"Die Mitgliedschaft im Euro ist unwiderrufbar"
Seite 2: EU-Kommission: "Die Euro-Mitgliedschaft ist unwiderruflich"
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Das Kopfschütteln ist aber auf internationaler Ebene noch größer. Der österreichische Europa-Politiker Michel Reimon wirft der Bundesregierung vor, "auf sehr hohem Niveau" zu pokern. Die Rauswurf-Drohung sei ein "Bluff" der Regierung. Scharfe Kritik kam auch aus Paris. Der französische Staatspräsident François Hollande hat sich klar von den Drohungen aus Berlin distanziert. Er will keinen Druck auf die Griechen ausüben. "Die Griechen müssen frei und souverän über ihre künftige Regierung entscheiden", sagte Hollande im Interview.
Deutlich machte er, was in der Debatte in Deutschland fast völlig unter den Tisch fällt. Die Verträge der EU sehen keinen Rauswurf eines Landes aus dem Euro vor: "Es ist allein an Griechenland, über die Zugehörigkeit des Landes zur Euro-Zone zu entscheiden", erklärte Hollande. Eine ganz neue Auffassung, die sogar noch deutlicher im Widerspruch zur Berliner Position steht, äußerte die EU-Kommission. "Die Euro-Mitgliedschaft ist unwiderruflich", meinte am Montag die Sprecherin der Kommission Annika Breidthardt in Brüssel. Es gebe in den europäischen Verträgen nicht einmal eine Bestimmung, die einen Austritt vorsehe. Das ist eine völlig neue Auslegung der Verträge. Nach dieser Lesart ist jedes Mitgliedsland auf Gedeih und Verderb auf die Zwangsgemeinschaft verpflichtet. Es soll sogar der souveränen Entscheidung beraubt sein, den Euroraum auch wieder zu verlassen.
Die Unsicherheit ist wieder an die Finanzmärkte zurückgekehrt
Klar ist, dass die Debatte um Griechenland den Euro weiter schwächt. Das passt allerdings der Europäischen Zentralbank (EZB) gut in den Kram, die mit ihrer ultralockeren Geldpolitik längst tief in einen Währungskrieg eingestiegen ist. Seit Monaten drückt die EZB den Wechselkurs des Euros mit ihrer Geldschwemme herunter (Zuspitzung im Währungskrieg). Fast 1,40 US-Dollar bekam man noch im März 2014 für einen Euro und 1,29 US-Dollar waren es noch im September. Nun sind es nicht einmal mehr 1,19. Am Montag fiel der Euro auf dem tiefsten Stand seit 2006. Experten sehen die Parität zum Dollar schon am Horizont aufziehen, auch weil vielen an den Finanzmärkten ein klares Bekenntnis wie 2010 fehlt, dass an einem gemeinsamen Euro für alle Mitgliedsländer festgehalten wird.
Dass die Bundesregierung am Montag wachsweich versuchte, den Rückwärtsgang einzulegen, hat sicher auch mit den Entwicklungen an den Finanzmärkten angesichts der Rauswurf-Debatte zu tun. Denn anders, als es Schäuble und Merkel vermuten, ist die Unsicherheit nun wieder an die Finanzmärkte zurückgekehrt. Das hat sich nicht nur am Euro-Wechselkurs gezeigt, sondern auch am Ölpreis, der auf einen neuen Tiefstand absackte. Auch die Börsen gingen in die Knie. Der deutsche Leitindex Dax startete am Montag mit einem Minus von 3% tief im roten Bereich ins neue Jahr. In den Krisenländern sah es ähnlich oder noch schlechter aus. In Spanien ging der Ibex in Madrid sogar 3,5% in die Knie. Am härtesten traf es erwartungsgemäß den griechischen Leitindex ASE, der sogar mehr als 4% verlor. Die Verluste setzten sich am Dienstag in Asien fort, der Nikkei gab an der Börse in Tokio ebenfalls um 3% nach und markierte ein Zehn-Monats-Tief. Dabei hatten die Händler mit einer Erholung am Jahresanfang gerechnet.
Die Debatte hat sich sofort auch in steigenden Risikoaufschlägen für die Staatsanleihen der Krisenländer niedergeschlagen. Fast 40 Punkte stieg der Spread für griechische Anleihen auf fast 914 Punkte, für Italien ging er acht Punkte nach oben, für Portugal um fast neun Punkte und Spanien um mehr als neun Punkte. Und diverse Experten weisen darauf hin, auf welch wackeligen Füßen die Konjunktur in der Eurozone steht. Die Eurozone ist zuletzt nur 0,2% gewachsen und schrammte durch die neue Einbeziehung illegaler Geschäfte an der Rezession vorbei.
