Die Tricks, mit denen die doofen Konsumenten manipuliert werden
Verwegene Theorien und wilde Werbemysterien. Wie Werbung wirklich wirkt - Teil 6
Teil 5: Mit der Manipulationskeule der Werbung auf den Fersen
Alle paar Tage erscheint irgendwo in der Welt ein Aufsehen erregendes Buch, in dem ein Autor "entlarvt", mit welchen Winkelzügen die Werbung die Konsumenten dazu bringt, blindgläubig das überflüssigste Zeug zu kaufen, das die Industrie ihnen anzudrehen versucht und ihnen Bedürfnisse einredet, von denen sie selbst nie etwas ahnten.
Jedes Mal gehen Buchverlage den Verschwörungstheoretikern aufs Neue auf den Leim. Und die breite Öffentlichkeit fühlt sich ebenso wie die Fachwelt wieder einmal in ihren wüstesten Konspirationsfantasien bestärkt. Das Publikum liebt einfach Verschwörungstheorien und die Vorstellung, dass alle anderen sich durch hinterhältige Werbepraktiken manipulieren lassen. Man kann gar nicht genug davon kriegen…
Kein Zweifel: Die Werber und auch die Industrie hätten auch nicht die geringsten Hemmungen, die Konsumenten mit den miesesten Tricks hinters Licht zu führen - wenn das nur so einfach ginge…
Abenteuerliche Geschichten erzählen da angebliche Insider der Marketingbranche, die uns "verraten", wie heimtückisch die neuesten Tricks, Kniffe und Verführungstechniken der Werbeindustrie wirklich sind. Da schreibt einer, man wisse ja, dass Föten durch das Essen der Mütter bestimmte Geschmacksempfindungen mitbekämen. Eine indonesische Bonbonmarke habe ihre Bonbons gratis an schwangere Frauen verteilt. Zeitgleich habe das Unternehmen eine Kaffeesorte eingeführt, die so wie die Bonbons schmecke. Resultat: Der Kaffee sei bei Kindern ein Riesenerfolg geworden. Sie lieben den Geschmack, und schreiende Neugeborene lassen sich durch einen Schluck dieses Kaffees rasch beruhigen.
Komisch nur, dass solche Tricks im fernen Indonesien praktiziert werden und man hierzulande noch nie etwas davon gehört hat und ganz sicher auch nie etwas hören wird. Die Frage, wieso man in Indonesien ausgerechnet Kaffee dazu verwendet, um Kleinkinder zu beruhigen, soll hier erst gar nicht aufgeworfen werden.
Die Konsumenten werden nach Belieben manipuliert, behauptet der dänische Marketingmensch Martin Lindstrom in seinem Buch "Brandwashed. Was Du kaufst, bestimmen die anderen". Doch der Einzige, der da schamlos und ohne jede Fantasie manipuliert, ist der Autor. Lindstroms Intention war es, "ein Buch zu schreiben, das enthüllt, wie Unternehmen uns austricksen, verführen und überreden, noch mehr unnötiges Zeug zu kaufen". Der macht sich noch nicht einmal die Mühe, ordentlich und trickreich zu lügen.
Im Brennpunkt seiner Kritik stehen Firmen, Marketingspezialisten, Werbeprofis und Einzelhändler, deren "Machenschaften und Unwahrheiten" die gesamte Konsumwelt durchziehen. Bereits neun Monate vor der Veröffentlichung startete er einen reißerischen Werbefeldzug mit wohldosierten Vorankündigungen. Allein damit verkaufte er über eine halbe Million Exemplare, bevor das Buch überhaupt in den Handel gelangte.
Doch schon die Behauptung, was man konsumiere, bestimme man nicht selbst, ist eine listige Manipulation. Denn das stimmt natürlich. Was Menschen in der Konsumgesellschaft konsumieren, bestimmen sie in der Tat nicht selbst. Vor ihnen entscheidet ein Hersteller, welche Produkte er produziert. Und die Hersteller in ihrer Gesamtheit bestimmen den Konsum dadurch, dass sie und sonst niemand Produkte herstellen. Tückisch daran ist nur die Manipulation des Autors.
Mit pompösem Gehabe "enthüllt" Lindstrom seine persönliche Verführungsgeschichte: Er habe sich einst mit einer vergoldeten Rolex Selbstvertrauen kaufen wollen. Schon ein schlechtes Zeichen, wenn jemand ein derart angegriffenes Selbstvertrauen hat. Kann einer allein so viel Doofheit in einer einzigen Person zusammenkratzen? Ja, leider, er kann.
