Die Geschichte des politischen Islam in Deutschland

Seite 2: Der kaiserliche Dschihad

Die Geschichte des Islams in Deutschland ist eng verbunden mit dem deutsch-türkischen Militärbündnis während des Ersten Weltkriegs. Im November 1914 rief Sultan Mehmed V. alle Muslime zum Heiligen Krieg gegen England, Frankreich und Russland auf. Im Gegenzug setzte er durch, dass muslimische Kriegsgefangene in den Lagern der Deutschen und in Deutschland die Möglichkeit erhielten, ihre Religion auszuüben, selbst wenn sie gegen das Kaiserreich gekämpft hatten.

So entstanden in Berlin zwei Kriegsgefangenenlager, das "Halbmondlager" und das "Weinberglager", in dem Muslime interniert wurden. Ziel war es, sie für den von Mehmed V. ausgerufenen Heiligen Krieg, sozusagen den kaiserlichen Dschihad, anzuwerben. Dafür bekamen sie eine eigene Moschee, die 1915 als erstes aktives muslimisches Gebetshaus errichtet wurde.

Bekannt ist der Pakt Hitlers mit Mohammed Amin al-Husseini, dem "Mufti von Jerusalem"; weniger bekannt hingegen ist, dass in Hitlers Armeen Muslime kämpften. Sie wurden z. T. betreut von Imamen, die ehemals in den Berliner Lagern interniert waren und für diese Aufgabe gezielt ausgebildet wurden.

Einer davon war Alimcan Idris der 1918 in Berlin sein Wirken begann: Laut einer Publikation des Erlanger Zentrums für Islam und Recht in Europa (EZIRE) "engagierte er sich für die Errichtung islamischer Infrastrukturen in Deutschland. 1933 wurde er vom Auswärtigen Amt in den Dienst übernommen und nach Kriegsanfang für den Aufbau muslimischer Verbände in der SS eingesetzt. 1944 bildete er in Dresden Imame für die Armee aus."

Solche - nicht nur von Idris ausgebildeten - Imame wurden eingesetzt, um die rekrutierten muslimischen Soldaten zu betreuen, die zum Teil noch halbe Kinder waren. Der Historiker David Motadel spricht von bis zu 250.000 Muslimen, die während des Zweiten Weltkriegs für die Wehrmacht und die SS kämpften. Ihre Motivation reichte vom puren Überlebenswillen über Opposition zur sowjetischen Regierung bis hin zur Begeisterung für die Nazis. Allerdings kämpften auch Hunderttausende Muslime gegen Hitler.

Einer der Imame, der die muslimischen Soldaten betreute, war Ibrahim Gacaoǧlu, der sich nach dem Krieg in München niederließ und 1953 die "Islamische Gesellschaft in Westeuropa", oder auch kurz "Islam" gründete. Er errichtete die erste Mosche im Deutschland der Nachkriegszeit, die Moschee Ludwigsfeld in München, und sorgte für das erste muslimische Gräberfeld auf dem Münchner Waldfriedhof.

Damals lebten etwa 3.000 Muslime in den Deplaced-Persons-Camps in Deutschland, Hunderte davon allein in München. Laut EIRE gründeten "im März 1958 71 ehemalige muslimische Wehrmachtsangehörige in München die Geistliche Verwaltung der Muslimflüchtlinge in der Bundesrepublik e.V. Nureddin Namangani wurde als deren Vorsitzender benannt". Namangani war ein alter Bekannter von Gerhard von Mende und ihm wurde u.a. von Ibrahim Gacaoǧlu vorgeworfen, der SS-Sondereinheit Dirlewanger angehört zu haben, die an der Niederschlagung des Warschauer Aufstands beteiligt gewesen ist. Konkrete Kriegsverbrechen sind ihm indes laut Ian Johnson nicht nachgewiesen worden.

Ibrahim Gacaoǧlu erhielt ab 1955 finanzielle Unterstützung sowohl von deutscher als auch amerikanischer Seite, konnte so große Feste durchführen, Gläubige an sich binden und mediale Aufmerksamkeit erregen. Das bescherte ihm die Aufmerksamkeit des syrischen Studenten Ali Ghaleb Himmat sowie einer Gruppe von arabischen Studenten aus Nürnberg, die vermutlich der MB nahestanden.

