Die Terminschwierigkeiten des Lobbyisten

Der Österreicher Ernst Strasser hat seinen Platz als EU-Abgeordneter geräumt - vorausgegangen waren Videos, die ihn dabei zeigten, wie er für Geld erfolgreiche Änderungsanträge anbot

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Journalisten der britischen Zeitung Sunday Times boten dem (nunmehr ehemaligen) EU-Abgeordneten Ernst Strasser Geld für Änderungsanträge. Der gab darauf hin bereitwillig darüber Auskunft, wie teuer dies sein würde und wie dies ablaufen kann:

Meine Kunden zahlen im Jahr 100 000 Euro. Ich habe jetzt fünf Kunden - morgen werden es hoffentlich sechs sein. Sie gehören dann aber noch nicht dazu, Sie wären der siebte. [...] Sie senden mir den Änderungsantrag und was Ihr Kunde ändern will. Ich bin immer sehr diskret. Ich frage nicht, wer Ihr Kunde ist. Ich will es nicht wissen. Ich will nur wissen, wie er denkt, wie er tickt und was wir tun können, um eine Lösung für ihn zu finden.

Später mit diesen Videos konfrontiert, sprach Ernst Strasser davon, dass er die vermeintlichen Lobbyisten sofort enttarnt hätte. Er wollte sie angeblich überführen und dann der Staatspolizei melden, was aber Terminschwierigkeiten verhindert hätten.

Dr. Ernst Strasser. Foto: Hannes Sallmutter. Lizenz: CC-BY 3.0.

Eine solche Argumentation wäre schon bei einem nicht in sicherheitspolitischen Bereichen bewanderten Menschen kaum glaubwürdig, doch bei Ernst Strasser handelt es sich immerhin um einen ausgebildeten Rechtswissenschaftler und ehemaligen Bundesinnenminister, noch dazu um einen, der als Hardliner galt. Um die Absurdität seiner Argumentation zu verstehen, kann man sich folgendes vorstellen: Ein Drogendealer wird dabei gefilmt, wie er Drogen gegen Geld anbietet. Als man ihm dieses Video vorlegt, teilt er mit, er habe gedacht, die Leute, die ihm Geld anboten, wären feindliche Agenten. Natürlich wollte er dies auch der Staatspolizei melden, aber wegen Terminschwierigkeiten hätte er die Zeit dazu nicht gefunden.

Strassers Strategie, jede Schuld von sich zu weisen, wird für ihn insofern immer problematischer, als dem ORF mittlerweile Informationen vorliegen, nach denen der Politiker schon seit Mitte 2010 mit den vermeintlichen Lobbyisten Kontakt hatte. Dass die Terminschwierigkeiten sich ein Dreivierteljahr hingezogen haben dürfte kaum glaubwürdig klingen und den ehemaligen EU-Abgeordneten weiter in Erklärungsnot bringen. Wieso gerade ein ehemaliger Innenminister, so er tatsächlich die Polizei nicht informieren konnte, nicht wenigstens Aufzeichnungen über die Begegnung mit den "Agenten", Gespräche über sie oder auch nur einen Aktenvermerk vorweisen kann, ist kaum nachvollziehbar. Hier kann letztendlich nur von zwei Möglichkeiten ausgegangen werden: Entweder Ernst Strasser war sträflich dumm oder er lügt.

Plötzlich lacht der Herr Minister

Ernst Strasser ist in der Korruptionsaffäre nicht der einzige EU-Abgeordnete, der von den Journalisten geoutet wurde. Auch der rumänische EU-Abgeordnete und frühere Vizeministerpräsident Adrian Severin und der frühere Außenminister Sloweniens Zoran Thaler sollen Dienste angeboten beziehungsweise verkauft haben. Adrian Severin hat mitgeteilt, ein EU-Beamter hätte ihm gesagt, er könne ruhig für die vermeintlichen Lobbyisten arbeiten.

Die österreichische Justizministerin, Claudia Bandion-Ortner, hat bereits anklingen lassen, Lobbyismus schärfer zu regeln und auch die Pflichtregistrierung von Lobbyisten ist erneut ins Gespräch gekommen. Dabei stellt sich die Frage, inwiefern diese Gesetzesideen überhaupt etwas ausrichten können. Lobbyismus im Sinne einer Interessenvertretung ist eine legitime Form der Einflussnahme, die auch von Privatpersonen, Bürgerrechtsinitiativen und dergleichen mehr angewandt wird.

Seine Interessen zu vertreten und für Gehör und Akzeptanz dieser Interessen zu werben ist nichts, was per se als negativ zu bewerten wäre. Die Grenzen zur Korruption sind allerdings genauso fließend wie die zwischen Werbung und positiver Berichterstattung. Helfen dürften hier kaum härtere Gesetze, sondern vielmehr eine möglichst große Transparenz, was das Zustandekommen von Gesetzen angeht. Hier jedoch mauert gerade die EU-Kommission seit Jahren.

Und wenn wir uns arrangieren ...

Die Frage, inwiefern derartige "Arrangements" bei Gesetzen eine Rolle spielen ist insofern mehr als aktuell - und die Tatsache, dass Ernst Strasser beispielsweise beim Thema Swift-Abkommen eine tragende Rolle als Chefverhandlungsführer spielte, lässt ebenfalls aufhorchen. Denn gerade auch Bankdaten dürften im Bereich Wirtschaftsspionage von einigem Interesse sein, sodass der eine oder andere "Lobbyist" davon profitieren könnte, wenn derartige Daten rechtlich eher unzureichend gesichert in fremde Hände kommen.

Diesen "Tango Korrupti" als Angelegenheit zu behandeln, die zwar Österreich und den Balkan, aber nicht Deutschland betrifft, wäre gleich doppelt unsinnig. Denn zum einen gelten die europäischen Regelungen auch für die Bundesrepublik und zum anderen bleibt die Frage offen, wie deutsche Politiker mit derartigen Angeboten umgehen. Dass einige Minister nach ihrer Politkarriere direkt in Vorstände von Firmen wechseln, die vorher von den entsprechenden Gesetzen, die eben jene Minister vorantrieben, profitierten, lässt jedenfalls den Verdacht aufkommen, dass hier die Interessen einmal zu oft und zu stark Gehör fanden. Auch hier wäre Transparenz von Nöten.

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