine wahre Fundgrube für alle, die nach solchen Verbindungen suchen - und sie auch finden wollen.

Ian Johnson charakterisiert die MB folgendermaßen: "Die Bruderschaft wurde in den 1920er Jahren in Ägypten als Sozialreformbewegung gegründet und wurde zur Quelle des politischen Islam, der fordert, dass die muslimische Religion alle Aspekte des Lebens beherrscht. Die Bruderschaft war eine mächtige Kraft für politische Veränderungen in der gesamten muslimischen Welt und inspirierte auch einige der tödlichsten terroristischen Bewegungen des letzten Vierteljahrhunderts, darunter die Hamas und Al-Qaida."

Eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung dieses unterdessen weit verzweigten Netzwerkes hatten und haben Konvertitinnen und Konvertiten. Eine davon ist Fatima Grimm, geborene Helga Lili Wolff, von der später noch die Rede sein wird; Tochter des Generals der Waffen-SS, Karl Wolff, der wegen Beihilfe zum Mord an 300.000 Jüdinnen und Juden zu einer Haftstrafe von 15 Jahren verurteilt wurde, von denen er nur 5 Jahre tatsächlich absitzen musste.

Dafür, dass sie Tochter ihres Vaters ist, kann sie nichts. Dafür, dass sie ihm zeitlebens nahestand, ihn ebenfalls zum Islam konvertierte und ihre Schriften zur muslimischen Frau sich lesen wie aus dem Lehrbuch des Bundes Deutscher Mädel (BDM) abgeschrieben, schon.