Aus diesem Zirkel ging das "Islamische Zentrum Nürnberg" (IZN) hervor, inzwischen umbenannt in "Islamische Gemeinde Nürnberg" (IGN). Laut Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Bayern wird die Gemeinde als MB nahe eingestuft und in dem Netzwerk der DMG zugeordnet. DMG-Vorläuferin IGD hatte Anfang der 1980er Jahre das Grundstück gekauft, auf dem das Zentrum errichtet wurde, die jetzige Gemeinde ist Recherchen des Bayerischen Rundfunks (BR) zufolge Pächterin des Grundstücks und zahlt den symbolischen Preis von einem Euro, muss aber für alle anfallenden Kosten selbst aufkommen und hat mit der DMG ansonsten nichts zu tun, wie die Gemeinde dem BR gegenüber angab.

Das ist eines von vielen Beispielen des verschachtelten und undurchschaubaren Systems DMG. Ein anderes ist die Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), die ebenfalls auf einem Grundstück der DMG residiert, eine laut Sigrid Herrmann-Marschall "ortsunübliche Miete zahlt" und sie laut der "Qatar Papers" großzügig von der "Qatar Charity" gesponsert wurde, aber jegliche Verbindung zur MB weit von sich weist.

Als Ende der 1950er Jahre das Bedürfnis entstand, die lose Verbindung zu institutionalisieren und vor allem den Bau einer Moschee in München voranzutreiben, war es Ali Ghaleb Himmat, der vorschlug, Said Ramadan zu dem Treffen einzuladen. Das recherchierte Ian Johnson.

Zunächst einmal kam es zu internen Querelen unter den Muslimen: Die eher weltlichen und dem Alkohol zugetanen Russen widersprachen diametral dem Islamverständnis der arabischen Studenten, die zudem einen außerordentlichen Standesdünkel pflegten und später nicht einmal türkische Arbeitsmigranten in ihren Reihen zu dulden breit waren.

Darüber hinaus wetteiferten die Deutschen und die Amerikaner um die Gruppe und unterstützen je nach Gusto die eine oder andere Seite. Der weltgewandte und polyglotte Said Ramadan mit seinen vielfältigen Verbindungen in die islamische Welt machte schließlich das Rennen. Jene Verbindungen, die er u. a. wegen finanzieller Unterstützung der Deutschen und der Amerikaner aufbauen konnte.

Dem Propheten ein Kind schenken

In der Charta der Hamas von 1988 wurde in Artikel 18 die Rolle der muslimischen Frau festgelegt:

Die Frau im Dschihad engagierten Haus oder in der im Dschihad engagierten Familie, sei sie nun Mutter oder Schwester, hat eine ganz besonders bedeutende Rolle in der Führung des Haushalts und der Unterweisung der Kinder in den aus dem Islam abgeleiteteten moralischen Vorstellungen und Werten und in der Erfüllung der religiösen Pflichten in Vorbereitung auf deren Rolle als Dschihad-Kämpfer, die sie erwartet.

Daher ist äußerste Sorgfalt auf die Schulen und Lehrpläne zu verwenden, nach denen muslimische Mädchen erzogen werden, damit sie zu guten Müttern heranwachsen, die sich ihrer Rolle im Befreiungskampf voll und ganz bewußt sind. Frauen sollten unbedingt auch über ausreichende Kenntnisse und Verständnis in der Führung der Haushaltsangelegenheiten verfügen, denn sparsames Wirtschaften und das Vermeiden verschwenderischen Umgangs mit den Familieneinkünften sind unerlässlich, um auch unterwidrigsten Umständen durchhalten zu können.

Sie sollten sich stets vor Augen halten, dass das zur Verfügung stehende Geld wie Blut ist, das nur in den Adern fließen sollte, um Jung und Alt gleichermaßen am Leben zu halten.

Charta der Hamas

Dem Internetportal Zukunft braucht Erinnerung zufolge, war

Vorrangiges Ziel des BDM (Bund Deutscher Mädel, Anm. B. G.) … die Erziehung der gesamten weiblichen Jugend zur nationalsozialistischen Ideologie. Alle Mädchen sollten zu gehorsamen Mitgliedern der nationalsozialistischen Gesellschaft erzogen werden. Körperlich gesund und dem NS-Rasseideal entsprechend, sollten sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben kritiklos erfüllen und ihrerseits die kommende Generation wieder im NS-Sinne erziehen.

