Die Pose des Protests - Laizismus als Symbol der Verwestlichung
Seite 2: Widerstand in der Bevölkerung
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Die exklusive Politik der aktuellen Machthaber provoziert seinerseits Protest. Nicht nur marginalisierte Gruppen können erfolgreich gegen die Regierung mobilisieren. Besonders in Indien hat sich eine akademisch-säkulare Protestkultur etabliert, die auf einer erfolgreichen laizistischen Tradition aufbauen kann.
Die vergangenen Proteste gegen ein anti-muslimisches Einbürgerungsgesetz verdeutlichen, dass der akademisch-säkulare Protest für die BJP-Regierung gefährlich werden kann. Die Geschichte zeigt, dass bürgerlicher Protest dann erfolgreich ist, wenn es ihm gelingt, von den Institutionen der Gesellschaft aufgenommen zu werden. Aufgrund der klassisch laizistischen Strukturen Indiens und der Türkei reagieren die aktuellen Machthaber besonders konsequent auf diesen Protest.
Die Autokraten zeigen kein Interesse, den akademisch-säkularen Protest in bürokratische Prozesse zu übersetzen. Damit provozieren sie einerseits die Steigerung der Protestsemantik und schwächen andererseits die eigene Machtbasis. Durch die konsequente autoritäre Politik verlieren sie politischen Rückhalt.
Die Pose des anti-westlichen Protests
In dieser schwierigen Lage ist die charismatische Pose eines anti-westlichen Protests ein geschickter Kunstgriff. In einem prominenten Vademecum zur Funktion des Protests beschreibt der Soziologe Armin Nassehi Formen der charismatischen Motivierung von Protestteilnehmern. Die Performanz dieser charismatischen Pose zur Stabilisierung des Verhaltens kann hier adaptiert werden:
Die Inszenierung des religiösen Nationalismus als Schutzschild gegen eine vermeintliche Verwestlichung der Gesellschaft ist aufgrund der Kolonisations- und Marginalisierungserfahrung besonders anschlussfähig. Der performative Charakter der Pose entlastet zugleich von der Reflexion. Die eigene exklusive Politik wird in einer charismatischen Situation stabilisiert und gegen etwas Äußeres legitimiert.
Doch die charismatische Motivation des religiösen Nationalismus kämpft ebenfalls mit den klassischen Problemen des Protests. Er muss sich aus sich selbst heraus verstetigen. Protestkommunikation als Politikkommunikation setzt auf einen niedrigschwelligen Zugang, der zur Teilnahme einlädt, sich im Laufe der Zeit jedoch verflüchtigt.
Für die akademisch-säkularen Protestbewegungen werden sich langfristig neue Möglichkeiten bieten. Bürgerlicher Protest entsteht dort, wo Hoffnung auf Änderung besteht. Er zwingt eine Gesellschaft, sich mit ihren Problemen auseinanderzusetzen. Die Renaissance eines modernen und individuell interpretierten Laizismus scheint daher langfristig möglich.