Die Kosten des wissenschaftlichen Publizierens
Informationen zu teils hohen Open-Access-Gebühren als Open Data bereitgestellt, die Kosten für Zeitschriftenabonnements bleiben hingegen intransparent
Wie viel Geld Hochschulen wissenschaftlichen Verlagen für Abonnements wissenschaftlicher Zeitschriften zahlen, ist in den meisten Ländern ein gut gehütetes Geheimnis. Informationen erhält man in Deutschland allein aus der Deutschen Bibliotheksstatistik - allerdings nur als Gesamtsumme der Ausgaben einer Hochschulbibliothek für alle von ihr bezogenen Journale und nicht heruntergebrochen auf einzelne Verlage oder Journale.
Nicht anders ist es in der Schweiz, wo Christian Gutknecht vom Schweizerischen Nationalfonds zu Förderung der wissenschaftlichen Forschung (SNF) letzten Monat daran scheiterte, Informationen zu den Zahlungen für Zeitschriftenabonnements an wissenschaftlichen Bibliotheken der Schweiz in Erfahrung zu bringen - und dass trotz einer gut dokumentierten und nicht zu leugnenden Hartnäckigkeit.
Informationen dieser Art sind schwer zugänglich, denn Bibliotheken unterzeichnen meist bei dem auch als Subskription bezeichneten Abonnieren wissenschaftlicher Zeitschriften oder Ebooks Verschwiegenheitsverpflichtungen. Wer gegen diese Abmachungen verstößt, dem drohen empfindliche Vertragsstrafen. Diese Praxis verhindert jedoch, dass Wissenschaftler sich über die Kosten der Literaturbeschaffung informieren können und mindert so die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich kritisch mit den Finanzflüssen im Abonnement- bzw. Subskriptionsmodell auseinandersetzen.
Merkwürdigerweise findet man hier nämlich eine Doppelfinanzierung durch die öffentliche Hand: Sie finanziert wissenschaftliche Forschung, in dem sie Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen betreibt und Gehälter der Wissenschaftler, ihre Reisekosten, Büros, Laborausstattung und die gesamte Infrastruktur finanziert, die Forscher für ihre Arbeit benötigen. Die Ergebnisse der Arbeit werden als Texte, meist Zeitschriftenartikel, publiziert - denn ohne Publikation existiert die Forschung eigentlich gar nicht, zumindest wäre sie unveröffentlicht wissenschaftlich wertlos. Die Erstellung der Artikel, allerdings auch die Begutachtung und die editorische Arbeit als Herausgeber erledigen Wissenschaftler in aller Regel im Rahmen ihrer öffentlich finanzierten Tätigkeiten und ohne von den Wissenschaftsverlagen dafür bezahlt zu werden. Die Verlage aber wiederum verkaufen diese, ihnen meist kostenlos zur Verfügung gestellten Inhalte an Bibliotheken, die jedoch selbst von der öffentlichen Hand unterhalten werden. Diese zahlt damit die Produktion wissenschaftlicher Texte und kauft sie den Wissenschaftsverlagen zusätzlich ab, sie finanziert die Publikationen demnach mehrfach.
Dieses unter Finanzierungsgesichtspunkten unsinnige Verfahren lieferte und liefert noch immer eines der Argumente zugunsten des dem Subskriptionsmodell entgegenstehenden Open Access. Open Access bedeutet, dass wissenschaftliche Texte entgeltfrei, im Idealfall sogar unter Bedingungen, die denen von Open Source Software nahe kommen, genutzt werden können. Open-Access-Zeitschriften finanzieren sich teils durch Gebühren, die bei der Publikation eines Artikels fällig werden. Auch wenn nur circa 25 % der Open-Access-Journale diese gemeinhin als Article Processing Charges (APC) bezeichneten Zahlungen als Finanzierungsmittel nutzen: Die Anzahl der in Open-Access-Journalen publizierten Artikel steigt stetig und folglich werden Open-Access-Zeitschriften zunehmend eine Einnahmequelle und ein Wirtschaftsfaktor für kommerzielle Wissenschaftsverlage. Der 2013 erschienene Report "Open Access: Market Size, Share, Forecast, and Trends" der Consulting-Firma Outsell berichtet etwa von um 34 % angestiegenen Gesamtumsätzen aus Open-Access-Publikationen in Journalen 2011/2012. Auch für die folgenden drei Jahre prognostizierte Outsell 2013 Zuwächse zwischen 21 und 30 %.
