Warum die G7-Staaten noch zögern, russische Vermögen zu beschlagnahmen
Deutschland und Japan fürchten, von der Vergangenheit eingeholt zu werden. Sie sehen die Gefahr eines juristischen Präzedenzfalls, der sie Billionen kosten könnte.
Die Gelder der russischen Zentralbank wurden von den EU-Ländern und den G-7-Staaten eingefroren. Man ist sich einig, dass die Ukraine mit diesen Geldern unterstützt werden soll. Doch wie dies konkret umgesetzt werden soll, spaltet die Staatengruppen.
Kontroverse um russische Zentralbankgelder
Die USA plädieren dafür, die russischen Zentralbankguthaben zu konfiszieren. Deutschland und Japan sprechen sich dagegen aus. Dabei spielt zum Teil der Gedanke eine Rolle, dass Europa von der Gegenreaktion Russlands besonders betroffen sein und die europäische Gemeinschaftswährung unter Druck geraten könnte.
Schwerwiegender dürfte jedoch die Befürchtung sein, einen juristischen Präzedenzfall zu schaffen, der Deutschland und Japan noch viel teurer zu stehen kommen könnte. Und daran könnte der US-Plan scheitern, da der weitaus größte Teil der russischen Gelder bei der europäischen Clearingstelle Euroclear lagern.
Die Gefahr eines Präzedenzfalls
Berlin und Tokio könnten von der Geschichte eingeholt werden, wenn russische Vermögenswerte beschlagnahmt werden. Beide Länder, Deutschland und Japan, waren im Zweiten Weltkrieg für zahlreiche Verbrechen verantwortlich, und noch immer stehen Reparationsforderungen im Raum. Diese könnten durch die Konfiszierung deutschen oder japanischen Eigentums beglichen werden, sobald ein entsprechender Präzedenzfall geschaffen wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg beschlossen die Siegermächte, dass Deutschland Reparationen zahlen müsse. Allerdings: Nur Ostdeutschland, die ehemalige DDR, musste tatsächlich für die Schäden des Zweiten Weltkriegs aufkommen. Westdeutschland stellte bereits 1946 die Reparationszahlungen an die Sowjetunion ein. Und mit dem Londoner Schuldenabkommen von 1953 wurde es von den Westalliierten von weiteren Zahlungen befreit.
Deutschland und die offenen Reparationsforderungen
Seit der sogenannten Wiedervereinigung steht die Bundesrepublik Deutschland vor dem Problem, dass die Frage der Reparationen nicht mit allen Ländern, mit denen sich Deutschland im Krieg befand, friedensvertraglich geregelt ist. Der "2+4-Vertrag" von 1990 regelte auch nur das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zu den vier Hauptsiegermächten.
Auf dieser Grundlage hat Polen noch Forderungen an Deutschland, die von polnischer Seite auf 1,3 Billionen US-Dollar geschätzt werden. Griechenland stellt seit Jahren Forderungen in Höhe von rund 300 Milliarden US-Dollar.
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Ähnlich sieht sich Japan noch mit Reparationsforderungen aus dem Zweiten Weltkrieg konfrontiert. Südkorea und andere Nachbarstaaten erheben Ansprüche.
Deutschland beharrt auf geltendem Völkerrecht
Deutschland argumentiert, dass das Völkerrecht Einzelpersonen verbietet, vor ausländischen Gerichten Ansprüche gegen Staaten geltend zu machen, und Staatsvermögen vor Beschlagnahme geschützt ist. Eine Verletzung dieses Prinzips im Falle Russlands würde die langjährige Rechtsposition Deutschlands untergraben, so Berliner Beamte laut Wall Street Journal (WSJ).
Die politische Position geht also noch einen Schritt weiter und argumentiert, dass die russischen Vermögenswerte unangetastet bleiben sollten. Es solle später als Druckmittel gegen Moskau eingesetzt werden, um den Kreml zur Rückgabe eines Teils des besetzten ukrainischen Territoriums zu bewegen.
USA fordern Maßnahmen gegen Russland
Washington argumentiert dagegen, es sei nach internationalem Recht zulässig, ansonsten unrechtmäßige Gegenmaßnahmen gegen ein Land zu ergreifen, wenn es seine internationalen Verpflichtungen verletzt. Juristen und Politiker in den USA betonten laut WSJ, dass Russlands Invasion in der Ukraine diesem Prinzip entspricht. Allerdings gehen die Meinung hier an dem Punkt auseinander, ob ein anderes Land als die Ukraine berechtigt ist, Gegenmaßnahmen zu ergreifen.
Innerhalb der G-7 zeichnet sich möglicherweise ein komplizierter Kompromiss ab. Die USA haben vorgeschlagen, dass die Gruppe zehn Jahre lang Gewinne – im Wesentlichen Zinszahlungen auf fällige Vermögenswerte – aus den eingefrorenen Fonds vorfinanziert. Dieses Geld würde als Sicherheit für eine Anleihe dienen, die von einer von den G-7-Staaten gegründeten Zweckgesellschaft ausgegeben wird, um Geld für die Ukraine zu beschaffen. Die G-7-Länder würden für die Schulden bürgen.