Die Partei der Alternativlosigkeit sucht einen neuen Vorsitzenden

Seite 2: Die CDU ist eine West-Partei

Mal die Stirn in Denkerpose-Falten werfend, mal leicht nervös und angespannt auflachend, jedenfalls nie innerlich befreit. Denn Merz ist von inneren Dämonen gejagt; er sieht sich als ein Opfer; zu Unrecht erniedrigt und beleidigt vom Schicksal, das ihm, wie er es sieht, seine Bestimmung vorenthielt, das deutsche Volk zu führen und vom Partei-Establishment, das, wie er es darstellt, ihn, den doch Besten von allen und vom Schicksal Auserkorenen, ein weiteres Mal gegen den Willen der Mehrheit als CDU-Vorsitzenden zu verhindern trachtet.

Darum sinnt er auf Rache. Er will es allen zeigen: Dem Schicksal, dem Establishment und vor allem Angela Merkel. Merz ist der Hagen der CDU. Mehr als einen Speer hat er schon in Richtung der Drachentöterin im Kanzleramt geschleudert - tödlich war keiner, auch weil Merz ihre verwundbare Stelle nicht kennt.

Die Partei ist für Merz nur ein Mittel dieser persönlichen Rache. Er ist niemals ihr Diener, sondern immer Chef. "Aut Cesar, aut nihil" - "Caesar oder Nichts". Merz wäre es zuzutrauen, dass er die Partei als Ganze ins Verderben stürzt, weil sie sich seiner Führerschaft als nicht würdig erwiesen hat.

Zu beachten ist: Die CDU ist eine West-Partei, und alle drei jetzigen Kandidaten kommen aus dem klassischen westdeutschen Bundesland, aus Adenauers Stammland. Wie geht ein solcher westdeutscher Parteiführer mit den existenziellen Schwierigkeiten der Ost-CDU um?

Da hätte es Merz am leichtesten, als Kandidat der - innerparteilich allerdings nicht verankerten - reaktionären Werteunion. Aber er muss dann auch liefern. Das ist Merz' Dilemma. Denn wenn er im Osten liefert, der AfD also nach dem Mund redet, dann wird er im Westen verlieren. Und in der Mitte der Gesellschaft.

Schließlich: Merz' Außenwirkung wäre fatal. Merz polarisiert. Der langjährige Chef von BlackRock Deutschland würde einmal gewählt Wasser auf die Mühlen des Elitenbashings der AfD spülen. Merz könnte damit der AfD sogar noch zusätzliche Stimmen bringen. Und die Wähler der Mitte würden zu den Grünen und teilweise auch zur SPD überlaufen. Ein Wahlkampf gegen Merz als Mensch und Kandidat würde so geführt werden. Die CDU wird klug beraten sein, dies zu vermeiden.

Aus all dem folgt: Laschet wie Röttgen wären besser geeignet, um die Mitte zu halten und den Platz, den Merkel für die CDU in der Mitte erobert hat.

Die Mitte

Der persönlich langweiligste der drei Kandidaten ist Armin Laschet. Das scheint ein Nachteil zu sein, könnte ihm aber langfristig den entscheidenden Vorteil bringen. Zumindest bei allgemeinen Wahlen. Denn Laschet polarisiert nicht. Laschet bedient am ehesten Schutzinstinkte der Wähler. Er verspricht Sicherheit. Laschet ist sympathisch, er ist vertrauenswürdig, er wirkt nicht gefährlich.

In einer unsicheren Situation, wie wir sie im kommenden Jahr haben werden, sind vielleicht genau dies die Eigenschaften, die Laschet zum besten Kandidaten in einer Situation der Unsicherheit machen. Laschet hat immerhin gezeigt, dass er nicht gefährlich ist, und er hat gezeigt, dass er die Interessen "der Menschen", wie er sagen würde, also der normalen Bürger, im Blick hat - mehr als seine Prinzipien. Mehr auch als die hochfliegenden Pläne, die Röttgens Handeln zu leiten scheinen.

Gegenüber Laschet und Merz ist Röttgen mit seiner runden Brille geradezu ein Jugendlicher. Röttgen wirkt von den drei Kandidaten als mit sich selbst am Reinsten. Er muss nichts beweisen, er hatte seine politische Zukunft längst hinter sich, als sich im vergangenen Februar plötzlich mit dem AKK-Rücktritt ein Fenster auftat. Politisch bereits tot hat er nichts zu verlieren, aber alles zu gewinnen.

Das gibt seinen Auftritten ein frisches mutiges Flair und solcher Mut macht glaubwürdig. So repräsentiert Röttgen eine "freischwebende Intelligenz" (Karl Mannheim), wie man sie seit Jahrzehnten nicht mit der CDU assoziiert hätte - gelegentliche Schäuble-Interviews eingerechnet.

Wenn Merz Bauch und Unterleib der CDU ist, dann ist Laschet das Herz. Und Röttgen ist der Kopf.