Die Klimakrise macht keine Pause – auch nicht wegen des Ukraine-Krieges
Energie und Klima – kompakt: Das Katastrophenrisiko auf der Welt nimmt zu, die Diskrepanz zwischen Klimaversprechen und konkreten politischen Maßnahmen auch
Die derzeitige Klimapolitik der Staaten werde zu einem katastrophalen Zusammenbruch des Weltklimas führen – davor warnen die drei ehemaligen Vorsitzenden des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), Michael Zammit Cutajar, Yvo de Boer und Christiana Figueres, im britischen Guardian. Es bestehe eine große Lücke zwischen den Klimaschutzversprechen der Staaten und den Maßnahmen, um diese tatsächlich umzusetzen.
Nun scheint ein katastrophaler Zusammenbruch des Weltklimas, wie wir es kennen und wie es dem Überleben von Menschen und Ökosystemen zuträglich ist, von den politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger:innen weiterhin erfolgreich aus dem Bewusstsein verdrängt zu werden. Die aktuellen und multiplen Krisen können weder Vorwand noch Legitimation sein, angesichts der Klimakrise nicht zu handeln.
Zur Zeit findet in Bonn die UN-Konferenz zum Klimawandel statt, die u.a. die 27. Klimakonferenz (COP 27) in Sharm-El-Sheikh vorbereiten soll. Dort soll es in erster Linie um die Umsetzung von Klimazielen gehen. Zur Eröffnung der Konferenz erklärte die derzeitige Generalsekretärin der UNFCCC, Patricia Espinosa: "Der Klimawandel ist kein Thema, bei dem wir es uns leisten können, unseren globalen Zeitplan hinauszuschieben." Das heißt: Auch nicht aufgrund von Kriegen und anderen Krisen.
Medial wenig Beachtung erhielt der kürzlich erschienene Globale Sachstandsbericht des UN-Büros für Katastrophenvorsorge (UNDRR) zur Verringerung von Katastrophenrisiken. Kurz zusammengefasst: Das Risiko für Katastrophen nimmt zu und nicht ab, wie es eigentlich Ziel des Sendai Rahmenwerks für Katastrophenvorsorge 2015 bis 2030 wäre.
Zur Halbzeit des Rahmenwerks schreibt das UNDRR:
Trotz der Zusagen, die Widerstandsfähigkeit zu stärken, den Klimawandel zu bekämpfen und nachhaltige Entwicklungspfade zu schaffen, bewirken die derzeitigen gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen das Gegenteil.
Aus dem Sachstandsbericht des UN-Büros für Katastrophenvorsorge (UNDRR)
Dies verhindere auch die Einhaltung des Abkommens von Paris und der Sozialen Entwicklungsziele. Statt Risiken zu mindern, würden mehr Risiken geschaffen. Die Risikofaktoren Armut und Ungleichheit nähmen zu, während Ökosysteme und die Biosphäre Gefahr liefen zu kollabieren. Angesichts der wachsenden und global verknüpften Risiken sei es wichtig, die realen Kosten des heutigen Nichthandelns, beispielsweise gegen den Klimawandel, in finanziellen und politischen Entscheidungsprozessen zu berücksichtigen.
Die Anzahl von mittleren und größeren Katastrophen ist in den letzten beiden Dekaden gegenüber dem Zeitraum 1970 bis 2000 stark gestiegen, und zwar von 90 bis 100 Katastrophen pro Jahr auf 350 bis 500. Allerdings umfasst dies auch nicht klima- und wetterbedingte Katastrophen wie etwa Erdbeben, Tsunamis oder Vulkanausbrüche.
Ereignisse wie das Auftreten von Pflanzenkrankheiten oder Epidemien können aber durchaus auch einen Bezug zu klimatischen Veränderungen haben. Die Anzahl der Katastrophen pro Jahr könnte bis 2030 auf 560 steigen, so die Prognose. Ein klarer Trend nach oben zeigt sich bei Dürren und extremer Hitze.
Wie verletzlich Menschen gegenüber Katastrophen sind, ist aber immer auch ein Produkt der gesellschaftlichen Entscheidungen. Und nicht alle Bevölkerungsschichten sind den gleichen Risiken ausgesetzt, so spielen etwa sozioökonomischer Status, Marginalisierung oder Gender eine Rolle dabei, wie stark Menschen von Katastrophen betroffen sind. Und schlussendlich sind Institutionen gefordert, sich an wachsende, schwerer vorhersehbare und komplexere Risiken anzupassen.