In den Worten der BDM-Reichsreferentin Trude Mohr: "Im BDM wird eine klare und sichere Aufbauarbeit mit dem Endziel geleistet, unserem Land eine Mädelgeneration zu geben, die zu wirklichen Trägerinnen nationalsozialistischer Weltanschauung geformt worden ist, die fähig ist, den nationalsozialistischen Gedanken auch in spätere Geschlechter weiterzutragen."

Körperliche Ertüchtigung und ideologische Schulungen standen im Mittelpunkt der BDM-Arbeit. … Im weiteren sollten die Mädchen dann zu überzeugten Nationalsozialistinnen gemacht werden. … Besondere Bedeutung für die ideologische Schulung hatten die wöchentlichen Heimabende. Neben praktischen Unterweisungen - etwa "Nadelarbeit" und "Werkarbeit" wurde hier vor allem NS-Weltanschauung gelehrt. Rassenideologie und Führerglaube war ebenso fester Bestandteil des Programms wie aktive Kriegspropaganda nach 1939.

Von der Reichsjugendführung wurden eigens zu Schulungszwecken die monatlichen Zeitschriften "Die Jungmädelschaft" und "Die Mädelschaft" herausgegeben, die detaillierte Anweisungen für die Gestaltung der Heimabende enthielten. Seit 1939 standen eigene BDM-Schulen zur Verfügung, darunter zwei "Reichsführerinnenschulen", die für die ideologische Ausrichtung vor allem der Führerinnen sorgen sollten.

Zukunft braucht Erinnerung

Im einen Fall ist die Religion der Islam, im anderen der Nationalsozialismus, eine rassistische Ideologie, im Namen derer sechs Millionen Jüdinnen und Juden brutal ermordet wurden. Wie andere Passagen der Charta der Hamas beweisen, einen Nationalsozialismus und die Terrororganisation der Hass auf das Judentum - wenngleich es die Nazis und ihre willigen Helfershelfer waren, die fabrikmäßig jüdisches Leben auslöschten. Das darf niemals vergessen werden.

Nicht nur im Hass auf das Judentum sind sie sich im Grunde einig, sondern auch, was die Rolle der Frau angeht. Ihr Job ist es, die Familie zusammenzuhalten, sparsam zu wirtschaften, Kinder in die Welt zu setzen, im einen Fall "dem Führer ein Kind schenken", im anderen, dem Propheten ein Kind schenken, oder am besten gleich mehrere. Die Jungen zu wehrhaften (Gottes)kriegern und die Töchter zu folgsamen Dienerinnen ihrer Familien erziehen.

Das hat lange vor der Hamas schon Hasan al-Banna erkannt, der die Muslimbruderschaft u.a. mit Zainab al-Ghazali gründete. Ihrer Ansicht nach konnten Frauen die wahre Freiheit nur im Islam erlangen. Sie gründete ihrerseits die "Gemeinschaft muslimischer Damen" und war eine Bekannte der bereits erwähnten Fatima Grimm; deren Verdienste wiederum darin liegen, das Frauenbild der muslimischen Organisationen in Deutschland geprägt und die muslimische Schwesternschaft organisiert zu haben. Bei Fatima Grimm klingt das laut M. Breitenberger so:

"Ich meine, dass wir etwa um das 15. Lebensjahr herum damit rechnen dürfen, unsere Kinder für den Begriff des Dschihad aufgeschlossen zu finden. Wir müssen ihnen dann zeigen, auf welchen Gebieten unser Glaube den Angriffen des dar ul-harb ausgesetzt ist, und ihnen Wege eröffnen, die es ihnen einmal ermöglichen sollen, die Verteidigung erfolgreich in die eigenen Hände zu nehmen. Dazu gehört, dass wir als Mütter nicht feige und ängstlich darauf bedacht sind, unsere Söhne vor jeder Gefahr zu bewahren. Wir könnten es sowieso nicht, denn wenn Gott ihre Stunde für gekommen hält, kann sie ebenso ein Auto überfahren oder eine Krankheit heimsuchen. Vielmehr sollten wir ihnen immer vor Augen führen, was für eine großartige Auszeichnung es für jeden Muslim ist, für die Sache des Islam mit der Waffe in der Hand kämpfen zu können. Einen größeren Verdienst kann er sich ja durch nichts auf Erden erwerben."

