Die Hinterlassenschaft des Dinosauriers

Winzige Mineralien aus einem Dino-Häufchen belegen: Die großen Pflanzenfresser schätzten eine abwechslungsreiche Diät.

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Schon die Dinosaurier der Kreidezeit ernährten sich von Gräsern, und die hatten sich zu dieser Zeit – zumindest auf dem Urkontinent Gondwana – schon erstaunlich artenreich entwickelt, so dass sie vermutlich auch den dort lebenden Säugetieren schmeckten. Die Koevolution von Pflanzen und Pflanzenfressern hat damit früher eingesetzt als bisherige Fossilfunde dies nahe legten.

Spärliche Fossilien, unsichere Datierung

In vielen Museen hängen Bilder mit Dinosauriern, die Koniferen, Farne und Palmfarne mampfen, doch Gräser fehlen meist in den frühzeitlichen Landschaften. Dies hat seinen besonderen Grund: Fossilien von urzeitlichen Gräsern sind spärlich und in der Regel schlecht erhalten. Die frühesten Hinweise auf Süßgräser (Poaceae) glaubt man in 70 bis 60 Millionen Jahre alten Graspollen gefunden zu haben, die in Südamerika, Indien und Nordafrika ausgegraben wurden. Die ersten gesicherten Grasfossilien sind nur etwa 55 Millionen Jahre alt (spätes Paläozän). Einige spärliche Pollen und Makrofossilien von Süßgräsern, die in Nordamerika ausgegraben wurden, datieren die Teilung der Poaceae in die zwei Hauptgruppen BEP (BEP-Clade) und PACCAD (PACCAD-Clade) auf einen Zeitpunkt vor rund 35 Millionen Jahren.

Die Wissenschaft folglich davon aus, dass Gräser vor dem Kanozoikum (65 bis 1,8 Millionen Jahre) eher selten wuchsen, und kein wichtiger Nahrungsbestandteil für die Pflanzenfresser der späten Kreidezeit waren. Denn auch Zähne der titanosauriden Sauropoden, die bekannten Riesenechsen mit den langen Hälsen, die auf dem Urkontinent Gondwana umherstapften, weisen keine besonderen Merkmale auf, die auf regelmäßigen Gräserkonsum deuten.

Mineralreicher Dino-Haufen

Doch die Paläobiologen Vandana Prasad vom Birbal Sahni Institute of Palaeobotany in Lucknow/Indien und Caroline Strömberg vom Department of Palaeobotany der Universität in Stockholm haben jetzt Spuren entdeckt, die gleichzeitig von der Ernährung der Dinosaurier und der Evolution der Gräser erzählen und völlig neue Perspektiven eröffnen.

Fossiler Süßgras-Phytolith extrahiert aus Dinosaurier-Koprolit (fossilierter Dung) aus der späten Kreidezeit. (Bild: Science)

Wie die Forscher im aktuellen Science berichten, gewannen sie ihre neuen Erkenntnisse durch die Analyse von Phytolithen (Pflanzen-Opale). Das sind winzige Partikel aus Kieseldioxid, die viele höhere Pflanzen im Zellgewebe ablagern. Sie dienen dazu, die Zellwände zu härten. Anhand ihrer Form und Größe lässt sich auch bestimmen, von welcher Pflanze sie stammen. Prasad und Strömberg extrahierten die aussagekräftigen Silikat-Partikel aus dem fossiliertem Dung (Koprolit) eines Titanosauriden, der vor 65 bis 71 Millionen Jahren in Indien lebte – und vermutlich nie damit gerechnet hätte, dass sein Häufchen Wissenschaftsgeschichte schreiben würden. Seine Überreste stammen aus der Lameta-Formation in Pisdura in Zentralindien.

In den Dino-Exkrementen fanden die Forscher zu ihrem Erstaunen zahlreiche Gras-Phytolithe. Und sie stammten nicht von einfachen Gräsern (wie den modernen einfachen Gattungen Anomochloa, Streptochaeta und Pharus), sondern von der Süßgräser-Gruppe BEP (Puelioideae, Ehrhartoideae und Bambusoideae). Dies wirft ein sehr viel klareres Licht auf die Evolution der Gräser: Die Unterfamilie BEP hat sich demnach schon in der späten Kreidezeit über Gondwana verbreitet, noch bevor Indien von den anderen südlichen Kontinenten getrennt wurde – und viel früher, als bisherige Datierungen mittels Fossilien belegten.

Die Zähne der Gondwanatheria

Da die Gräser schon viel früher sehr viel artenreicher waren, so vermuten die Forscher, sind wahrscheinlich auch mehr Tiere auf Gräser als Nahrung umgestiegen. Dies trifft nicht nur auf die Titanosauriden zu, die ganz offensichtlich abwechslungsreiches Grünfutter schätzten und auch die zarten, saftigen Gräsern nicht verschmähten. Auch die frühen Säugetiere könnten sich daran bedient haben.

Es gibt zwar bis jetzt keinen direkten Beleg dafür, dass die Säugetiere der späten Kreidezeit sich von Gräsern ernährten. Säugetiere mit spezialisierten Beißern tauchen erst im Oligozän und Miozän auf. Eine große Ausnahme bilden jedoch die Gondwanatheria, die in der späten Kreidezeit u. a. in Südamerika, Madagaskar und Indien heimisch waren. Ihre hochkronigen (hypsodont) Zähne waren fürs Grasfressen gut geeignet. Aus Mangel an Grasfossilien aus dieser Zeit jedoch interpretierte man ihr Gebiss bisher als Anpassung an ein semiaquatisches Leben, ähnlich wie bei den heutigen Bibern.

Mit den Daten, die Prasad und Strömberg nun vorlegen, ist es jedoch viel wahrscheinlicher, dass die Zähne der Gondwanatheria tatsächlich an den Verzehr von Gräsern angepasst waren. Und damit eröffnet sich eine weitere interessante Perspektive: die Koevolution von Pflanzen und Pflanzenfressern, die auch früher eingesetzt haben muss als angenommen.

Dolores Piperno vom Smithsonian Tropical Research Institute, Balboa/Panama, und Hans-Dieter Sues vom National Museum of Natural History in Washington werten die Arbeit von Prasad und Strömberg in einem begleitenden Perspective-Artikel als wegweisend für die Forschung:

Diese bemerkenswerten Resultate stellen viele lange gehaltenen Annahmen über die Evolution der Gräser, die Dinosaurier-Ökologie und die frühe Interaktion zwischen Pflanzen und Pflanzenfressern auf den Prüfstand.

Die Ergebnisse werfen zwar mehr Fragen auf als sie beantworten, aber sie zeigen wenigstens, wo sie zu finden sind. Laut Piperno und Sues hat sich die Untersuchung von Phytolithen als tragfähiges Mittel erwiesen, um Vegetation und Ernährung von Lebewesen auch über weit zurückliegende Zeiträume zu rekonstruieren. Es gilt nun, weiter zu erforschen, wie die Evolution von Pflanzen und Pflanzenfressern sich gegenseitig beeinflusste.