Ohnehin stehen auch die Mechanismen zur Euro-Rettung weiter auf tönernen Füßen, auf die Schäuble offensichtlich setzt. Tatsächlich wurde der Rettungsschirm inzwischen mit dem ESM zur Dauereinrichtung, die gemeinsame Bankenaufsicht ist gerade gestartet. Doch der Abwicklungsfonds im Rahmen der Bankenunion soll erst ab 2016 langsam mit eher lächerlichen 55 Milliarden Euro gefüllt werden. Allein die Bankenrettung im kleinen Irland verschlang aber mehr als die dreifache dieser Summe (166 Milliarden Euro allein für irische Bankenrettung). Und damit ist klar, warum trotz Bankenunion weiter der Steuerzahler haften wird, auch wenn Schäuble und Co gerne etwas anderes behaupten.
Dass es sogar wachsende Risiken bei Banken in Europa gibt, stellt nicht nur die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) immer wieder fest. Die "Zentralbank der Zentralbanken" weist auf steigende Kreditausfälle genauso hin, wie auf die Tatsache, dass die EZB mit der Geldschwemme Zombie-Banken künstlich am Leben erhält. Wer noch Zweifel hatte, wurde im vergangenen Sommer belehrt, als die größte portugiesische Bank mit Steuergeldern gerettet werden musste, nachdem das Land gerade den Rettungsschirm verlassen hatte. Bei keinem der "Stresstests" zuvor war den Prüfern die fatale Situation der Espírito Santo (BES) aufgefallen.
Der neue Stresstest, der dem Weg in die Bankenunion vorgeschaltet wurde, war auch nicht mehr als eine Beruhigungspille. Er war so gestaltet, um "positive Ergebnisse" zu produzieren. Denn damit konnte die gemeinsame Bankenaufsicht gestartet werden, die den Weg in die Bankenunion ebnen soll. Jetzt kann, und das war das Ziel, das Geld europäischer Steuerzahler direkt aus dem ESM an Banken durchgereicht werden. 60 Milliarden stehen dem ESM für die direkte Banken-Rekapitalisierung zur Verfügung.
Die Krisenländer werden immer abhängiger von der Nullzinspolitik der EZB
Weder Irland noch Portugal waren erfolgreiche Rettungsfälle, auch wenn versucht wurde, uns dies mit einer Show zu verkaufen. Denn in der "Rettung" dieser Länder wurden die Schulden nicht verringert, sondern sie sind wie in Griechenland ebenfalls im Rahmen der Bankenrettungen explodiert. Die Verschuldungsquote von Portugal liegt bei 129% und in Irland 124% . Sie sind deshalb heute noch anfälliger für steigende Zinsen als vor ihrer "Rettung". Und um die Lage aufzuhübschen, wurde auch die Rückzahlung der gewährten Hilfskredite auf den St. Nimmerleinstag verschoben. Eigentlich hätte sie jetzt beginnen sollen. Doch allen ist klar, dass sie das trotz der angeblichen Genesung nicht leisten können und mit dem Verschieben von Zinszahlungen wird das Haushaltsdefizit dieser Länder in den nächsten Jahren geschönt.
Die Krisenländer werden also immer abhängiger von der Nullzinspolitik der EZB im Rahmen der Geldschwemme, mit der nur eine trügerische Ruhe geschaffen wurde. Um die aufrechterhalten zu können, greift die Notenbank zu immer gefährlicheren Maßnahmen. Nachdem schon begonnen wurde, den Banken gefährliche Asset Backed Securities (ABS) abzukaufen, soll nun im großen Stil der Ankauf von Staatsanleihen beginnen. Vermutlich wird auf der Ratssitzung am 22. Januar die umstrittene Maßnahme gestartet und damit die Notenpressen ungebremst in Gang gesetzt, wie es der EZB-Chef Mario Draghi immer wieder angekündigt hatte. Dabei verstößt das gegen die deutsche Verfassung. Doch das ficht die EZB nicht an, die in ihrer eigenen Politik gefangen ist.
Man darf gespannt sein, wie sich eine zuspitzende Grexit-Debatte oder ein realer Austritt oder Rauswurf real auswirken würden. Mit der EZB, auf der die Politik bisher ihre Rettung aufgebaut hat, kann kaum noch gerechnet werden, denn die hat ihr Pulver fast vollständig verschossen. Sollte eine gewisse Panik an den Finanzmärkten aufkommen, sind die Auswirkungen vermutlich alles andere als verkraftbar, wie Schäuble meint. Barry Eichengreen, Professor an der renommierten Berkeley-Universität warnt schon vor verheerenden Folgen. Ein Austritt sei wie die Pleite der US-Investmentbank Lehman Brothers nur "im Quadrat", erklärt der Wirtschaftshistoriker aus Kalifornien. "Auch wenn es teuer, schwierig und schmerzhaft wird, die Eurozone zusammen zu halten, wäre es noch teurer und schwieriger sie aufzuspalten", sagte er.