Dirk Niebel versaut das Klima

Bild: Yasuni-ITT

Deutschland gehörte zu den ersten Unterstützern des Umweltschutzprojektes Yasuní-ITT. Doch nun sorgt eine Blockade des Entwicklungsministeriums für Unmut

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Am Mittwoch, dachte Ivonne Baki, könne sie das Missverständnis endlich aufklären. Nach einem mehrere Monate währenden Briefwechsel zwischen Berlin und Quito, Nachfragen, Angeboten und Beschuldigungen hatte die Unterhändlerin der Umweltinitiative Yasuní-ITT einen Termin beim Bundesministerium für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ).

Dessen amtierender Chef, der Liberale Dirk Niebel, hatte nach ecuadorianischen Aussagen eine erhebliche Unterstützungszusage im vergangenen Herbst überraschend zurückgezogen. Umgerechnet 48 Millionen US-Dollar hatte die Bundesregierung noch während der Großen Koalition zugesagt - über 13 Jahre hinweg. Auf eine Erklärung für den Rückzug wartet die Regierung in Quito bis heute. Am Mittwoch war Minister Niebel nicht zu sprechen, auch seine Parteifreundin und Staatssekretärin im BMZ, Gudrun Kopp, ließ sich entschuldigen. Am Ende musste die mehrköpfige Delegation mit einem ministerialen Abteilungsleiter Vorlieb nehmen, dessen Ablehnung der Initiative bekannt ist. Die Blockade des Ministeriums und der politische Stil des Ministers sorgen inzwischen auch im Bundestag für zunehmenden Widerspruch.

Das Projekt Yasuní-ITT sieht vor, rund 850 Millionen Barrel Erdöl im Boden zu belassen, sofern Konsumentenstaaten die Hälfte der zu erwartenden Gewinnausfälle für das südamerikanische Land mit Zahlungen in einen Treuhandfonds unter UN-Verwaltung kompensieren. Die angestrebte Gesamtsumme beläuft sich auf 3,5 Milliarden US-Dollar. Auf diese Weise würden 982.000 Hektar des Naturschutzgebietes Yasuní bewahrt, der Ausstoß von 410 Millionen Tonnen Kohlendioxid würde vermieden. Begeleitet wird die einmalige Initiative von dem UN-Entwicklungsprogramm UNDP.

Nach internen Debatten war die Idee im Jahr 2007 von Ecuadors Präsidenten Rafael Correa international vorgestellt worden. Ziel ist seither, den Yasuní-Nationalpark, ein Biosphärenreservat mit einer Ausdehnung von fast einer Million Hektar, vor der Zerstörung durch die Erdölförderung zu schützen.

Verhandlungen mit deutschen Akteuren laufen weiter

Besonders in Deutschland war das Vorhaben auf Interesse gestoßen. Auch heute noch unterstützen alle im Bundestag vertretenen Parteien die Yasuní-ITT-Initiative. Allein das BMZ, federführend bei solchen Vorhaben, hält die Umsetzung auf.

Unterhändlerin Baki versteht diese Haltung nicht: "Wir haben alle Bedingungen erfüllt", sagte sie im Gespräch mit Telepolis. Nachdem das Entwicklungsministerium im vergangenen Herbst überraschend eine Reihe von Nachfragen gestellt hatte, habe man über die vergangenen Monate hinweg alles daran gesetzt, die neu geäußerten Vorbehalte auszuräumen (Ecuador gibt Umweltschutzprojekt Yasuní-ITT nicht auf). Sie möchte inzwischen nicht mehr ausschließen, dass der FDP-Mann Niebel politische Gründe für seine Blockade hat, sagt Unterhändlerin Baki. Dabei sei der Schutz von Umweltressourcen doch keine Frage der politischen Orientierung.

Verschmutzung durch Erdölabbau. Bild: Yasuni-ITT

Um nun weiter voranzukommen, setzt das südamerikanische Land auf mehrere Kräfte in Deutschland. "Wir stehen nicht nur in Kontakt mit Parlamenten, sondern auch mit Nichtregierungsorganisationen, Privatunternehmen und Landesregierungen", sagte Baki gegenüber Telepolis. So hätten die Commerzbank und Siemens bereits Interesse an dem Vorhaben gezeigt. Hoffnung haben die Südamerikaner auch in die Grünen nach den jüngsten Wahlsiegen:

Ich glaube, die Erfolge dieser Partei sind Teil eines politischen Trends in Europa und weltweit. Das wachsende ökologische Bewusstsein hat mit den Folgen der Klimaerwärmung zu tun, aber natürlich auch mit der Reaktorkatastrophe in Japan.

