Die Linke: Die unsichtbare Oppositionsführerin

Seite 2: Opposition unter der Wahrnehmungsschwelle

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Die schlechten Werte der Linkspartei beschränken sich allerdings keineswegs auf die Hauptnachrichten der Fernsehsender. Das Schweizer Institut Mediatenor wertet regelmäßig die gesamte deutsche Berichterstattung aus. Im vergangenen Sommer kamen die Forscher zu dem Ergebnis: "Die Grünen bringen es in ihrer Präsenz kaum über die Wahrnehmungsschwelle, die Linke liegt klar darunter, Piraten und AfD sind praktisch unsichtbar."

Damit eine Organisation das Publikum erreicht, müsse kontinuierlich ein gewisses Maß an Berichterstattung stattfinden. Wenn dies nicht gelingt, sei "jede Medienarbeit praktisch wertlos", so die Schweizer Medienwissenschaftler.

Besonders die fehlende Beachtung durch die privaten Medien dürfte für die Linkspartei ein strategisches Problem darstellen. Schließlich konsumieren große Teile der eigenen Zielgruppe, die sozial Benachteiligten, vor allem private Medienangebote. Zwar geben die meisten Nutzer an, dass die Fernsehnachrichten von ARD und ZDF (80 Prozent) oder Lokal- und Regionalzeitungen (60 Prozent) die wichtigsten Quellen für politische Informationen darstellen. Allerdings besteht beim Publikum "ein erhebliches Maß an Fragmentierung", so das Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung in einer aktuellen Untersuchung.

Welche Medien die unterschiedlichen Gruppen der Bevölkerung tatsächlich nutzen, unterscheidet sich deutlich nach Bildungsabschlüssen, dem Lebensalter sowie nach dem Grad des politischen Interesses. Die Zuschauer der Privatsender RTL und SAT1 sind jünger, verfügen über niedrigere Bildungsabschlüsse und sind eher von der etablierten Politik enttäuscht. Dieses Phänomen gilt ebenso für die auflagenstärkste Zeitung Deutschlands: Die BILD wird von "Hochgebildeten und politisch Interessierten eher gemieden", heißt es bei den Mannheimer Forschern.

Sahra Wagenknecht, neben Gysi das Gesicht der Linkspartei. Bild: DerHexer, Wikimedia Commons, CC-by-sa 3.0

Linke Verlierer

Wie die "redaktionelle Linie" beim Schlachtschiff der Axel Springer AG aussieht, untersuchten unlängst die Redakteure des Blog Datenlese. Auf ihrer Titelseite führt BILD seit 1997 die Rubrik "Gewinner/Verlierer". Hier werden täglich Personen des öffentlichen Lebens einer eindeutigen Kategorie zugeordnet. Nach einer Auswertung von 2.200 Politiker-Bewertungen kommen die Datenjournalisten zu einem ebenfalls eindeutigen Ergebnis: "Je weiter links ein Politiker steht, desto geringer erscheinen seine Chancen, zum Gewinner gekürt zu werden."

Zwar werden auch Politiker von Grünen (70 Prozent) und Piraten (90 Prozent) mit einer überdurchschnittlichen Wahrscheinlichkeit der Verliererseite zugeschlagen, den uneinholbaren Negativrekord können jedoch Vertreter der Linkspartei für sich beanspruchen. Sie gelten den BILD-Redakteuren in 98 Prozent aller Fälle als Verlierer.

Wenn sich dieser Umgang auf alle Medien übertragen lässt, an denen die Axel Springer AG beteiligt ist, dann hat Die Linke allerdings ein grundsätzliches Problem, denn der Konzern ist nicht nur bei seinen bekannten Print-Titeln stark. Springer hält auch relevante Anteile an der ProSiebenSat1 Media AG, deren Komplettübernahme das Bundeskartellamt verhinderte. Im Fernsehbereich will das Unternehmen demnächst auch den Nachrichtensender N24 kaufen.

Wenig beachtet, aber politisch nicht weniger bedeutend sind zudem die zahlreichen Beteiligungen an Radioprogrammen und Regionalzeitungen. Deutschlandweit besitzt die von der Axel Springer AG beherrschte Regiocast die meisten Anteile an Hörfunkprogrammen. In zahlreichen Regionen besteht daher ein Doppelmonopol, da der Konzern sowohl ein Monopol bei der Regionalpresse als auch im regionalen Rundfunk hält. Das bedeutet, dass Die Linke nicht nur in den so genannten Unterschichtsmedien ein Problem hat, sondern jenseits der urbanen Zentren auch deutlich weniger Publikum aus der gesellschaftlichen Mitte erreicht.