Demnach sind:

Fatima Grimms Ansichten zur Erziehung von Mädchen … nicht weniger reaktionär: Sie unterstützt zwar "eine gute Ausbildung", auf der anderen Seite fordert sie "entgegen dem allgemeinen Trend unserer Zeit" eine echte Begeisterung für die Aufgaben als Frau und Mutter. Frauen sollten sich mit Enthusiasmus der "islamischen Erziehung" widmen: "Und dann wird uns mit Gottes Hilfe auch der Erfolg beschieden sein, der einmal den endgültigen Triumph des Islam auf Erden herbeiführen wird."

M. Breitenberger

Wie auch der BDM zwar in allen Strukturen der Hitlerjugend (HJ) vertreten und trotzdem den Jungen nachgeordnet waren, sind auch die muslimischen Frauenorganisationen wichtige Soldatinnen z. B. im Kampf um die Köpfe - und zwar im wahrsten Sinne des Wortes, denn wer kann ernsthaft so etwas Harmloses wie eine verschleierte Frau kritisieren - dennoch in den Entscheidungsstrukturen nachrangig.

Bei der zweiten "Europäischen Islamkonferenz" Anfang Januar 2019 wurden alle Vorträge ausschließlich von Männern gehalten, alle Arbeitsgruppen von Männern geleitet. Auch Said Ramadan hat Stefan Meining zufolge erkannt, dass es wichtig ist, Frauen einzubinden. Nach ihrer offiziellen Gründung im März 1962 gehörten ihr auch 4 Frauen an. Der Autor schreibt:

Die Beteiligung von Frauen war zu dieser Zeit geradezu revolutionär. Entsprechend dem traditionellen Islamverständnis hatten Frauen ihren Platz zu Hause im Schatten der Familie einzunehmen. Diese Ansicht teilten die Studenten und ihr geistiger Mentor Said Ramadan nicht. Die Begründung für diesen neuen Ansatz hatte Ramadan in seinem nur in islamischen Zirkeln bekannten, aber dennoch wichtigen Essay Drei Hauptprobleme des Islam in heutiger Zeit 1961 niedergeschrieben. Der faszinierende Aufsatz begründete nichts anderes als ein neues Verständnis des politischen Islam, ohne dabei die Grundlagen des Glaubens zu widerrufen oder in Frage zu stellen. Die Wirkung seiner Ideen war enorm. Im Laufe der Jahrzehnte setzten sich genau diese Gedanken in Europa und in Teilen der islamischen Welt durch. Die moderne islamische Frau wurde aus der Abgeschiedenheit der Familie hervorgeholt. Dabei setzte sie sich als Vorkämpferin für einen politischen Islam ein, der aber nicht zum Ziel hatte, eine Gleichberechtigung von Mann und Frau im Sinne moderner westlicher Vorstellungen zu verwirklichen, sondern sich einzig auf den Glaubensstifter Mohammed zu berufen.

Stefan Meining

Wie Meining weiter schreibt, entstand dieses "faszinierende" Pamphlet zu einer Zeit, in der in den islamischen Ländern sich immer mehr Frauen vom althergebrachten Rollenverständnis lösten, Rechte wie Wahlrecht und Bildung einforderten, studierten und Berufe ergriffen. Said Ramadan versuchte also, diesen Trend zu stoppen, die nach Freiheit strebenden Frauen einzufangen und in das etwas weiter geschnürte Korsett des "modernen" Islam zu stecken. Mit anderen Worten: Die Frauen auf seine Weise domestizieren - und am besten alle anderen gleich mit.

Literatur:
Chesnot, Christian, und Malbrunot, Georges, Qatar Papers: So beeinflusst der Golfstaat den islam in Europa, Wien 2020
Johnson, Ian, Die vierte Moschee - Nazis, CIA und der islamische Fundamentalismus, Stuttgart, 2011 Meining, Stefan, Eine Moschee in Deutschland - Nazis, Geheimdienste und der Aufstieg des politischen Islam im Westen, München, 2011
Schröter, Susanne, Politischer Islam - Stresstest für Deutschland, Gütersloh, 2019
Weitere Quellen: Islamismus und Gesellschaft - vorwärts und nicht vergessen (vunv) FrauenStandPUNKT

Birgit Gärtner