Bei einer Kundenpräsentation habe dann ein Kollege ironisch bemerkt: "Ich sehe, du trägst eine Rolex - das hätte ich nicht von dir erwartet." + Danach habe er versucht, die Uhr zu verkaufen. Wieso jetzt genau?
Als ihm der Käufer beschrieb, welcher Typ Mensch solche Uhren trägt, und dass seine Rolex sogar ein Damenmodell sei, beschloss er, eine Marken-Entziehungskur zu machen. Ja, spinnt der? Ich dachte, der sei Marketing-Fritze und verstünde was von solchen Dingen. War wohl eher einer von der etwas beschränkteren Sorte. Jedenfalls bräuchte sich niemand davor zu fürchten, wenn die Industrie tatsächlich auf solche Weise ihre Konsumenten manipulieren sollte.
Ein genauer Blick auf all die zahlreichen angeblichen Manipulationen erweist sich in jedem Einzelfall als mehr oder minder plump durchorganisierte Lügengeschichte. So behauptet Lindstrom, dass einige Lebensmittel abhängig machen, weil ihre Hersteller die Rezepturen gezielt um entsprechende Mengen gewöhnungsbildender Substanzen wie Mononatrium-Glutamat, Koffein, Maissirup und Zucker anreichern und fett- und kalorienreiche Nahrungsmittel auf das Gehirn eine ähnliche Wirkung wie Kokain und Heroin hätten.
Das haben kompetentere Autoren schon wesentlich seriöser belegt. Solch verwegene Insinuationen mögen unbedarfte Werbekritiker zwar in ihren Überzeugungen bestärken, entbehren indes in der Substanz jedweder Basis. Gefährliche Rauschdrogen wirken nun einmal anders als Fett, Kalorien, Koffein und Zucker. Geradezu verschlagen ist es, bedenkliche Nahrungsmittelingredienzien in die Nähe von Rauschgiften zu rücken.
Aber es reicht offenbar völlig hin, ein paar hanebüchene Behauptungen zusammen mit dem Hinweis, man sei Marketingexperte, in den Raum zu stellen, um völlig unkritische Begeisterung auszulösen. Dass Koffein süchtig macht, ist ja schon seit mehr als hundert Jahren bekannt. Deshalb trinkt die Oma ja nachmittags so gern ihren Kaffee und tut auch noch zwei Stückchen Zucker hinein.
Und auch Fett macht in Gestalt einer Schweinshaxe noch süchtiger als Kokain. Das kann man in ganz Bayern sehen. Dort versammeln sich die Fettsüchtigen täglich an den einschlägigen Treffs unter Kastanienbäumen und gieren: "Haste mal ‘ne Haxe für mich?" Und weil die so schwer die Kehle herunterrutscht, spülen sie diese mit einem gefährlichen Getränk herunter, in das die Lebensmittelindustrie Alkohol beigemischt hat. Ja, in einer dunklen Ecke am Münchener Hauptbahnhof stehen Süchtige und prostituieren sich für ein Stückchen Würfelzucker.
Warum bloß lassen sich so viele ernst zu nehmende Leute diesen Unsinn aufbinden? - Nur weil ein Buchautor ihn erzählt, der von sich behauptet, er sei Marketingexperte, und abstruse Manipulationstheorien bei ihnen irgendwie ins Weltbild passen?
Besonders intensiv wirft sich der Herr Lindstrom auf die Wegeanalysen der Marketer. Das sind die Veranstaltungen, durch die man herausfindet, wo Waren besonders verkaufswirksam platziert werden: oben auf dem Regal oder unten oder vielleicht sogar in der Mitte. Am Ende des Gangs oder Am Anfang? Wie von einer unsichtbaren Hand werden die blöden Konsumenten so von einem Markenartikel zum nächsten geführt. Sie selbst haben darauf keinen Einfluss mehr, sondern sein Marionetten am Gängelband der Marketingfritzen.
Ja, ist der noch ganz bei Trost? Hat der einmal darüber nachgedacht, dass die vom Marketing geplanten Routen u.a. auch den Sinn haben können, den Leuten den Einkauf zu erleichtern und leicht finden, was sie suchen? Daran ist ja nun gar nichts Verwerfliches. Einmal in einem Discountladen beobachten, wie sich Leute verhalten, hätte auch durchaus hilfreich sein können. Die Leute laufen nämlich nicht wie die dressierte Affen und auch nicht wie die lebenden Toten durch die Geschäfte. Die verhalten sich sehr rational und gehen nach eigenem Gutdünken hindurch. Es mag schon sein, dass die Konsumenten ziemlich blöd sind. Aber so blöd wie manche Autoren, die darüber schreiben und sich eine goldene Nase damit verdienen, sind die auch wieder nicht.