Aufeinanderfolgende Dürrejahre
Aktuell vorhersehbar ist, dass sich die Gefahr von Hungersnöten in Ostafrika verschärfen wird. In Somalia, Teilen Kenias und Äthiopiens ist nunmehr die vierte Regenzeit in Folge ausgefallen. Laut Langzeitvorhersagen steht zu befürchten, dass auch die Regenzeit zwischen Oktober und Dezember ausfallen könnte. Rund 16,7 Millionen Menschen sind zur Zeit von Ernährungsunsicherheit betroffen, bis September könnten es 20 Millionen Menschen sein.
In Somalia droht eine Hungersnot, mehr als 80.000 Menschen litten laut einer Auswertung vom April unter extremen Hunger. Schätzungsweise 3,6 Millionen Nutztiere sind in Kenia und Äthiopien verendet, mehr als eine Million Menschen in Somalia und Äthiopien sind innerhalb ihrer Länder vor der Dürre geflüchtet.
Die Ernährungsunsicherheit wird durch die Folgen der Covid-19-Pandemie und des Krieges in der Ukraine noch verstärkt. Die meteorologischen und humanitären Organisationen fordern in ihrer gemeinsamen Stellungnahme ein sofortiges und verstärktes Handeln, um Hunger und Tod zu verhindern.
Weniger lebensbedrohlich, aber dennoch seit Jahren zu trocken ist es in den östlichen Bundesländern Deutschlands. Insgesamt ist in Deutschland im Frühjahr 2022 nur zwei Drittel der üblichen Niederschlagsmenge gefallen, teilt der Deutsche Wetterdienst (DWD) mit. Die Niederschlagsmengen waren aber recht ungleich verteilt, Berlin und Brandenburg verzeichneten mit 60,8 Liter pro Quadratmeter sogar das trockenste Frühjahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen.
In Sachsen war es das zweit-, in Sachsen-Anhalt das dritttrockenste Frühjahr. Damit setze sich der Trend der letzten Jahre fort. Für die Pflanzen sind dies schlechte Bedingungen: In den oberen 60 Zentimetern liegt die Bodenfeuchte zum Teil nur noch bei 20 Prozent. Für die Landwirtschaft wie auch für die bereits stark geschädigten Wälder sind das keine guten Nachrichten.
Dürre hemmt aber auch das Bodenleben und damit die CO2-Speicherkapazität von Waldböden, wie eine Untersuchung der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft aus der Schweiz feststellt. Regenwürmer und andere Bodentiere würden sich bei Trockenheit in tiefe Bodenschichten zurückziehen oder in Dürreschlaf verfallen – wodurch sie weniger Laub und anderes organisches Material in Humus umwandelten. Als Humus wird Kohlenstoff längerfristig im Boden gebunden.
Klimapolitik der Ampel nicht ausreichend für 2030er-Ziel
Was die eingangs erwähnte Diskrepanz zwischen Klimaschutzversprechen bzw. sogar gesetzlich verankerten Klimazielen und konkreten Maßnahmen angeht, so macht Deutschland keine Ausnahme. Nicht nur die energiepolitischen Weichenstellungen angesichts des Ukraine-Krieges gefährden die Klimaziele, auch so wäre zumindest das Instrument des CO2-Preises nicht ausreichend, um die CO2-Emissionen bis 2030 um die gesetzlich verankerten 65 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Dies geht aus einer aktuellen Analyse des Öko-Instituts hervor.
Im besten Fall könnte eine Reduktion um 54 Prozent erreicht werden. In der Analyse wurden die Auswirkungen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes (BEHG) betrachtet, das in Deutschland den CO2-Preis für die Sektoren Gebäude, Verkehr und kleinere Industrieanlagen regelt. Deren Restbudget bis zum Jahr 2030 läge bei 213 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Das BEHG legt fest, dass der CO2-Preis von anfangs 25 Euro pro Tonne im Jahr 2021 auf 65 Euro pro Tonne im Jahr 2026 ansteigt.