Ivonne Baki

Man rede, wenn es um das Klima gehe, nicht nur über Theorien, sondern über konkrete Probleme, die vom Menschen verursacht wurden. Eine Hauptverantwortung liege vor diesem Hintergrund bei den Industriestaaten, meint Baki:

Sie haben in der Vergangenheit nicht gemerkt, dass die Erde und ihre Ressourcen geschützt werden müssen.

Kritik an FDP-geführtem Entwicklungsministerium nimmt zu

Solche Rhetorik trifft international auf Resonanz. Der ehemalige US-Vizepräsident Al Gore sprach mit Blick auf die Yasuní-ITT-Initiative unlängst auf einem internationalen Klimaforum von einer "hervorragenden Idee". Zu den prominenten Unterstützern zählen auch die Schauspieler Woody Allen, Bo Dereck, Edward Norton und Leonardo Di Caprio sowie der ehemalige Weltbankchef James Wolfensohn. Ebenso wie sie wirbt der aktuelle Vorsitzende der Interamerikanischen Entwicklungsbank, Luis Alberto Moreno, für die Umweltschutzinitiative der ecuadorianischen Regierung.

Trotz dieser internationalen Rückendeckung kommen die Verhandlungen mit Deutschland derzeit nicht hinreichend voran. Die Blockade des Entwicklungsministers versaut auch in Berlin das politische Klima. "Uns bleibt im Moment nichts anderes übrig, als weiter um Unterstützung zu werben", sagt die Grünen-Bundestagsabgeordnete Ute Koczy. Im Streit mit dem Entwicklungsministerium sieht sie die Kompetenzen dabei klar verteilt: "Das Parlament hat nicht nur das Budgetrecht, es hat auch andere Möglichkeiten der Einflussnahme", sagte sie gegenüber Telepolis. Für die Blockade von Minister Niebel sieht die Abgeordnete zwei Gründe. Zum einen werde das Vorhaben vom BMZ abgelehnt, weil es sich um eine Initiative aus Vorgängerzeit handele. "Zum anderen passt dieser Ansatz offenbar nicht mit dem Marktanreizdenken der FDP im Ministerium zusammen", so Koczy.

Nun fürchtet die Abgeordnete einen erheblichen politischen Schaden. "Hier hat ein Land des Südens erstmals Eigeninitiative ergriffen, und nun stellt Minister Niebel dem ein bürokratisches, deutsches Denken gegenüber", so ihre Kritik. Dabei erkennen "Abgeordnete aller Fraktionen" die Tragweite und Symbolik der Yasuní-ITT-Initiative an. "Dieser Vorstoß ist inzwischen in allen relevanten politischen Foren Thema - ebenso wie die deutsche Blockade." Im Parlament, so Koczy, herrsche daher "Unverständnis und Ratlosigkeit" vor.

Stellungnahme seitens des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Eine Zusage dieser oder der vergangenen Bundesregierung für dieses Vorhaben hat es nie gegeben, zumal nicht unter Nennung eines bestimmten Betrags. Die Bundesregierung hat intensive Gespräche mit der ecuadorianischen Seite geführt. Wesentliche Fragen dabei waren zum einen, welche Präzedenzwirkung eine Zahlung für ein Unterlassen haben würde, zum anderen, wie Nachhaltigkeit auch in zukünftigen Jahren sichergestellt werden kann.

Das letzte deutsch-ecuadorianische Gespräch dazu fand in der letzten Woche in Berlin statt. Dabei wurde die ecuadorianische Delegation, die selbst auf Arbeitseben durch eine Sondergesandte und nicht etwa hochrangig geführt wurde, von Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz und dem zuständigen Abteilungsleiter für Lateinamerika, Harald Klein, empfangen. Die deutsche Seite hat dabei eine Zusage von neuen Mitteln für das Vorhaben Yasuni ausgeschlossen, zugleich aber Flexibilität zugesichert, was die Verwendung der bislang für Ecuador vorgesehenen Mittel betrifft. Das BMZ kann sich dabei auch eine Beistellung zur Yasuni-Initiative vorstellen. Voraussetzung dafür ist, dass mit dem neuen Fonds keine Doppelstruktur geschaffen wird, sondern an die Initiative "Redd+", die Deutschland bereits unterstützt, eng angeknüpft wird. Die Entscheidung werden beide Regierungen bei den regulär für Oktober vorgesehenen deutsch-ecuadorianischen Regierungsverhandlungen über die entwicklungspolitische Zusammenarbeit treffen.