Und sonst? Ansonsten brandmarkt Lindstrom den Einsatz von Hirnscannern in der Neuromarktforschung, von Düften im Marketing und das Empfehlungsmarketing, das sich auf persönliche Empfehlungen zur Absatzförderung verlässt.
So erzählt er diese absolut hirnrissige Manipulationsgeschichte: "Was für ein geniales Wochenende. Diese Idylle am See. Echt abgeschieden, sagt dein Freund Thomas zufällig und offeriert dir noch ein Bier. Erst später erkundigst du dich beiläufig nach der Adresse. Fast vergisst er, sie dir auszuhändigen. Gerade vor dem nach Hause gehen steckt er dir unauffällig die Visitenkarte seines Geheimtipps zu. Natürlich vertraust du dem Geschmack deines Freundes. Ihr mögt schließlich dieselben Dinge, trinkt dasselbe Bier, wohnt im gleichen Quartier, ihr fahrt sogar dasselbe Auto. Du merkst, wie du innerlich bereits ein verlängertes Wochenende mit deiner Freundin an dieser Adresse planst. Genau das Richtige, denkst du, als du ihm auf die Schulter klopfst, bevor du nach Hause gehst, ein bisschen betrunken und glücklich, so einen tollen Freund zu haben."
Doch dann folgt die grausige Wende. Die tückische Fratze des vermeintlichen Freundes mit dem Bier wird sichtbar: "Aber was, wenn Thomas nicht wirklich dein Freund ist? Was, wenn Thomas bezahlt wird, um deine Welt mit Brands in subtilster Art und Weise zu infiltrieren? Marken, von denen er engagiert wurde, um diese zu promoten, deine Wahl zu manipulieren und dich zum Kauf zu animieren? Ohne es zu realisieren, wurdest du mit hoher Wahrscheinlichkeit brandwashed", sagt Lindstrom. Und der Herr Lindstrom kommt mit der Brennsuppe daher geschwommen. Kann man einen solchen Blödsinn ernst nehmen? Man stelle sich das vor allem einmal konkret vor: Um auf einen einigermaßen vernünftigen Honorarschnitt zu kommen, müsste der arme Bierberater im Dauersuff stehen…
Soll man sich in Zukunft davor hüten, von vermeintlichen Freunden ein Bier anzunehmen? Geht nicht der Bierkonsum seit Entdeckung dieser hinterhältigen Methoden geradezu dramatisch zurück? Will der gute Mann uns tatsächlich erklären, dass Bierbrauereien durch massiven Einsatz von rekrutierten Bierempfehlern etwas anderes erreichen, als sich selbst in den finanziellen Ruin zu manövrieren? Die müssen ja schließlich auch bezahlt werden. Wenn Empfehlungsmarketing sich wirklich solchen immensen Aufwand leisten würde, um eine Biermarke bei Freunden zu vermarkten, dann könnten alle Bierbrauer gleich einpacken.
Der einzige Manipulationsskandal ist und bleibt die Tatsache, dass Buchverlage diesen Unfug mitmachen und dass auf dem Buchmarkt solch hanebüchener Unsinn reüssiert. Und außerdem: Der Mann scheint noch nicht einmal etwas von Marketing zu verstehen; denn das Empfehlungsmarketing funktioniert eben nicht so wie der vermeintliche Freund, der an einem lauschigen See eine Bierflasche dargereicht hat…
Manipulation argloser Biertrinker durch heimtückische Verführer
Das Verrückte an diesen windigen Märchen vom bösen Werbewolf ist, dass ausgerechnet kritisch durchs Leben gehende, einigermaßen intelligente und selbstbewusste Menschen wirklich glauben, Werbung könne sie mit solchen Methoden manipulieren. Sie lassen sich allen Ernstes einreden, sie seien der Manipulation durch tückische Werbebotschaften hilflos ausgeliefert. Doch die Werbung kann niemandem den freien Willen nehmen. Jeder bleibt zu jedem Zeitpunkt Herr seiner Entscheidungen. Das ist ja gerade das Boshafte an diesen Verschwörungstheorien.
