Die Rechte gehört zur EU seit deren Gründung

Salvini und Orban. Bild: Szecsődi Balázs/Miniszterelnöki Sajtóiroda, Árvai Károly/kormany.hu/

Die Gegenüberstellung liberales gegen illiberales Europa ist propagandistisch und nützt den Parteien des Status quo - Ein Kommentar

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In den letzten Wochen brachten zwei Wahlen in den EU-Staaten Spanien und Finnland rechten Parteien Erfolge. In Spanien kam erstmals die neue Rechtspartei Vox in das Parlament. EU-Gremien wie auch viele Medien sprachen davon, dass seit dem Ende der Franco-Ära erstmals ultrarechte Parlamentarier in das spanische Parlament einziehen.

Doch die mediale Darstellung, dass mit Vox erstmals in der Nachfranco-Ära Ultrarechte im spanischen Parlament vertreten sind, ist falsch. Richtig ist vielmehr, dass die Ultrarechten bisher nicht in einer eigenen Parteiformation, sondern innerhalb der Partido Popular (Volkspartei, PP) beheimatet waren. Die langjährige spanische Regierungspartei ist fester Bestandteil des Bündnisses Europäischer Volksparteien (EVP) im EU-Parlament gemeinsam mit der CDU/CSU. Bis vor kurzen gehörte der EVP auch die ungarische Regierungspartei Fidesz an.

Finnland

In den Medien wurde positiv vermerkt, dass die finnische Sozialdemokratie stärkste Partei wird. Allerdings gewann sie mit einem nur hauchdünnen Vorsprung vor der Rechtspartei Wahre Finnen, die sich bereits vor mehreren Jahren von den finnischen Konservativen abgespalten hat und schon Regierungspartei war.

Nachdem sich bei den Wahren Finnen der ultrareche Flügel durchgesetzt hatte, spaltete sich die Partei in die sogenannten moderaten Ultrarechten, die in der Regierung verblieben waren, und den nicht regierungsfähigen Ultra-Rechten, die jetzt fast stärkste Partei wurden.

Was bedeutet die Rede von den antieuropäischen Rechten?

Nun wird den verschiedenen Rechtsparteien oft von Sozialdemokraten und Liberalen aller Couleur vorgeworfen, sie seien antieuropäisch. Es ist selber eine propagandistische Parole, denn die Rechten sind nicht per se gegen Europa oder die EU, sie vertreten vielmehr andere Vorstellungen von der EU als beispielsweise Sozialdemokraten.

Die Rede von den "rechts- und linkspopulistischen Anti-Europäern" ist einem EU-Nationalismus der Mitte verhaftet, der bestimmte politischen Kräfte nicht inhaltlich kritisiert, sondern mit dem Vorwurf, sie gehörten nicht zu Europa, aus der imaginierten Gemeinschaft ausschließt. Ein solcher Ein- und Ausschluss ist seit jeher ein Kennzeichen des Nationalismus.

So hat man bestimmten politischen Kräften vorgeworfen, nicht zu Deutschland oder einem anderen Nationalstaat zu gehören. Überwiegend sind Linke und liberale Intellektuelle vom Vorwurf der "vaterlandslosen Gesellen" bzw. des Kosmopolitismus betroffen. Eine nichtnationalistische Kritik sollte daher niemandem vorwerfen, nicht zu Europa und zur EU zu gehören, sondern die Positionen inhaltlich kritisieren.

Die Rechte gehört zu Europa und der EU

Mit dem rhetorischen Ausschluss der Rechten aus der EU will man suggerieren, diese hätte damit nichts zu tun. Solche Exklussionsversuche hat die Band "Goldene Zitronen" bezogen auf die Nazis-raus-Parolen in Deutschland schon vor Jahren gut gekontert:

Was solln die Nazis raus aus Dütschland?
Was hätte das für ein Sinn?
Die Nazis können doch net naus, denn hier jehörn se hin

Goldene Zitronen

Ein kurzer historischer Exkurs zeigt, dass die Rechten auch zur EU gehören, seit sie gegründet wurde. So war Franco-Spanien, nicht Mitglied, aber Verbündeter von EU und Nato im Kalten Krieg. Zudem war Spanien, und in geringerem Maße auch Portugal, Vorbild europäischer Altnazis. Franco-Spanien diente ihnen als Rückzugsort, aber auch ideologisch wurde es bis weit ins klerikale und konservative Lager als abendländisches Bollwerk gegen Liberalismus, Feminismus, Sozialismus und Kommunismus gefeiert.

