Die Schwierigkeiten mit der Zensur
Selbstregulierung der Unternehmen sieht "geheime Listen" für Filter vor, um die Menschen nicht auf das Verbotene aufmerksam zu machen
Das mit viel Kritik bedachte australische Zensurgesetz, das am 1.1.2000 in Kraft treten soll, hat trotz einiger Änderungen, die bereits seit dem ursprünglichen Entwurf erfolgt sind, erneute Kritik heraufbeschworen. Internetprovider werden dazu aufgefordert, einen verbindlichen Verhaltenscodex festzulegen und ihren Kunden Internetfilter oder gefilterte Angebote anzubieten. Daneben werden auch andere Themen wie der Umgang mit den Kundeninformationen geregelt. Den Filtern sollen nach dem Vorschlag der australischen Internet Industry Association (IIA) Listen von den anstößigen ausländischen Websites zugrundegelegt werden ("... that those measures are capable of periodical updates so as to cause the exclusion, where practicable, of Prohibited Content, according to information provided in confidence to the suppliers of such measures by the ABA."), die allerdings weder den Benutzern noch den Internet- oder Contentprovidern selbst bekannt sein sollen.
Noch muss dieser Verhaltenscodex der Wirtschaft erst von der Australian Broadcasting Authority (ABA) gebilligt werden, die für die Durchführung des Internetzensurgesetzes verantwortlich ist. Die IIA will mit dem Vorschlag etwaigen gesetzlichen Regelungen zuvorkommen, die festlegen, welche Inhalte von ausländischen Anbietern blockiert werden sollten. Die Internetprovider sollen damit lediglich ihren Kunden optionale Mittel zur Blockierung anbieten, die aber von den Kunden nicht benutzt werden müssen, aber nicht mehr gezwungen sein, wie dies zunächst vorgesehen war, den Zugang zu inkriminierten Websites ganz zu sperren. Für die IIA ist diese freiwillige Filterung des Webs ein gutes Mittel, um die Kinder zu schützen.
Die Internet Society of Australia (ISOC-AU), die auch meint, sie sei ein besserer Repräsentant der Internetbenutzer als die IIA, sowie Electronics Frontiers Australia (EFA) kritisieren vor allem an diesem Selbstregulierungsvorschlag, dass die Listen geheim und nicht der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen. Gedacht ist von der IIA, dass die Hersteller der Filterprogramme die in den Listen eingefügten Websites sperren, wobei es den Internetprovidern überlassen bleiben soll, wie sie die Benutzer informieren wollen, wenn sie auf eine zensierte Website zugreifen wollen.
Peter Coroneos, Direktor der IIA, weist die Kritik an den geheimen Listen zurück, da sie von solchen Menschen ausgehe, die sich nicht mit der Lösung der praktischen Probleme beschäftigen, die mit dem neuen Gesetz zusammenhängen. Aber warum sollen die Listen geheim sein? Stephen Nugent von der ABA erklärt es so: "Das ist ein Thema, dem wir uns widmen müssen, aber ich glaube, dass es Probleme geben würde, wenn man sie veröffentlicht, weil sie dann ziemlich gefragt sein würden." Die Menschen würden, wenn ihnen die Liste der anstößigen Websites bekannt wäre, eben just auf diese zurückgreifen, um die zensierten Websites zu besuchen. Verbote schüren das Interesse. Deswegen wollen die IIA und die ABA erst einmal nach der Maxime verfahren: Was man nicht weiß, das macht einen nicht heiß, oder so ähnlich. Die Bürger sollen also erst gar nicht wissen, was ihnen entgeht, wenn sie möglicherweise die Filter einsetzen.
Kate Lance, Präsidentin der ISOC-AU, meint, dass die Internetprovider über die verbotenen Websites informiert werden müssten. Es wäre doch auch seltsam, wenn sie einem Verhaltenscodex zustimmen sollten, dessen Inhalte und Verfahren sie nicht kennen. Drastischer formuliert die EFA die Kritik: Der auf geheimen Listen sich stützende Verhaltenscodex erlaube eine "privatwirtschaftliche Zensur, die noch schlimmer als eine von der Regierung durchgesetzte Regelung" sei.
Wahrscheinlich wird es hier noch viele Diskussionen geben, die auch wir in Europa haben werden, wenn die Industrie oder die EU ähnliche Regelungen für Filter zum Schutz der Kinder vorschlagen. Die Bocksprünge der australischen Regierung und der Unternehmen sind dafür ein gutes Anschauungsbeispiel.