Untersucht wurden nun unterschiedliche Szenarien des Preisanstiegs. "Die untersuchten Szenarien zeigen, dass der größte Beitrag zum Klimaschutz erreicht werden kann, wenn Menschen in der Lage sind, vorausschauend in die Zukunft zu planen und Anlagen früher auszutauschen", heißt es beim Öko-Institut. Wenn man davon ausgeht, dass der Festpreis der Zertifikate nicht doch schon vor 2026 angehoben wird, ist ab 2027 mit einem sprunghaften Anstieg zu rechnen. Das Öko-Institut rechnet hier mit 255 Euro pro Tonne im Jahr 2027 und 340 Euro pro Tonne im Jahr 2030.
Die Analyse macht vor allem deutlich, dass weitere klimapolitische Maßnahmen nötig sind – wie Förderprogramme, der Abbau klimaschädlicher Subventionen und Verbesserungen der Infrastruktur etwa beim öffentlichen Verkehr. "Je stärker das BEHG durch andere Klimaschutzinstrumente flankiert wird und kontraproduktive Anreize (beispielsweise durch klimaschädliche Subventionen) entfallen, desto niedriger fällt der Zertifikatspreis aus, der für das Erreichen der Klimaschutzziele erforderlich ist", so eine der Schlussfolgerungen der Studie.
Auch der "Climate Action Tracker" – ein Tool zur Analyse der Klimapolitik der Länder, das von mehreren Organisationen getragen wird, hat soeben eine Analyse veröffentlicht, ob die Klimapolitik der Ampel-Regierung ausreichend ist, um das Emissionsreduktionsziel für 2030 von 65 Prozent einzuhalten. Würden alle mit Koalitionsvertrag vereinbarten Maßnahmen umgesetzt, könnte Deutschland seinem Klimaziel nahekommen.
Der Ausbau erneuerbarer Energien und ein Kohleausstieg bis 2030 könnten dazu führen, dass der Stromsektor sein Ziel übererfüllt, während anderer Sektoren weiter hinterherhinken würden. Allerdings reicht das deutsche Klimaziel nicht aus, damit Deutschland seinen Anteil an der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad leistet. Dazu müsste das Land seine Emissionen mindestens um 69 Prozent reduzieren und außerdem bedeutend mehr Geld für die Klimafinanzierung in ärmeren Ländern bereitstellen.
"Es gibt jedoch auch besorgniserregende Schritte der Regierung als Reaktion auf die russische Invasion in der Ukraine, darunter die beschlossene vorübergehende Steuersenkung auf Benzin und Diesel, die Erhöhung der Pendlerpauschale und der massive Ausbau von Flüssiggas-Terminals und neuer Lieferverträge", so die Bewertung der aktuellen Politik durch Climate Action Tracker.
Untergräbt Scholz die Einigung der G7-Umweltminister?
Auch der jüngste Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Erdgasförderung in Senegal zu unterstützen, wäre kontraproduktiv.
"Ich hoffe, dass der deutsche Bundeskanzler Scholz seinen Vorschlag zur Unterstützung einer massiven LNG-Erschließung im Senegal zurückzieht. Die Einigung der G7-Umweltminister vom vergangenen Wochenende, ab Ende dieses Jahres keine Projekte mit fossilen Brennstoffen in Übersee mehr zu finanzieren, ist bahnbrechend und sollte von keinem Land untergraben werden, insbesondere nicht von Deutschland, dem diesjährigen Gastgeber der G7", sagt Bill Hare, Vorstand von Climate Analytics, einer der am Climate Action Tracker beteiligten Organisationen.
Wir haben an dieser Stelle immer wieder über den Streit über die EU-Taxonomie zur Nachhaltigkeit berichtet, derzufolge auch Investitionen in Gasinfrastruktur und Atomkraft als nachhaltig gelten sollen – und sich damit in "grünen Fonds" wiederfinden können. Greenwashing lässt sich aber auch über eine simple Täuschung von Kapitalanleger:innen betreiben. Unter diesem Verdacht steht jedenfalls aktuell die 80-prozentige Deutsche-Bank-Tochter DWS.
Sie soll bei ihren Fonds falsche Angaben zu den Nachhaltigkeitskriterien ESG gemacht zu haben oder diese entgegen eigener Angaben in den Verkaufsprospekten nicht berücksichtigt zu haben. Die Abkürzung ESG steht für Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environment, Social, Governance). Vergangene Woche gab es daher Razzien bei DWS und der Deutschen Bank in Frankfurt am Main. Die bisherigen Ermittlungen richten sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft gegen unbekannt.