Die Größe beeinflusst alles
Nach dem Aussterben der Dinosaurier explodierte das Ausmaß der Säugetiere
Solange die Reptilien die Welt der Urzeit beherrschten, blieben die Säugetiere klein und in engen ökologischen Nischen gefangen. Erst das Massensterben vor 65 Millionen Jahren öffnete das Tor für ihren Siegeszug. Rasch übernahmen sie die Herrschaft, besetzten alle Lebensräume und dabei wuchsen sie explosionsartig.
Vor etwa 200 Millionen tauchen die ersten Tiere auf der Erde auf, die ihre Jungen mittels Milch absondernden Drüsen direkt nach der Geburt ernähren. Das Zeitalter des Jura bricht gerade an, der Superkontinet Pangaea zerbricht langsam, und die Blütezeit der Dinosaurier beginnt (vgl. Erdalter. Und da erscheinen die ersten winzigen Tiere, deren Fossilien jene besonderen Mittelohr-Knochen und Kiefer aufweisen, die Merkmale der Säugetiere (Mammalia) sind.
Die Urahnen der zoologischen Klasse der Lebewesen – zu der auch die Menschen gehören – sind wenig beeindruckend und konkurrieren mit kleinen Dinos, denen sie sehr ähnlich sehen (vgl. Ein Ur-Säugetier von 2 Gramm Gewicht). Die Reptilien dominieren überall auf der Erdoberfläche und zunehmend stapfen riesige pflanzenfressende Sauropoden durch die üppige Vegetation, das folgende Zeitalter der Kreide bringt noch mehr und ganz andere Dinosaurier hervor, jetzt jagt der furchteinflößende Tyrannosaurus, und durch die Lüfte segeln riesige Flugsaurier wie der Quetzalcoatlus mit einer Flügelspannweite von 12 Metern. Die Evolution der Dinos ist beachtlich und ihre Entwicklung in der Phase zwischen der Geburt des ersten Säugetiers und ihrem Aussterben zeigt eine erstaunliche Vielfalt an Formen und Größen (vgl. Dinosaurier).
Ganz anders verlief in dieser Epoche die Evolution der Mammalia in diesen 135 Millionen Jahren. Sie spielten keine große Rolle und blieben winzig – vor allem im Vergleich zu den sie umgebenden Dino-Giganten. Ihr Gewicht reichte von drei Gramm (wie die kleinste Spitzmaus) bis zu 15 Kilo (ein mittlerer Pudel). Bis zum Massensterben vor 65 Millionen Jahren, das die Dinosaurier endgültig das Leben kostete, und den Säugetieren die Chance zur Entfaltung eröffnete (vgl. Viele Einschläge und ein Massensterben).
Tod und Chance
Massensterben, also umfassende Artensterben in relativ kurzen Zeitabschnitten, kehren in der Erdgeschichte periodisch wieder. Die Dinos verdankten ihren evolutionären Siegeszug einer globalen Katastrophe vor ca. 250 Millionen Jahren, die schlicht als "Das Große Sterben" bezeichnet wird und 96 Prozent der irdischen Lebensformen auslöschte.
Zufall und Notwendigkeit – der Massentod der Konkurrenz vor 65 Millionen Jahren und die damit verbundene komplette Neuorganisation der ökologischen Gemeinschaft ebnete dann den Säugern den Weg zum Erfolg. Wie ihre explodierende Evolution ablief, umreißt jetzt ein Artikel in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science.
Insgesamt 20 Paläontologen, Evolutionsbiologen und Makroökologen aus der ganzen Welt bildeten das interdisziplinäre Team um Felisa A. Smith von der University of New Mexico in Albuquerque, das sich mit der Evolution der maximalen Körpergröße von landlebenden Säugetieren auseinandersetzte. Um die Evolution dieser Klasse von Tieren nachzuvollziehen, untersuchte die Forschergruppe speziell die Größe der Tiere, sie suchten nach den jeweiligen Riesen jeder Epoche. Felisa Smith erklärt:
Die Größe beeinflusst alle Aspekte der Biologe – von der Reproduktion bis zum Aussterben. Die Bedingungen der Größenentwicklung zu erforschen ist wesentlich, um zu verstehen, wie Ökosysteme funktionieren.