Die beschränkten Möglichkeiten besser nutzen

Diese Gesamtschau macht deutlich, dass relevante Teile der deutschen Medienlandschaft - vor allem die privaten Medien - der Linkspartei grundsätzlich verschlossen sind. Andererseits finden sich über den Faktor Prominenz - siehe die häufigen Auftritte von Gregor Gysi und seiner Stellvertreterin Sahra Wagenknecht - immer wieder Zugänge vor allem zu den öffentlich-rechtlichen Sendern. Auch das Beispiel Jan van Aken spricht dafür, dass die Politiker der Linken schlecht beraten wären, wenn sie sich in eine Schmollecke zurückziehen, denn mithilfe fachpolitischer Expertise gelangen durchaus linke Positionen in die Massenmedien. Aber Vertreter der Partei Die Linke haben offensichtlich einen deutlich schwereren Stand in den Redaktionen als Politiker anderer Bundestagsparteien.

Der Sozialwissenschaftler Horst Kahrs sieht eine der wesentlichen Ursachen dafür in der Sozialisation der zuständigen Redakteure. "Journalisten, die beruflich Erfolg haben, kommen eher aus den oberen Mittelschichten und bringen Positionen jenseits des Mainstream wenig Verständnis entgegen", so der Referent für Sozialstrukturanalyse der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung gegenüber Telepolis. Auf der anderen Seite sei aber auch ein unzureichendes Verständnis für die Arbeitsbedingungen des Journalisten und die politische Aufmerksamkeitsökonomie zu beobachten. Noch zu oft gebe es, so Kahrs, "die Erwartungshaltung, dass der Journalist zu übernehmen habe, was in der alles erklärenden Pressemitteilung steht".

Einen weiteren wichtigen Aspekt sprach der Sozialwissenschaftler Michael Chrapa schon im Jahr 2000 in Bezug auf die damalige PDS an: "Öffentliche Kommentare, selbst gehässige, brachten ihr in der Regel eher Nutzen und Wählerstimmen als Schaden, kurioserweise auch dann, wenn der Anlass 'skandalumwittert' war."

In diesem Sinne fiel auch die erste Reaktion von Sahra Wagenknecht zur kritisierten Markus Lanz-Sendung im ZDF aus. Sie sei mit ihrem Redeanteil durchaus zufrieden gewesen, so der sibyllinische Kommentar der stellvertretenden Fraktionsvorsitzende auf Twitter. Die Reaktionen zahlreicher Zuschauer sprachen ebenfalls dafür, dass eine feindlich-aggressive Moderation dem angegriffenen Gast nicht zwangsläufig zum Nachteil gereichen muss. "Wer erleben will, wie cool Sahra Wagenknecht wirklich ist, schaut diese Sendung", lautete ein typischer Twitter-Kommentar.

Insofern hat die Empörung über den Umgang des ZDF-Moderators mit der Linken aus Sicht der Partei nur teilweise Berechtigung, denn viel schlimmer als eine unfaire Behandlung wirkt sich ihre Nichtbeachtung aus. Dem Problem begegnen Teile der Partei schon länger und teilweise sehr erfolgreich, indem sie andere Verbreitungswege für ihre Inhalte nutzen. So zeigte eine Inhaltsanalyse der Aktivitäten deutscher Parteien bei Twitter und Facebook während der Landtagswahlkämpfe 2011, dass der Berliner Landesverband der Linken mehr postete als anderen Parteien zusammen. Zwar werden die Sozialen Netzwerke weniger genutzt, um sich gezielt politisch zu informieren. Andererseits erreichen von Bekannten geteilte Informationen ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und Glaubwürdigkeit. Dabei müssen es nicht immer die so genannten neuen Medien sein: Der Berliner Abgeordnete Stefan Liebich verteidigte sein Direktmandat im Bundestag erfolgreich, indem er etwa massiv in den kostenlosen Anzeigenblättern seines Wahlbezirks vertreten war.