Die Idee eines Treuhandfonds war aus Berlin gekommen

Die Abkehr des Entwicklungsministeriums vom Umweltprojekt Yasuní-ITT belastet die Stimmung im Bundestag und das Verhältnis zu Ecuador

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Das Umweltvorhaben Yasuní-ITT der Regierung von Ecuador sollte eine einmalige Möglichkeit sein, von der ressourcenorientierten Entwicklungspolitik abzukommen. 2007 erklärte sich die Regierung des südamerikanischen Landes bereit, erhebliche Erdölvorkommen im Boden zu belassen, wenn die internationale Gemeinschaft die Hälft des zu erwartenden Gewinns in einen von der UNO verwalteten Treuhandfonds einzahlt. Deutschland gehörte vor der Bundestagswahl im September 2009 zu den ersten Unterstützern des Vorhabens.

Nach der Wahl war alles anders. Das von der FDP geführte Entwicklungsministerium (BMZ will von Zusagen nichts mehr wissen. Die Posse aus dem Hause Dirk Niebel belastet inzwischen nicht nur die bilateralen Beziehungen, sie trübt auch die Stimmung zwischen den Parteien im Bundestag. Im Parlament ist von einem "einmaligen Vorgang" die Rede.

Allen Widerständen entgegen hält das BMZ an der Kehrtwende fest - und weist Kritik von sich: "Eine Zusage dieser oder der vergangenen Bundesregierung für dieses Vorhaben hat es nie gegeben", heißt es in einer Stellungnahme, die das Ministerium Telepolis unlängst zukommen ließ. Anlass war ein Bericht über der Streitfall auf der Basis eines Interviews mit der Yasuní-ITT-Unterhändlerin Ivonne Baki. Die Diplomatin war unlängst zu Nachverhandlungen in Berlin. In der Stellungnahme gegenüber Telepolis bestätigte das BMZ daraufhin "intensive Gespräche mit der ecuadorianischen Seite". Dabei sei es unter anderem darum gegangen, "welche Präzedenzwirkung eine Zahlung für ein Unterlassen haben würde, zum anderen, wie Nachhaltigkeit auch in zukünftigen Jahren sichergestellt werden kann". Zugleich schloss das BMZ eine Zusage von neuen Mitteln für das Vorhaben Yasuní-ITT aus.

Bundesregierung zu ernst genommen

"Dieses Dementi des Entwicklungsministeriums ändert nichts an der Tatsache, dass es positive Signale seitens der Bundesregierung gegeben hat", sagt im Telepolis-Interview die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ute Koczy. Die Parlamentarierin erinnert daran, dass selbst die Idee zur Einrichtung eines Treuhandfonds für die Kompensationszahlungen an Ecuador aus Berlin kam. Ecuador habe diese Position der Bundesregierung eben ernst genommen und werde nun vor den Kopf gestoßen.

Geht es um die Zusage der Bundesregierung, spricht Koczy von einer "Grauzone". Zwar sei nie ein Vertrag unterzeichnet worden, aber der einstige SPD-Staatsminister im Entwicklungsministerium, Erich Stather, habe gegenüber dem damaligen Außenminister Ecuadors, Fander Falconi, im Juni 2009 die Unterstützung Deutschlands zugesagt. Dabei seien auch konkrete Zahlen genannt worden. Der Fehler Ecuadors sei es gewesen, heißt es im Bundestag, dass die Verhandlungsführung die mündlichen Zusagen öffentlich gemacht hat. Dies habe aber keine unmittelbare Auswirkung auf die Positionierung Berlins gehabt. Erst nachdem das BMZ von dem FDP-Mann Niebel übernommen wurde, habe sich die Haltung rapide geändert.

Die aktuelle Darstellung des BMZ, nach der es nie eine Zusage von Seiten der Bundesregierung für die Yasuní-ITT gegeben hat, "entspricht so nicht den Tatsachen", sagte gegenüber Telepolis auch die Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, Heike Hänsel. Sie verweist auf einen Parlamentsbeschluss von 2008, mit dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, sich finanziell an der ITT-Initiative zu beteiligen und andere EU- und OECD-Staaten für ein politisches und finanzielles Engagement zu gewinnen. "Dieser Antrag wurde im Bundestag von allen fünf Parteien einstimmig angenommen, inklusive der FDP", sagt Hänsel. Diesen Beschluss zu ignorieren, "zeigt die Geringschätzung des Parlaments durch Minister Niebel".

Hänsel bestätigt, dass es eine mündliche Zusage des ehemaligen Staatssekretärs Stather gegeben hat. "Minister Niebels Entscheidung ist daher schlicht unseriös und macht uns international unglaubwürdig", fügt sie an. "Niebel leistet sich einen diplomatischen und umweltpolitischen Affront nach dem anderen gegenüber links-progressiven Regierungen wie in Ecuador", urteilt die Abgeordnete. Bundeskanzlerin Merkel müsse daher eingreifen und klarmachen, ob sie es mit der Energiewende ernst meint.

Neue Debatte im Entwicklungsausschuss

Nach Auskunft des SPD-Bundestagsabgeordneten Sascha Raabe hat Staatssekretär Stather "konkret in Aussicht gestellt, dass Deutschland sich gemäß seines Gewichtes in vergleichbaren internationalen Projekten an der Yasuní-ITT Initiative mit etwa 40 Millionen Euro pro Jahr beteiligen würde". Bedingung sei damals gewesen, dass einige offene Fragen wie die Absicherung des Treuhandfonds geklärt werden.

Die Verhandlungsführung des BMZ sei angesichts dieser Vorgeschichte "enttäuschend", so Raabe gegenüber Telepolis. Man könne von deutscher Seite nicht immer neue Forderungen an Ecuador erheben, "um dann nach Erfüllung dieser Forderungen wieder mit prinzipiellen Einwänden alles in Frage stellen".

Der Disput droht zunehmend auch die Arbeit des Parlaments zu belasten. "Leider scheint es für das Entwicklungsministerium nicht mehr um die richtige und gute Sache zu gehen, der die Parlamentarier aller Fraktionen zugestimmt hatten, sondern nur noch um die Eitelkeit des Entwicklungsministers", beklagt Raabe. In parlamentarischen Fachgremien sieht man daher kaum mehr Möglichkeiten für eine Lösung des Konfliktes vor dem Ende der Regierungszeit 2013. Bis dahin will Ecuador weiter auf regionaler Ebene und mit Privatunternehmen über die Initiative verhandeln.

Im Bundestag wird es schon diese Woche zu einem neuerlichen Schlagabtausch zwischen dem Minister und der Mehrheit der Bundestagsfraktionen kommen. Nach der Stellungnahme gegenüber Telepolis hat die Opposition das Thema für Mittwochmorgen auf die Tagesordnung des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gesetzt.