Rasante Entwicklung
Erstaunlich schnell gelang es den Säugetieren, sich nach der globalen Katastrophe durchzusetzen und die führende Rolle zu übernehmen. Sie hatten plötzlich jede Menge pflanzliche Nahrung ganz für sich, und für Pflanzenfresser ist es effektiver, einen großen Körper zu haben. Größere Pflanzenfresser sind wiederum eine reichliche Mahlzeit für Fleischfresser, die entsprechend auch immer größer werden – wobei sie gemessen an ihren Beutetieren stets die kleineren bleiben.
Das Team um Smith sammelte drei Jahre lang die Daten ausgestorbener Säugetiere von allen Kontinenten, darunter die der Perissodactyla, der Unpaarhufer, von denen die Pferde, Nashörner und Tapire abstammen, der Proboscidea, der Rüsseltiere wie Elefant oder Mammut, und der Xenarthra, zu denen die Faul- und Gürteltiere gehören.
Die Wissenschaftler nahmen vor allem die fossilen Zähne unter die Lupe, sie eignen sich vorzüglich, denn sie lassen Rückschlüsse auf die Körpergröße des längst verstorbenen Tieres zu – und sie wurden im Verhältnis zu Knochen in relativ großer Zahl aus der Erde geborgen. Womit die Tiere einst kauten, verdeutlichte nun, dass die Säugetiere sich in Evolutionsgrößenordungen geradezu explosionsartig vergrößerten.
Co-Autorin Jessica Theodor von der University of Calgary erläutert:
Die Dinosaurier verschwinden vor 65 Millionen Jahren und innerhalb von 25 Millionen Jahren hat sich das Ökosystem für ein neues Maximum an Tiergröße eingeregelt. Das ist in geologischen Zeitspannen eine ziemlich kurze Zeit – eine wirklich schnelle Evolution.
Als die Dinos abtreten, haben die größten Säuger maximal das Gewicht eines mittelgroßen Hundes, aber schnell wachsen sie, bis schließlich das Indricotherium mit 17 Tonnen die absolute Rekordmarke setzt. Dieses Ur-Nashorn ohne Horn lebte vor etwa 34 Millionen Jahren und wurde bis zu acht Meter lang sowie 5,5, Meter hoch.
Globales Phänomen
Das Wachstumsmuster war konstant, sowohl auf allen Kontinenten, als auch innerhalb aller Abstammungslinien. Verschiedene Gruppen der Mammalia brachten zu unterschiedlichen Zeiten besondere Riesen hervor.
Die Zunahme an Körpergröße der Säugetier ereichte im Oligozän mit dem Indricotherium in Eurasien einen Höhepunkt, und danach wieder im Miozän in Eurasien und Afrika. Der gigantische Hauerelefant Deinotherium erschien vor rund 8 Millionen Jahren auf der Erde, er erreichte eine Höhe von über vier Metern und ein Gewicht von bis zu 15 Tonnen. Team-Mitglied John Gittleman von der University of Georgia ist überzeugt:
Bei so vielen unterschiedlichen Abstammungslinien, innerhalb derer sich unabhängig voneinander so ähnliche Maximumsgrößen entwickeln, liegt es nahe, dass es sehr ähnliche ökologischen Funktionen überall auf der Welt gab, die von Riesen-Säugetieren ausgefüllt wurden.
Der Forscher-Gruppe gelang es, einen klaren Zusammenhang mit den globalen Temperaturen und der verfügbaren Landmasse herzustellen: Ein relativ kühles Klima und viel Land führen zu verstärktem Riesenwuchs.
Große Tiere können Wärme besser speichern. Und viel Land bedeutet eine Vielzahl verfügbarer Nahrungsressourcen. Die beiden Faktoren hängen klimatisch miteinander zusammen, dann in global kühlen Zeiten ist mehr Wassermasse in Eis gebunden und damit liegt mehr Land über dem Wasserspiegel der Meere. Was aber Ursache und was Wirkung ist, und wie genau evolutionärer Riesenwuchs funktioniert und am Ende doch ausgebremst wird, muss die künftige Forschung zeigen. Die aktuelle Studie hat dafür wichtige Datenanalysen und ein klares Grundmuster an signifikanten Zusammenhängen geliefert.