Anders als im Subskriptionsmodell wollen sich Forschungsförderer und auch wissenschaftliche Bibliotheken Transparenz bei der Finanzierung von Open-Access-Artikeln nicht untersagen lassen. Nachdem bereits der britische Wellcome Trust und der österreichische Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) Informationen zu von ihnen entrichten Open-Access-Publikationsgebühren öffentlich zugänglich machten, zogen nun mehrere wissenschaftliche Einrichtungen aus Deutschland nach. Einer Initiative der Universitätsbibliothek Bielefeld folgend stellen mittlerweile auch das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), die Leibniz Universität Hannover, die Universität Duisburg-Essen, die Universität Konstanz, die Universität Regensburg und die Max Planck Digital Library (MPDL) Informationen über entrichtete APCs offen zur Verfügung.
Nahezu alle der erwähnten Einrichtungen profitieren bei der Finanzierung der Publikationsgebühren von der Förderlinie "Open Access Publizieren" der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), die den Aufbau von Open-Access-Publikationsfonds unterstützen will [Förderung von Open-Access-Fonds für deutsche Hochschulen). Von den erwähnten Einrichtungen kann allein die MDPL aus formalen Gründen diese Förderung nicht Anspruch nehmen, denn in der genannten DFG-Förderlinie sind ausschließlich wissenschaftliche Hochschulen antragsberechtigt.
Dirk Pieper und Najko Jahn von der Universitätsbibliothek Bielefeld, die die Initiative koordiniert, informierten Anfang November in verschiedenen Mailinglisten über die deutsche Datensammlung und nannten als ihren erklärten Zweck, "das kostenpflichtige Publizieren in Open-Access-Zeitschriften für alle transparent und nachvollziehbar" zu machen. Die bereitgestellten Daten selbst sind ebenfalls transparent und sogar nachnutzbar, sie stehen unter einer offenen Lizenz, der Open Data Commons Open Database License (ODbL). Die Informationen können als regelmäßig aktualisierte CSV-Datei heruntergeladen und via GitHub-Repository von weiteren Einrichtungen ergänzt werden. Das GitHub-Repository stellt auch einige Visualisierungen bereit, etwa zur Höhe der je Einrichtung entrichteten Gebühren oder der durchschnittlichen Zahlungen pro Verlag.
Auch auf Jahns GitHub-Page finden sich weitere instruktive Visualisierungen der Informationen, z.B. zur Verteilung der Gesamtzahlungen aller Einrichtungen auf Verlage. Auf Springer Science + Business Media sowie die Public Library of Science PLOS entfallen dabei mit Abstand die höchsten Summen. Die höchsten APC-Gesamtbeträge hingegen zahlen MPDL und KIT. Da die Informationen der MPDL nur solche Zahlungen umfassen, die aus dem zentralen Budget der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) bestritten wurden, und nicht die zusätzlichen APC-Zahlungen einzelner Max-Planck-Institute, dürften die Ausgaben der MPG jedoch insgesamt deutlich höher ausfallen, als die MPDL-Daten es anzeigen. Jahns Visualisierungen lassen sogar erkennen, welche Einrichtung welche Beträge an welche Verlage entrichtete.
Die Initiativen des Wellcome Trust, des FWF und der deutschen Akteure lösen das Versprechen der Transparenz ein und geben einen Einblick in die Kosten des gebührenfinanzierten Open Access. Während die DFG-unterstützten Fonds der deutschen Hochschulen aufgrund Fördervorgaben nur Artikel finanzieren können, deren APC nicht über 2.000 € liegt, finden sich in den Daten der anderen Quellen teils beachtlich hohe Beträge.
Wem die knapp 2.600 €, die die nicht DFG-unterstützte MPDL 2013 für eine Publikation im Open-Access-Journal PLOS Biology entrichtete, hoch erscheinen, dem sei ein Blick in die Daten von Wellcome Trust und FWF empfohlen. So zahlte der FWF im Jahr 2012 für die Open-Access-Publikation des Artikels "Convergent Evolution of Sodium Ion Selectivity in Metazoan Neuronal Signaling" im Journal Cell Reports des bereits im Subskriptionsmodell für seine Preispolitik verschrieenen Verlags Elsevier 4.573,87 €. Der Wellcome Trust wiederum entrichtete für den Artikel "Genetic risk factors for ischaemic stroke and its subtypes (the METASTROKE Collaboration): a meta-analysis of genome-wide association studies", der 2012 im gleichfalls von Elsevier aufgelegten Journal The Lancet Neurology erschien, satte 5.760 £.
Im besten Fall gelingt es den Offensiven von Wellcome Trust, FWF und der datengebenden Einrichtungen aus Deutschland, das zu erreichen, was im Subskriptionsmodell weitgehend verboten ist: Wissenschaftlern den mitunter hohen Preis des Publizierens zu vergegenwärtigen.