Die Krankenkassenbeiträge steigen 2023 auf Rekordhoch

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Der Arbeitnehmeranteil für die gesetzlichen Krankenkassen wird nächstes Jahr erhöht. Kassen müssen Leistungen für ALG-II-Bezieher teilweise auf Arbeitnehmer umlegen.

Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenversicherungen verschiedentlich auch dann verweigert, wenn die gültige Rechtsprechung sie zu diesen Leistungen verpflichtet. Der Streit mit dem Hinweis auf eine eindeutige Rechtslage mündet im Vorschlag eines Abrechnungsprozederes, das in der Praxis nicht immer realisierbar ist, so die Erfahrung.

Als Patient muss man sich da sehr gut auskennen, über fachärztliche Unterstützung verfügen und einen langen Atem haben. Dass die Krankenkassen versuchen, Leistungen, zu denen sie rechtlich verpflichtet sind, durch allerlei Tricks zu vermeiden, ist für den einzelnen Patienten ärgerlich und nervenaufreibend, lässt sich im gesamten Zusammenhang der medizinischen Landschaft in Deutschland zwar nicht akzeptieren, aber zumindest verstehen.

Wie Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, am 28. Juni 2022 zu den vom Bundesminister für Gesundheit vorgestellten Eckpunkten für das GKV-Finanzierungsgesetz erklärte, sei es eine Enttäuschung, dass der Staat, wenn es um die Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung von ALG-II-Empfängern gehe, einer seiner "sozialen Kernaufgaben" auch weiterhin nicht nachkomme:

Im Auftrag des Staats organisieren und bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen die gesundheitliche Versorgung der ALG-II-Empfangenden, erhalten dafür aber vom Staat pro Jahr zehn Milliarden Euro weniger aus Steuermitteln, als sie für diese Versorgung ausgeben müssen.

Wenn der Staat hier seiner Verpflichtung voll nachkäme, wäre schon viel erreicht. Hier hat es, trotz der Ankündigung im Koalitionsvertrag, keinerlei Bewegung gegeben. So bleibt es dabei, dass die Krankenkassen den Bundeshaushalt Jahr für Jahr mit rund zehn Milliarden Euro subventionieren.

Doris Pfeiffer

Diese Kosten werden über die Beiträge aufgebracht. Die Eckpunkte, die Gesundheitsminister Lauterbach vor zwei Tagen ankündigte, die den Zusatzbeitrag für die Versicherten erheblich verteuern – gönne der gesetzlichen Krankenversicherung insgesamt allenfalls eine "finanzielle Atempause", so Pfeiffer.

Sie verweist darauf, dass die Reserven der Krankenkassen "zwangsweise heruntergefahren" werden, was "nicht ohne Risiko" sei.

Das Aufbrauchen von Rücklagen, ein kleiner Extra-Bundeszuschuss in Verbindung mit einem Bundesdarlehen und Beitragserhöhungen sind keine solide und nachhaltige Finanzierung der gesundheitlichen Versorgung von 73 Millionen gesetzlich Versicherten. Wichtig ist allerdings, dass der Bundesgesundheitsminister Leistungskürzungen für Versicherte erneut ausgeschlossen hat.

Doris Pfeiffer

Beitragserhöhungen

Die Beitragserhöhungen für die gesetzlich Versicherten ließen nicht lange auf sich warten. Die Zusatzbeiträge, die nur von den Arbeitnehmern erhoben werden, sollen im kommenden Jahr um 0,3 Prozentpunkte auf 1,6 Prozent erhöht werden. Zusammen mit dem allgemeinen Beitragssatz von derzeit 14,6 Prozent müssen dann 16,2 Prozent vom Bruttolohn für die Krankenversicherung abgeführt werden. "Der Beitrag in der GKV war noch nie so hoch." (SZ).

Minister Lauterbach begründete die Erhöhung mit einem Defizit von etwa 17 Milliarden Euro, das andernfalls der GKV im kommenden Jahr drohe. Zusätzlich werde der Bundeszuschuss um zwei Milliarden Euro erhöht.

Vorgesehen sei auch ein Bundesdarlehen in Höhe von einer Milliarde Euro. Zudem solle durch größere Effizienz Geld eingespart werden, meldete die Süddeutsche Zeitung . Lauterbach betonte in diesem Zusammenhang mit Blick auf den ehemaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), "Ich habe dieses Defizit im Wesentlichen geerbt von meinem Vorgänger". Dieser habe teure Leistungsausweitungen vorgenommen und auf Strukturreformen verzichtet.

Leistungskürzungen soll es zwar nicht geben. Es dürfte jedoch für die Versicherten noch schwieriger werden, Leistungen bewilligt zu bekommen, wie sie eingangs angesprochen wurden.

Seit 1. Juni können Geflüchtete aus der Ukraine Hartz-IV beantragen

Die Langzeitfolgekosten von Corona wie Long Covid sind derzeit noch nicht ansatzweise abschätzbar, da rollte schon der nächste ungedeckte Kostenblock auf die gesetzlichen Krankenkassen zu: Seit dem 1. Juni 2022 erhalten hilfebedürftige Geflüchtete aus der Ukraine die Hilfen und Sozialleistungen nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem Sozialgesetzbuch.

Für Arbeitslosengeld II sind in der Regel die Jobcenter zuständig, die vor allem in den großen Städten das blanke Chaos befürchten, da es kaum Personal mit ukrainischen Sprachkenntnissen gibt und viele Flüchtlinge sich in der deutschen Bürokratie mitnichten auskennen. Um Leistungen nach dem SGB II im Jobcenter beantragen zu können, wird eine Aufenthaltserlaubnis oder eine sogenannte Fiktionsbescheinigung, beziehungsweise eine durch die Ausländerbehörde ausgestellte Ersatzbescheinigung benötigt.

Im Gegensatz zu Flüchtlingen aus Russland ist die Aufenthaltsregelung für Ukrainer kein Problem. Bei den Vermögensangaben wird man sich auf die Angaben des Antragstellers verlassen müssen. Eine Überprüfung in der Ukraine dürfte noch längere Zeit nicht möglich sein. Die Unterlagen für die Antragstellung sind nur in deutscher Sprache verfügbar. Ganz so einfach will man es den Geflüchteten dann doch nicht machen.