In fast allen EU-Ländern waren die Rechten außerhalb der konservativen und christdemokratischen Parteien bis in die 1990er Jahre in der Isolation. Die staatstragenden Rechten vertraten deren Inhalte aber genauso gut. Ein gutes Beispiel dafür war der langjährige CSU-Vorsitzende Franz-Josef Strauß, für den es rechts von der CSU keine wählbare Partei geben durfte. Daher integrierte er ultrarechte Inhalte in seinen politischen Diskurs, die heute sogar bei der AfD nicht unwidersprochen bleiben würden. So klassifizierte er linke Gegner so:

Diese Personen nützen nicht nur alle Lücken der Paragraphen eines Rechtsstaates aus, sondern benehmen sich wie Tiere, auf die die Anwendung der für Menschen gemachten Gesetze nicht möglich ist ...

Franz-Josef Strauß über eine Protestaktion der Apo in Bamberg, 1969

Das betrifft auch Positionen zur NS-Vergangenheit. Schon Ende der 1960er Jahre wollte Strauß von Auschwitz nichts mehr hören.

Ein Volk, das diese wirtschaftlichen Leistungen erbracht hat, hat ein Recht darauf, von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen!

Franz-Josef Strauß, 1969

Weitere Beispiele dazu kann man in der Wochenzeitung Die Zeit finden.

Jörg Haider oder der modernisierte Rechte

Nach der Übernahme des Vorsitzes der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ) Ende der 1990er Jahre spielte Haider die Rolle eines postmodernen Rechten, der es verstanden hatte, ultrarechte Inhalte modern zu vermitteln. Ein damals viel beachtetes Beispiel war der Haider-Auftritt bei Talk in Berlin im Jahr 2000. Haider wurde zum Vorbild sämtlicher rechter Gruppen.

Vor allem in Deutschland demonstrieren NPD und Co mit Haider-Bildern und dem Slogan "Mein Freund ist Österreicher". Realpolitisch nur mäßig erfolgreich, weil er sich auch mit seinen FPÖ-Kollegen zerstritt, wurde Haider zum Modell einer Rechten, die sich vom Ruf des rechten Narrensaums freimachen wollte, inhaltlich aber weitgehend auf Linie blieb.

In Italien agierte Silvio Berlusconi als kapitalistischer Self-Made-Mann à la Trump, der die Rehabilitierung des italienischen Faschismus erfolgreich bewerkstelligte. Er holte die Partei der Mussolini-Erben Alleanza Nazionale aus der politischen Isolierung.

AN-Chef Fini wurde Innenminister und war in dieser Funktion für die Massenrepression gegen Gipfelgegner in Genua im Juli 2001 verantwortlich, die wegen ihrer besonderen Brutalität, die die bürgerliche Repression überschritt, auch als Einbruch des Faschismus in die EU bezeichnet wurde.

Pim Fortuyn in den Niederlanden wiederum stand um 2000 für eine Rechte ohne NS-Bezug. Er sprach sich gegen Migration und den Islam aus, argumentierte dabei auch mit dem Schutz von Minderheiten, die sonst von den Rechten angegriffen wurden, z.B. den Homosexuellen.

Schon habituell das Gegenteil von Pim Fortuyn war Jean-Marie Le Pen, der Vorsitzende des Front National. Er war ein Vertreter der alten Rechten in Frankreich, stand für jene Gruppen, die mit der NS-Besatzung kooperiert hatten, war glühender Verteidiger des Kolonialismus und wurde wegen Relativierung der Shoah verurteilt.

Es wäre 2002, als Pim Fortuyn von einem Tierschützer erschossen wurde, undenkbar gewesen, dass er und seine Bewegung mit Le Pen und Co. paktiert hätten. Neben der Haltung zum NS war ein klarer Trennungsstrich die Positionierung zu Israel. Pim Fortuyn bekannte sich klar zum Existenzrecht Israels, Le Pen machte immer wieder mit erklärt antisemitischen Äußerungen Schlagzeilen und ließ sich mit verurteilten Antisemiten fotografieren.

Allerdings war seine Haltung zu Israel ambivalenter. So verglich Le Pen die israelische Besetzung des Westjordans mit dem französischen Kolonialismus in Algerien, auf den er sich positiv bezog und lobte Israel dafür, dass man sich dort nicht wie Frankreich zurückgezogen habe, das Algerien verlassen hatte. Hier kündigte sich schon in Ansätzen eine rechte Position an, die Israel als Bollwerk gegen den Islamismus versteht und verteidigt.

Wie konnte es dazu kommen, dass heute die Erben Pim Fortuyns wie der holländische Rechtspopulist Wilders mit der Partei Le Pens paktieren? Wieso sind heute Bewegungen wie die Wahren Finnen sogar zu solchen Kooperationen bereit, obwohl sie lange nicht mit Gruppen wie Front National in Verbindung gebracht werden wollten?