Ecuador gibt Umweltschutzprojekt Yasuní-ITT nicht auf
Nach dem Boykott der deutschen Bundesregierung: Spanien unterstützt Vorhaben. Quito kündigt diplomatische Offensive auf Klimagipfel an
Die Absage der deutschen Bundesregierung an das internationale Umweltschutzprojekt Yasuní-ITT in Ecuador sorgt für anhaltende Konflikte im politischen Berlin. Der FDP-Politiker und amtierende Entwicklungsminister Dirk Niebel hatte die deutsche Beteiligung Mitte September überraschend zurückgezogen (Ideologie statt Hilfe). Über den deutschen Botschafter in der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, Peter Linder, ließ Niebel der Regierung des südamerikanischen Landes stattdessen einen Fragenkatalog zukommen. Dieser ist inzwischen von der Staatsführung unter Präsident Rafael Correa beantwortet worden. Doch die deutsche Regierung schweigt weiter. Während in Berlin Oppositionsparteien gegen die Entscheidung Niebels Sturm laufen, wirbt das südamerikanische Land weiter für die Initiative.
Ecuadors Präsident hatte Mitte 2007 erstmals vorgeschlagen, gut 840 Millionen Barrel Erdöl - ein Barrel entspricht 159 Liter - im Boden zu belassen, sofern in erster Linie Konsumentenstaaten die Hälfte des zu erwartenden Gewinns in einen Treuhandfonds einzahlen. Die Verhandlungen trafen von Beginn an auf entschiedenen Widerstand und immer neue Nachforderungen der Industriestaaten. Den Problemen zum Trotz unterzeichnete die Staatsführung in Quito Anfang August den Rahmenvertrag zur Einrichtung des Treuhandfonds.
Die ausgedehnten Erdölvorkommen liegen in drei Feldern (Ishpingo, Tiputini und Tambococha) im Yasuní-Nationalpark. Eine Ausbeutung der dortigen Erdölvorkommen würde die enorme Artenvielfalt der Region bedrohen. Gut ein Drittel der im Amazonas vorkommenden Vogelarten leben in dem Naturschutzgebiet, das von der UNESCO Ende der 1980er Jahre als Weltkulturerbe eingestuft wurde. Neben dem direkten Umweltschutz würde das Vorhaben der ecuadorianischen Regierung auch zur Abwendung des Klimawandels beitragen. Der Ausstoß von 410 Millionen Tonnen des schädlichen Kohlendioxids könnte vermieden werden. Ecuador verlangte im Gegenzug 3,5 Milliarden US-Dollar auf 13 Jahre verteilt -- rund 50 Prozent des zu erwarteten Erlöses.
Deutsches Entwicklungsministerium schweigt beharrlich
Während UN-Vertreter das Vorhaben als einzigartige Möglichkeit loben, Naturreichtum nachhaltig zu schützen, traf die Initiative beim deutschen Entwicklungsministerium unter FPD-Führung auf wenig Gegenliebe. In einem mehrseitigen Fragenkatalog an die ecuadorianische Regierung, der Telepolis vorliegt, verlangte der Entwicklungsminister bereits im September weitere Informationen zu der Verwendung der Kompensationsgelder, und dies, obgleich der Treuhandvertrag unter UN-Beteiligung zu diesem Zeitpunkt schon unterzeichnet war.
Vor wenigen Wochen dann kam Ecuadors Ministerin für die Koordination des National- und Kulturerbes, María Fernanda Espinosa, persönlich nach Berlin, um die erneuten Fragen zu beantworten. Begleitet wurde sie vom technischen Leiter der Initiative, Carlos Larrea, und dem zuständigen Vertreter des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP), Bisrat Aklilu. "Alle im deutschen Parlament vertretenen Parteien haben uns dabei ihre ungebrochene Unterstützung versichert", erinnert sich Espinosa. Bei dem Besuch übergab die internationale Delegation dem Entwicklungsministerium die erbetenen Informationen. "Unsere Antwort war neun Seiten lang und enthielt eine Vielzahl technischer Details. Ich glaube, wir haben nun alles getan, was in unserer Macht stand", so Espinosa. Der Ball liege nun bei Deutschland. Und da liegt er noch immer.
Beteiligte Fachleute der Bundestagsparteien sind zunehmend ungehalten über die andauernde Blockade des Entwicklungsministers. Vor rund zwei Wochen habe es ein Treffen des Entwicklungsausschusses mit Vertretern des Ministeriums gegeben, heißt es aus parlamentarischen Kreisen. Trotz der Erklärungen aus Quito und des Protests im deutschen Parlament habe es aber keine Korrektur gegeben. Der Bundestag hatte das Projekt bereits 2008 einstimmig befürwortet.
Ecuador plant neue diplomatische Offensive auf Klimagipfel in Mexiko
Aus anderen Staaten der Europäischen Union wird indes zumindest der Wille zur politischen und finanziellen Unterstützung signalisiert. Spaniens Außenministerin Trinidad Jiménez gab vor zwei Wochen bekannt, dass die Regierung in Madrid das Umweltschutzvorhaben Ecuadors noch in diesem Jahr mit einer Million Euro unterstützen möchte. Wenn andere Staaten in das Projekt einsteigen, würde Spanien die eigene Beteiligung an dem Treuhandfonds erhöhen, so Jiménez, die in der Yasuní-ITT-Initiative ein "zukunftsweisendes" und "wirklich wichtiges Projekt" sieht. Ecuadors Außenminister Ricardo Patiño äußerte daraufhin die Hoffnung, dass sich die Europäische Union für das Umweltschutzvorhaben engagiert. Bislang hat allein Chile einen eher symbolischen Betrag von 100.000 US-Dollar in den Treuhandfonds einbezahlt.
Auf dem UN-Klimagipfel, der gestern im mexikanischen Küstenort Cancún begonnen hat, will Ecuador nun eine neue diplomatische Offensive starten, um die Umweltinitiative zugunsten des Yasuní-Nationalparks zu unterstützen. Man werde sich dafür einsetzen, dass die maßgeblichen Verantwortlichen für die Verschmutzung der Umwelt zur Rechenschaft gezogen werden, kündigte Ministerin Espinosa an. Vor allem die Industriestaaten hätten eine "ökologische Schuld" zu begleichen. Vor diesem Hintergrund werde man die Yasuní-ITT-Initiative als neues Modell nachhaltigen Umweltschutzes weiter bewerben. Ecuador sei immerhin bereit, 20 Prozent seiner nachgewiesenen Erdölreserven im Boden zu belassen.
Gemeinsam mit anderen Staaten des Süd-Bündnisses G77 will sich die linksgerichtete Regierung von Rafael Correa auch dafür einsetzen, dass das Klimaprotokoll von Kyoto weiter umgesetzt wird.