Die Rechte gehört zur EU seit deren Gründung

Seite 2: Das Ende des linken griechischen Frühlings 2015 und der Aufstieg der Rechten

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Ein Grund für diese Zäsur innerhalb der Ultrarechten war die Griechenland-Krise. Der Aufstieg der Rechten war eine Folge der Niederlage des kurzen "linken Frühlings" nach dem Syriza-Wahlsieg 2015.

Damals gingen überall in Europa Menschen mit der Forderung auf die Straße, dass eine EU ohne Austeritätsdiktat möglich sein müsse. Dem setzten Liberale und Konservative eine Hetze gegen "die Pleitegriechen" entgegen.

In Deutschland erzielte die Springerpresse mit Schlagzeilen wie "Pleitegriechen - Verkauft Eure Inseln" Verkaufserfolge. Die Kampagne gegen angeblich "deutsche Steuergelder an die Pleite-Griechen" kam aus der sogenannten bürgerlichen Mitte. Besonders heftig geführt wurde die Auseinandersetzung damals in der FDP.

Rechte wirtschaftsliberale Ökonomen, denen die FDP in dieser Frage zu weich geworden war, gründeten eine neue Partei, die die harte Währung gegen die sozialen Bewegungen der europäischen Peripherie verteidigen wollte. Sie nannte sich AfD. Obwohl einige der Gründungsväter mittlerweile die Partei im Streit verlassen müssen, hält die AfD auch heute noch an den Gründungsprinzipien fest.

Dazu gehört ein Wirtschaftsliberalismus und eine Ausgrenzung von sozial Schwachen, egal, ob sie an der europäischen Peripherie oder außerhalb der EU leben. Aber auch "freche Arbeitslose" werden zum Feindbild erklärt. Das SPD-Mitglied Thilo Sarrazin wurde mit seinen Thesen von bürgerlichen Medien hofiert und von allen Rechten goutiert. Er war der Stichwortgeber für diesen Sozialchauvinismus, der damals von links kritisiert und richtigerweise in der Mitte der bürgerlichen Gesellschaft der europäischen Länder verortet wurde.

Die Niederlage des kurzen linken Frühlings von 2015 führte auch zu einer Umgruppierung der europäischen Rechten. Der NS-Narrensaum wird heute noch von der NPD, der Goldenen Morgenröte in Griechenland und zum großen Teil von Jobbik in Ungarn vertreten. Die Mehrheit der Rechten hingegen hielt offiziell dazu Abstand. Für sie setzte sich der Begriff Rechtspopulisten durch.

Die Migrationsbewegung 2015, die immer als Flüchtlingskrise bezeichnet wird, war nicht der Auslöser des rechten Aufstiegs, führte aber zu einer Stärkung der Rechten. Dort konnte sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán als effektiver Grenzschließer betätigen, was von den bürgerlichen Politikern anderer EU-Ländern durchaus akzeptiert und goutiert wurde.

Orbán als Vorbild der Rechten

So wurde Orban zum neuen Vorbild der Rechten. Es ist ebenfalls ein originär bürgerliches Gewächs. Fidesz entstand aus den antikommunistischen Jungliberalen aus der Spätphase des Nominalsozialismus. Ökonomisch ist die Partei streng wirtschaftsliberal ausgerichtet, was auch von deutschen Kapitalfraktionen, die in Ungarn produzieren lassen, sehr positiv aufgenommen wird.

Die Fidesz ist für die EU-Mitgliedschaft Ungarns und gleichzeitig für das Modell des "Europa der Heimatländer". Im Kampf gegen Liberalismus, Feminismus und Genderstudien an den Hochschulen verkörpert Orban einen neuen Konsens der Rechten, die neue Kooperationen beispielsweise zwischen Wahren Finnen, Wilders, Lega Nord, AfD möglich machen und alte Gräben innerhalb der Ultrarechten einebnen.

Doch bisher war Orbans Fidesz Partei anerkannter Teil der EVP und gerngesehener Gast von CSU-Chef Horst Seehofer. Nun gibt es Zerwürfnisse zwischen EVP und Fidesz. Aber erst nach den Europawahlen wird sich zeigen, ob das momentane Zerwürfnis zwischen Fidesz und EVP dauerhaft ist. Dann könnte Orban Teil eines neuen Blocks rechts von der EVP werden.

Es kann allerdings auch sein, dass die EVP auf ihre rechten ungarischen Grenzschützer in der Fraktion nicht verzichten will. Kürzlich hat Bundeskanzlerin Merkel mit Äußerungen, in denen sie sich von den Ultrarechten abgrenzt, auch innerhalb ihrer Partei für Diskussionen gesorgt. Die Ergebnisse der EU-Wahlen werden auch über den Ausgang dieses Streits entscheiden.

Wenn es bei der EVP knapp wird, könnte die Bereitschaft auf Fidesz zuzugehen, wieder größer werden. Schließlich profilieren ja auch deren Kritiker in den verschiedenen EU-Ländern von deren Grenzschließungspolitik.

Orbán: Wie Antisemitismus mit einer Pro-Israel-Politik zusammengeht

Orban vertritt eine dezidierte Pro-Israel-Haltung mit einem auf Soros bezogenen Antisemitismus und wird auch in diesen Punkt zum Modell der europäischen Rechten.

Der Investor George Soros wird von diesen Rechten zum Inbegriff des heimat- und wurzellosen Juden, der angeblich Nationen zerstöre. So lauten die klassisch antisemitischen Topoi gegen Liberalismus, Kosmopolitismus und angeblich wurzellose Kapitalisten. Es gab von der ungarischen Regierung mehrere antisemitische Kampagnen gegen Soros, dem auf Plakatwänden vorgeworfen wurde, mit der Einschleusung von Flüchtlingen die Nationen zu zerstören.

Der Rechten ist schon zu Zeiten Haiders an einem guten Verhältnis zu Israel gelegen gewesen. Dabei sind durchaus antisemitische Vorstellungen von der "Macht der Juden/Israels in der Welt" entscheidend. Während der eine Teil der Rechten antisemitisch gegen Israel hetzt, das für sie die imaginierte "Macht der Juden" darstellt, will die moderne Fraktion der Rechten sich mit "dieser Macht" gutstellen.

Der israelbezogene Antisemitismus wird ersetzt durch den alten Antisemitismus gegen "wurzellose, antinationale Kräfte" und das angesprochene Klientel weiß, dass damit Juden gemeint sind. Haider schaffte es nicht, gute Kontakte zu Israel zu bekommen, weil er in seiner politischen Vita enge Kontakte zu arabischen Regimen wie Libyen unterhielt. Seine Erben in Österreich und anderen EU-Ländern sind erfolgreicher bei dem Spagat, eine Pro-Israel-Politik mit einem Antisemitismus zu verbinden.