"Die Situation im Gaza-Streifen könnte gegenwärtig nicht schlimmer sein"

Seite 2: Jeder weiß, dass ein Angriff kommen wird

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Laut der westlichen Narrative sind es immer wieder die Hamas sowie andere bewaffnete palästinensische Gruppierungen, die mit ihren Angriffen israelische Gegenangriffe provozieren. Inwiefern stimmt dies mit der Realität überein, wurde der Waffenstillstand in den letzten Monaten von jemandem gebrochen und welche Rolle spielen bewaffnete Gruppierungen im Gaza-Streifen?

Max Blumenthal: Israel hat den Waffenstillstand, der im September 2014 festgelegt wurde, mehrmals gebrochen, unter anderem durch Angriffe auf Fischer und Bauern sowie durch Luftangriffe. Währenddessen hält die Hamas den Waffenstillstand weiterhin aufrecht. Jegliche Raketen, die nach Israeli gefeuert wurden, gehen auf das Konto von Zellen des "Islamischen Staates" (IS) im Gaza-Streifen, welche der Hamas gegenüber feindlich gesinnt sind und deshalb einen weiteren Konflikt mit Israel schüren wollen.

Demnach lässt sich de facto eine Allianz zwischen dem IS und Israel beobachten, da sie es beide auf die Hamas abgesehen haben. Das Gesamtbild macht allerdings deutlich, dass es seit den 1950er-Jahren immer wieder Israel war, das den Gaza-Streifen, der damals zu einer Anlaufstelle für palästinensische Flüchtlinge wurde, angegriffen hat.

Wie sieht Ihrer Meinung nach die Zukunft des Gaza-Streifens aus und was hat das Ganze mit den aktuellen Geschehnissen im Westjordanland und in Ostjerusalem zu tun. Werden wir einen neuen, großen Angriff auf Gaza erleben?

Max Blumenthal: Der ehemalige israelische Außenminister Avigdor Lieberman sagt eine nächste militärische Operation im Gaza-Streifen für den nächsten Sommer voraus. Jeder weiß, dass ein Angriff kommen wird. Nur ist nicht klar, wann genau das sein wird. Das liegt daran, dass Israel kein Interesse daran hat, die Besatzung zu beenden.

Gegenwärtig sind das Westjordanland und Ostjerusalem Zentrum des palästinensischen Widerstandes. Unorganisierte Angriffe auf Israelis finden statt, ausgeführt von der jungen Post-Oslo-Generation, die sich betrogen fühlt und verzweifelt ist. Wie im Gaza-Streifen will Israel seine Teilungspolitik auch in Ostjerusalem durchsetzen und die Palästinenser vollständig isolieren. Palästinensische Institutionen in der Stadt sind kaum mehr vorhanden. Lediglich die Al-Aqsa-Moschee steht noch als einziges nationales Symbol. Jedoch könnte sich auch dies ändern, da rechtskonservative Israelis immer wieder mit Provokationen auf sich aufmerksam machen und dort lieber einen jüdischen Tempel sehen wollen. Dies hat dazu geführt, dass Al-Aqsa zum Mittelpunkt der Wut der Palästinenser geworden ist.

Zusammen mit dem israelischen Journalisten David Sheen sorgten Sie im letzten Jahr während Ihres Deutschlandbesuches für Schlagzeilen. Nachdem Sie Gregor Gysi im Bundestag vor der Toilette aufgesucht hatten, wurden sie von Medien und Politikern unter anderem als "Antisemit" und "radikaler Antizionist" bezeichnet. Welche Rolle nimmt Deutschland im sogenannten Nahost-Konflikt ein und wie würden Sie die Debatte dort beschreiben?

Max Blumenthal: Die USA sind ohne Zweifel die Hauptverantwortlichen für die Aufrechterhaltung der israelischen Besatzung. Allerdings spielt auch Deutschland eine wichtige Unterstützerrolle, vor allem aufgrund seiner dominanten Rolle innerhalb der Europäischen Union sowie seiner Holocaust-Vergangenheit. Was mich besonders schockiert hat während meines Aufenthaltes in Berlin war die Tatsache, wie schnell die Pro-Israeli-Lobby in der Lage gewesen ist, die Meinung von vermeintlich linksliberalen Politikern zu beeinflussen. Gregor Gysi hatten allem Anschein nach keinerlei Ahnung, um wen es sich bei mir oder bei David Sheen handelte und das interessierte ihn auch nicht.

Die rechte Springer-Presse spielte eine Schlüsselrolle in der Schmierkampagne gegen uns. Währenddessen verwehrte es uns der Rest der deutschen Presse - vom Spiegel bis hin zur Jungen Welt -, auf die neokonservative Kampagne gegen uns eine Antwort zu geben.

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