Die Nato soll Pipelines und Energieressourcen sichern
Europa, so Militärs, müsse mehr und vor allem effizienter aufrüsten, um die neuen Gefahren bekämpfen und seine Interessen weltweit sichern zu können
Die Nato, 1949 gegründet, diente ursprünglich dem Schutz vor einem kommunistischen Angriff und der "Verteidigung von Freiheit und Sicherheit ihrer Mitgliedsstaaten durch politische und militärische Mittel". Im Kalten Krieg ging es besonders um die Aufrechterhaltung des "strategischen Gleichgewichts" in Europa. Nach dem Kalten Krieg sollte das transatlantische Verteidigungsbündnis neben der Erweiterung durch Integration ehemaliger Ostblockstaaten neuen Aufgaben dienen, nämlich der Friedenssicherung, Konfliktverhütung, "nation building" und militärischen "humanitären" Interventionen zur Krisenbewältigung wie im ehemaligen Jugoslawien. Seit dem 11.9. sind der Kampf gegen den Terrorismus und dementsprechende Einsätze, auch präventiv, zu den Zielen hinzugekommen.
Der NATO-Oberbefehlshaber für Europa, der amerikanische Marinegeneral James Jones, würde das Aufgabenspektrum gerne ausweiten. Er beklagte wieder einmal die zu geringen Verteidigungsausgaben der europäischen Mitgliedsstaaten und forderte eine bessere Koordinierung. Die Europäer sollten ebenso wie das Pentagon eine Transformation einleiten und kleinere, besser ausgerüstete und schneller einsetzbare Einheiten aufstellen. Skeptisch betrachtet er die von den USA ungewünschte größere militärische Eigenständigkeit der EU, die eigene Eingreiftruppen aufstellt und Missionen wie im Kosovo unternimmt. Das aber strapaziere die Ressourcen und gehe auf Kosten der "kollektiven Sicherheit", wenn die Verteidigungsausgaben nicht steigen.
Damit geht Jones konform mit dem Bericht European Defense Integration: Bridging the Gap Between Strategy and Capabilities, den die Ex-Generäle Joseph Ralston, Nato-Kommandeur von 2000 bis 2003, und Klaus Naumann, ehemaliger Generalinspekteur der deutschen Bundeswehr und Vorsitzender des Nato-Militärausschusses, am Mittwoch vorgestellt haben. Dort wird der mangelnde politische Wille der europäischen Regierungen beklagt, die militärischen Kapazitäten zu verstärken. Zwar herrsche in Europa derzeit Frieden und Stabilität, so die Ex-Generäle, aber es gebe neue Gefahren: Neben dem internationalen Terrorismus und der Verbreitung von Massenvernichtungswaffen würden "zusammengebrochene Staaten (failed states), transnationales Verbrechen sowie interne und regionale Konflikte weiterhin die europäischen Interessen gefährden". Europa müsse weltweit seine Interessen schützen, wozu Europa auch die entsprechenden militärischen Kräfte brauche, die auch für eine gute transatlantische Beziehung notwendig seien, um ein "gleichrangiger Partner" mit den USA zu sein.
In the future, this gap between the rhetoric of strategy documents and summit pronouncements, on the one hand and the reality of Europes available military capabilities, on the other, threatens to grow even wider. As the EU security strategy makes clear, in the emerging security environment, Europe needs enhanced capabilities to, inter alia, combat terrorism and the proliferation of WMD, deal with failed or failing states, contend with regional conflicts and respond to humanitarian crises. Yet projected defense spending in most European countries is relatively flat or decreasing. Although some countries are making valiant efforts to increase their defense expenditures, all are facing daunting demographic trends that will likely constrain future defense investment.
Aus dem Bericht "Bridging the Gap
In dem Bericht, der vom Center for Strategic & International Studies veröffentlicht wurde, wird zur Schließung der Kluft zwischen strategischen Zielen und Kapazitäten zwar nicht direkt mehr Geld als die bislang jährlich für die Verteidigung ausgegebenen 160 Milliarden Euro gefordert, wohl eine kosteneffizientere Organisation: eine Transformation des Militärs und dessen nationenübergreifende Integration sowie Arbeitsteilung und Spezialisierung werden empfohlen, ebenso wesentliche höhere Investitionen in die Aufrüstung und in die Entwicklung neuer Militärstechnologien. Nur noch 40 Prozent der Ausgaben sollten in die Personalkosten fließen, um die technische Entwicklung stärker zu fördern. Ein Viertel des gesamten Rüstungsetats sollte in Forschung, Entwicklung und Kauf von Rüstungstechnologie gehen. Und natürlich sollen EU und Nato enger zusammen arbeiten.
In dem Bericht werden die Bedrohungen nur kurz erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Angesprochen wird aber die Sicherung europäischer Interessen, die eben dazu zwingen sollen, beispielsweise Deutschland, wie Verteidigungsminister Struck sagte, auch am Hindukusch verteidigen zu müssen. Dabei geht es aber, wie der Nato-Oberfehlshaber deutlicher sagt, nicht nur um Frieden- und Konfliktlösungen, sondern auch explizit um wirtschaftliche Interessen. "Wir brauchen", so James Jones am Mittwoch während einer Konferenz des Program on Atlantic Security Studies in Prag, "eine neue Allianz und eine neue Aufmerksamkeit für die Rolle der Industrie und der Unternehmen."
Als dringendes Beispiel nannte Jones die Aufgabe, dass die Nato, die in Zukunft noch weiter wachsen müsse, gemeinsam mit der Privatwirtschaft die Pipelines, die russisches Öl und Gas nach Europa bringen, vor Terroranschlägen sichern und die Häfen und Transportschiffe schützen müssten. Eine andere Aufgabe sei es, die Ölförderung an der westafrikanischen Küste zu sichern. Hier gebe es "Piraterie, Diebstahl, politische Unruhen und Spannungen zwischen dem Islam und dem Christentum", die ein "ernstes Sicherheitsproblem" darstellen. Die Ölkonzerne würden hier schon jährlich eine Milliarde Dollars für Sicherheitsvorkehrungen ausgeben. "In Zukunft", so Jones, "werden sich die Führungskräfte der Wirtschaft mit der Nato zusammen setzen müssen, um über die Sicherheit des wirtschaftlichen Fundaments zu sprechen."
Gerade fand die gemeinsame Übung französischer, belgischer und deutscher Truppen in Südfrankreich statt, in der eine Intervention in einem ölreichen Land simuliert wurde. In OAPEX 2005 wurden Truppen, politisch korrekt mit einem UN-Mandat ausgestattet, in ein Land geflogen, in das gerade ein Feind eingedrungen ist. Man wollte damit auch üben, eine militärische Intervention von Paris aus zu steuern, die Tausende von Kilometern stattfindet.