Die Rezession soll angeblich zu Ende sein
In Deutschland und Frankreich wurde angeblich bereits zweiten Quartal wieder ein geringes kleines Wachstum verzeichnet
Glaubt man den vorläufigen Daten von Statistikern in Frankreich und Deutschland, dann wäre die Rezession eigentlich schon wieder vorbei. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat mitgeteilt, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im 2. Quartal 2009 preis-, saison- und kalenderbereinigt gegenüber Vorquartal um 0,3 % zugelegt haben soll. Zuvor war die Wirtschaft vier Quartale in Folge geschrumpft. Im Vorquartal war es noch ein Minus von 3,5 %, der stärkste Rückgang seit Beginn der Berechnung amtlicher Quartalsergebnisse im Jahr 1970 verzeichnet worden.
So hören sich die Zahlen ganz gut an, doch sie sind vor allem den zahllosen Programmen zur Konjunkturförderung weltweit geschuldet. "Die Rezession ist vermutlich zu Ende", man komme nun in eine Phase der Stabilisierung und eines leichten Wachstums, frohlockt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) trotz allem schon einmal. Und man darf gespannt sein, wann dort die Forderung nach einer weiteren Mehrwertsteuererhöhung erneut und vehementer vorgetragen werden. Denn die teuren Programme und die Bankenrettungen müssen schließlich vom Steuerzahler noch bezahlt werden, denn sie haben die Neuverschuldung schließlich auf neue Rekordwerte getrieben.
Doch schaut man sich die Konjunkturzahlen im Jahresvergleich an, gibt es nicht viel zum Frohlocken. Im Vergleich zum zweiten Quartal 2008 ging das preisbereinigte BIP um 7,1% zurück. Ohnehin handelt es sich nicht um eine "finale" Berechnung der Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen (VGR), weil die notwendigen Basisstatistiken dafür nicht vorliegen. Da Neuberechnung normalerweise "Veränderungsraten des jährlichen und vierteljährlichen BIP (Ursprungswerte)" ergeben, "die um bis zu 0,3 Prozentpunkte von den bisher veröffentlichten Ergebnissen abweichen", ist zu vermuten, dass vielleicht gerade ein Bodensatz erreicht wurde. Die vielen Programme also vielleicht dazu geführt haben, dass die Wirtschaft nicht noch weiter schrumpft. Eine ausführlichere Berechnung gibt das Bundesamt erst am 25. August 2009 bekannt.
Wer denkt, die Probleme sind vorbei, liegt falsch. So weisen verschiedenste Experten darauf hin, dass die realen Probleme alle weiter bestehen, insbesondere ist der Bankensektor nach wie vor auf den staatlichen Schutzschirm angewiesen. Japan ist zudem ein mahnendes Beispiel. Dort hatte es fast 15 Jahre gedauert, bis die Folgen der geplatzten Immobilienblase ausgestanden waren. Nur kurze Zeit später wurde das Land von der derzeitigen Finanz- und Wirtschaftkrise wieder voll erwischt. Besonders sollte hier mahnen, dass die Deflationstendenzen immer stärker werden, die Japan so schwer gebeutelt hatten.
Trotz aller frohen Botschaften stimmt das DIW die Deutschen aber darauf ein, demnächst doch den Job noch verlieren zu können. "Als Risiko bleibt ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit." Wenn im Herbst die Kurzarbeit verstärkt zu Entlassungen führt, dämpfe das die Löhne und damit den Konsum, der bisher in Deutschland relativ stabil blieb, eben weil die Krise, anders als zum Beispiel in Spanien, noch nicht voll auf den Arbeitsmarkt durchgeschlagen hat. Dort gibt es mit 4,1 Millionen offiziell gezählten Arbeitslosen mehr als in Deutschland, bei der Hälfte der Bevölkerung.
Auch Frankreich gibt sich schon positiv. Der wichtige Handelspartner Deutschlands habe ebenfalls ein Wachstum von 0,3 % verzeichnen können, erklärte die französische Wirtschaftsministerin Christine Lagarde. Die französische Wirtschaft sei nach den vorläufigen Quartalszahlen zum ersten Mal seit einem Jahr wieder leicht gewachsen. Vor allem die positive Entwicklung im Bereich des Außenhandels habe dazu beigetragen, denn die Exporte seien um ein Prozent gestiegen, nachdem sie im vorangegangen Quartal noch um 7,1 % gefallen seien. Vermutlich hat sich hier aber auch deutlich die Mehrwertsteuersenkung in einigen Bereichen stimulierend ausgewirkt.
Verhaltener Optimismus
Nach vorläufigen Daten ist im gesamten Euroraum die Wirtschaft im Vergleich zum Vorquartal erneut, allerdings nur noch leicht, um 0,1 % weiter geschrumpft. Litauen verzeichnete sogar ein Minus von 12,3 %, während die Wirtschaft in der Slowakei um 2,2 % gewachsen ist.
Trotz dem Minus stimmt auch die Europäische Zentralbank (EZB) in den Jubelchor ein. Das EZB-Direktoriumsmitglied Jürgen Stark will deutliche Zeichen für eine Stabilisierung der konjunkturellen Entwicklung in der Eurozone sehen. In einem Interview mit der Börsen-Zeitung sagte er, die Tendenzen "fußen nicht mehr nur auf Umfragen, sondern werden zunehmend auch von realwirtschaftlichen Daten bestätigt".
Stark meint aber, den "verhaltenen Optimismus in Perspektive" rücken zu müssen. "Was wir derzeit sehen, basiert im Wesentlichen auf den Stimulierungsmaßnahmen der Regierungen und dem Wiederauffüllen der Lager." Solange dies so sei, "können wir nicht mit einer nachhaltigen Rückkehr auf einen höheren Wachstumspfad rechnen". Er sieht kaum Deflationsgefahren, warnt aber vor einer möglichen starken Inflation.
Wenn aber die EZB reale positive Daten und eine Inflationsgefahr ausmacht, fragt man sich, warum sie gerade in dieser Woche beim Zinstreffen den Leitzins stabil bei mageren 0,5 % gelassen hat? Bei einer angeblich anziehenden Wirtschaft und Inflationsgefahren müsste sie mit dem Gegensteuern beginnen. Erklären lässt sich das nur damit, dass man in Frankfurt an den eigenen Äußerungen zweifelt. Mit dem Dopen der weiterhin wackeligen Banken wird fortgefahren, damit das Bankensterben, das in den USA gerade so richtig in Fahrt kommt, nicht auch hier wieder die "Alles wird gut"-Propaganda konterkariert.