Die Pforten der Wahrnehmung

Netz-Portale

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Die Sites von Netscape oder Microsoft verstehen sich als "Portalsites", als Eingangstore zum Internet.

Klicken Sie bei Ihrem Browser im Menue mal auf den Punkt "Bearbeiten", dann auf "Einstellungen". Was sehen Sie links in der Mitte in dem Formular, das sich jetzt öffnet? Wenn Sie den Netscape Navigator 4.0 benutzten, steht dort wahrscheinlich: "Klicken auf die Taste Anfang lädt die folgende Seite: home.netscape.com/; beim Microsoft Internet Explorer ist an dieser Stelle garantiert die Homepage von Microsoft eingetragen.

Diese Seite werden nun jedesmal geöffnet, wenn der User seinen Browser öffnet, um im WorldWideWeb zu surfen. Man könnte jede beliebige URL als Startseite eintragen, aber Millionen von Internet-NutzerInnen haben die Homepages der beiden führenden Browserhersteller als sogenanntes "Default" fest eingestellt - und das bringt Netscape und Microsoft massenweise Surfer auf die Seiten. Nachdem die beiden Software- Konzerne die "Augäpfel", die ihnen so gratis geliefert werden, zunächst mit Werbung und Gratis-Downloads belieferten, hat sich die Strategie in der letzten Zeit geändert. Nun betrachten die Unternehmen ihre Sites als sogenannte "Web-Portale", als Eingangstore zum Internet. Tritt ein, lieber Netzsurfer, und bring Geld herein.

Und die Portale des Internets sind reich geschmückt: Statt Eigenwerbung packen Microsoft und Netscape ihre Eingangseiten jetzt mit Dienstleistungen voll, und fast jede Woche kommen neue hinzu: waren es am Anfang nur Kurzmeldungen mit aktuellen Nachrichten, gibt es inzwischen bei Netscape verschiedene Suchmaschinen zur Auswahl, eine internationale Presseschau und Diskussionsforen, die von Moderatoren betreut werden. Bei Microsoft sieht das Angebot ähnlich aus, allerdings stehen hier auch noch Videos von dem Microsoft-Fernsehsender MSNBC bereit. Seit Microsoft den Webmail-Dienst Hotmail gekauft hat, kann man sich auch eine eigene Mailbox einrichten. Wer etwas Geduld mitbringt, kann eine personalisierte Homepage zusammenstellen, die dann Meldungen und Informationen nach einem individuellen Speiseplan präsentiert.

Auch der individualisierten Werbung sind so quasi Tür, Tor und Portal geöffnet: Darum wollen nicht nur Microsoft und Netscape, sondern auch Suchmaschinen wie Yahoo, Lycos, Infoseek oder Excite sich als Königsweg ins Internet anbieten, und liefern soviel Informationen, daß man ihre Sites eigentlich gar nicht mehr verlassen muß: Wetterberichte, Börsenkurse, Veranstaltungshinweise, Chats, Gelbe und Weiße Seiten, "Shopping Channels" und Homepage-Hosting machen die Sites der Internet-Portale zu Pforten der Wahrnehmung. Auch AOL, Tripod und GeoCities versuchen, sich als Portal-Sites hervorzutun. Und je mehr Zeit der Surfer auf diesen Seiten verbringt, desto mehr kann man durch Werbung auch mit ihm verdienen.

Was für den User so benutzerfreundlich wie möglich erscheinen soll, ist Resultat vieler Geschäfte und Winkelzüge der Anbieter hinter den Kulissen: Allein die Plazierung der verschiedenen Suchmaschinen auf der Netscape-Homepage erfolgt nach einer Methode, die für Außenstehende kaum nachzuvollziehen ist und die beteiligten Unternehmen viel Geld kostet. Wer sich als "Premier Engine" mit eigener Eingabe-Leiste auf der Netscape-Seite plazieren will, muß mehrere Dollarmillionen anlegen, und sich diese Position noch mit drei anderen Konkurrenten teilen. Nach dem Zufallsprinzip wird jedesmal eine andere Search Engine angezeigt, wenn man sich bei Netscape einloggt. Yahoo gehören neuerdings übrigens nicht mehr dazu - das Unternehmen hat entscheiden, daß es selbst "Portal" sein will, und darum nicht mit der Konkurrenz von Netscape kooperieren kann.

Nachdem Netscape auf dem Browsermarkt von Microsoft auf nur noch knapp über 50% gedrückt worden ist, will das Unternehmen jetzt offenbar verstärkt ins Content-Geschäft einsteigen. Mit einer neuen Version seiner Navigator Software will das Unternehmen "Smart Browsing" möglich machen, für die schon im Browser eine Stichwortsuche einprogrammiert sein wird. Damit sollen die Surfer sich schneller im Netscape Center 2.0 zurechtfinden, und dieser Site den "Look&Feel" einer Desktop-Oberfläche geben, die man eigentlich gar nicht mehr verlassen muß. Auf den Vorwurf, das Unternehmen würde damit genau die Integration von Browser und Betriebssystem vollziehen, wegen der Microsoft gerade vom amerikanischen Justizministerium belangt wird, reagiert das Unternehmen gelassen:

"Wir haben kein Monopol. Wir sorgen lediglich dafür, daß zwei unserer Produkte zusammen funktionieren."