Die Ökonomie als Waffe
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Auch ohne Autozölle: Der Wirtschaftskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und Europa scheint bereits im vollen Gange
Kommt der Handelskrieg zwischen den USA und Europa? Anfang April berichtete der amerikanische Wirtschaftsdienst Bloomberg über die Handelsverhandlungen zwischen Washington und Brüssel, die ein erhebliches Konfliktpotenzial bergen.
Die rechtspopulistische Trump-Administration scheint entschlossen, ihren protektionistischen Wirtschaftskurs fortzusetzen und auf substanziellen handelspolitischen Zugeständnissen Berlins und Brüssels zu beharren. Das Risiko eines ausgewachsenen Handelskrieges sei folglich "nur zu real". Der regierende Rechtspopulist im Weißen Haus nannte die EU einen "Feind" der Vereinigten Staaten, er unterstütze den Brexit und bezeichnete die europäischen Handelspraktiken als "sehr unfair", so Bloomberg.
Ähnlich den deutschen Kameraden von der AfD, hege der derzeitige Präsident "sehr wenige Sympathien für das europäische Projekt". Folglich habe Trump den europäischen Handelsüberschuss von 140 Milliarden Euro gegenüber den USA ins Visier genommen - hauptsächlich "die deutschen Autoexporte".
Indes scheint der Wirtschaftskrieg zwischen Berlin, Brüssel und Washington angesichts der zunehmenden wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen bereits latent zu toben. Der drohende protektionistische Schlagabtausch würde somit eher eine neue Eskalationsstufe darstellen. Leichte Ziele geben derzeit vor allem jene Konzerne ab, die im neoliberalen Zeitalter ein hohes Maß an transatlantischer Verflechtung ausgebildet haben, was sie angesichts der neuen, protektionistischen Krisenphase besonders anfällig macht.
Ein erstes zentrales Schlachtfeld in diesen wirtschaftspolitischen Auseinandersetzungen, die eigentlich nur das europäische Hegemonialstreben Berlins und den geopolitischen Niedergang der USA als globale Hegemonialmacht spiegeln, scheint derzeit der Bayer-Konzern darzustellen. Die Existenz des deutschen Chemiegiganten steht aufgrund seiner kolossal gescheiterten, ehrgeizigen Expansionsstrategie auf dem Spiel.
Bayer im Visier der US-Justiz
Durch die Übernahme des US-Agrarkonzerns Monsanto, dessen Pestizid Glyphosat im Verdacht steht, krebserregend zu sein, ist Bayer nun einem "existenziellen Risiko" ausgesetzt, so der Spiegel in einer Einschätzung der erfolgreichen Klagen in Kalifornien gegen den Konzern.
Der durch jüngste Gerichtsurteile in Kalifornien ausgelöste Fall der Aktie könnte Bayer zu einem Übernahmekandidaten für "aggressive Investoren" machen, was die Option einer Zerschlagung des größten deutschen Agrar- und Chemiekonzern reell werden lasse, warnte der Focus. Der fusionierte Konzern sei inzwischen nur noch so viel wert wie Bayer vor der Übernahme des US-Konkurrenten, die rund 63 Milliarden Euro gekostet habe. Dies bedeute, dass Monsanto inzwischen "von den Investoren mit dem Wert Null angesetzt" werde.
Binnen eines Jahres hat das Bayer-Papier nahezu die Hälfte seines Börsenwerts eingebüßt. Was war geschehen? Am 19. März entschied ein US-Geschworenengericht in San Francisco, dass das glyphosathaltige Pestizit Roundup der Bayer-Tochter Monsanto krebserregend sei. Glyphosat solle einen "erheblichen Faktor" bei der Krebserkrankung des Klägers bilden. Damit schloss sich die sechsköpfige Jury den Einschätzungen mehrerer wissenschaftlichen Studien an, die einen Zusammenhang zwischen dem Pestizid und einem höheren Krebsrisiko konstatierten.
Die internationale Krebsforschungsagentur stufte Glyphosat als "wahrscheinlich krebserregend" ein - dies im Gegensatz zum Bundesinstitut für Risikobewertung, das keine diesbezüglichen Anhaltspunkte sehen wollte. Eine weitere Untersuchung stellte fest, dass vor allem die Anwender von Glyphosat - wie Landwirte oder Landarbeiter - ein um 41 Prozent erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs aufwiesen.
Zugleich existiert eine Reihe von Studien, die zwischen 2012 und 2016 von Chemiekonzernen in Auftrag gegeben wurden - und die kein Krebsrisiko konstatieren. Diese "Industrie-Studien" wiesen "zahlreiche Mängel" auf, konstatierte etwa der BUND Naturschutz in Bayern, sie würden aber von Behörden genutzt, "um über die Zulassung des Ackergifts zu urteilen".
Der Urteilsspruch in San Francisco war ein sogenannter Bellwether-Case, ein Musterfall, der als juristische Richtschnur für tausende weiterer Klagen gegen Bayer in den USA fungiert. In einem früheren Fall wurde dem krebskranken Kläger ein Schadensersatz von 78 Millionen US-Dollar zugesprochen. Bayer könne diese Prozesslawine in den USA leicht viele "Milliarden" kosten, hieß es in ersten Einschätzungen. Inzwischen sind Monsanto in den USA rund 11.200 Klagen zugestellt worden.
Es sind aber nicht nur die Milliardenkosten aufgrund der Prozesse, die für Bayer ein "existenzielles Risiko" darstellten. Das umstrittene Pestizid Glyphosat ist der weltweit meistverkaufte chemische Unkrautvernichter, der zudem im Verdacht steht, das dramatische globale Insektensterben mitzuverursachen.
Glyphosat als Symbol einer "chemiegetriebenen Landwirtschaft" generiert aber auch einen Großteil der Gewinne der kostspielig von Bayer aufkauften US-Tochter, worauf die taz aufmerksam macht. Zuletzt seien rund "70 Prozent des Monsanto-Betriebsgewinns" durch Produkte erzielt worden, die mit "Glyphosat im Zusammenhang" stünden. Die aktuellen Prozesse dürften folglich auch in der Europäischen Union und in Deutschland den Ruf nach einem Verbot des Pestizids lauter werden lassen.
Somit drohen der "schwer Erkrankten" Bayer AG nicht nur milliardenschwere Prozesskosten, sondern auch Gewinn- und Umsatzeinbrüche. Überdies hat in einer abermaligen "Hiobsbotschaft" für den Leverkusener Konzern die Stadt Los Angeles angekündigt, künftig auf das umstrittene Pestizid zu verzichten, bis das "Krebsrisiko endgültig geklärt" sei.
Auch für die Bundesregierung stellen die aufkommenden Übernahmeängste bei Bayer ein wirtschaftspolitisches Problem dar, konterkarieren sie doch dem Aufbau global dominierender, staatlich gestützter Monopolunternehmen ("Nationale Champions"), den Bundeswirtschaftsminister Altmaier im Rahmen seiner "Nationalen Industriestrategie 2030" forciert.
Indes scheinen die rechtlichen Auseinandersetzungen um Glyphosat inzwischen von der Dynamik der handelspolitischen Auseinandersetzungen erfasst worden zu sein - wenige Stunden nach Verkündung des Urteils in San Francisco verhängte die EU eine milliardenschwere Geldstrafe gegen den amerikanischen Internetkonzern Google.