Werbung schafft es lediglich, die Entscheidung für ein bestimmtes Produkt zu erleichtern - wenn sie Glück hat. Zum Beispiel, indem sie eine Marke sympathisch darstellt, oder so argumentiert, dass die Konsumenten sich für eine bestimmte Marke und gegen die Konkurrenzmarke entscheiden, oder indem sie eine Marke überall präsent erscheinen lässt. Die letzte Entscheidung liegt trotzdem immer in der Hand des Einzelnen.
In der Psychologie und der Soziologie spricht man von Manipulation bei einer großen Bandbreite von Konstellationen. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts meinte man damit den Kunstgriff, mit dem ein Hypnotiseur das Verhalten eines in Trance versetzten Mediums beherrschte.
Heute versteht man unter Manipulation die Steuerung des Verhaltens von Individuen und Gruppen durch geschickte Ausnutzung ihrer Anlagen und Eigenschaften in der Absicht, sie für fremde Ziele zu nutzen. Dementsprechend meint man damit in Marketing, Kommunikation, Öffentlichkeitsarbeit und Werbung die missbräuchliche Beeinflussung des Konsumentenverhaltens durch Irreführung der Verbraucher.
Die Konsumforscher Werner Kroeber-Riel und Gundolf Meyer-Hentschel bezeichnen analog als Manipulation die von den Konsumenten nicht bewusst durchschaute oder nicht bewusst kontrollierte und daher zwanghaft wirkende Steuerung ihres Verhaltens.
Dabei ist unter willentlich kontrolliertem Verhalten ein vom Bewusstsein gesteuertes Verhalten zu verstehen: Der Mensch reagiert nicht automatisch und schon gar nicht reflexartig auf dargebotene Reize, sondern er verarbeitet diese gedanklich und ist sich somit seiner Entscheidungssituation bewusst.
Ein häufig gegen die Werbung erhobener Vorwurf lautet ja, sie manipuliere die Verbraucher, indem sie ihnen neue Bedürfnisse einrede. Gegen diese Allmacht der Werbung spricht zunächst einmal der empirische Befund, dass ein Großteil aller neuen Produkte - trotz intensivster Werbeunterstützung - am Markt nicht durchsetzbar ist. Zahlreiche Untersuchungen berichten von Flopraten um 90 Prozent. Allem Anschein nach hat also die Suggestivkraft der Werbung ihre Grenzen. Sie hat genauer wesentlich mehr Grenzen als Möglichkeiten.
Dabei besteht durchaus ein fließender Übergang zwischen Manipulation und Werbung. Zumeist enthält Werbung informative und suggestive Elemente. Inwieweit der Konsument die Beeinflussungsabsicht willentlich kontrollieren und durchschauen kann, kann von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein.
Durchschaut der Konsument allerdings die manipulative Beeinflussungsabsicht, so reagiert er häufig mit Reaktanz - so einer Art Trotzreaktion -, und die beabsichtigte Beeinflussung funktioniert überhaupt nicht. Sie verkehrt sich in ihr Gegenteil.
Erkennt nämlich jemand, dass auf ihn Druck zu einer Meinungs- oder Verhaltensänderung ausgeübt wird, also ein ihm persönlich wichtiger Meinungsspielraum beschränkt werden soll, so sträubt er sich mit Händen und Füßen oder manchmal auch nur kraft seines Willens: Die Beeinflussung führt zu keiner Meinungsänderung oder sogar zu einer Meinungsbildung, die der Absicht des Kommunikators entgegengesetzt ist. Die Psychologen sprechen von einem Bumerangeffekt.
Wird Werbung zu dick aufgetragen, ist mit Reaktanz zu rechnen
Bei der Diskussion über Manipulation geht es ja nicht darum, ob die Werber das Verhalten der Konsumenten beeinflussen wollen. Natürlich wollen sie das. Und wenn das funktioniert, auch mit zweifelhaften Methoden. Die Frage ist vielmehr, ob die Mittel, die ihnen zur Verfügung stehen, dafür auch geeignet sind. Ob sie können, was sie wollen?
Wenige Zweifel bestehen auch daran, dass eine manipulative Beeinflussung im Prinzip möglich ist. Die Tatsache, dass so viele Werbekampagnen scheitern, erschüttert lediglich die ohnehin überzogene Vorstellung von der Allmacht der Werbung, nicht jedoch die Erkenntnis ihrer grundsätzlichen Fähigkeit auch zur Manipulation.
Nach Kroeber-Riel und Meyer-Hentschel hat der Manipulationsbegriff neben dem sachlichen Inhalt auch eine wertende Komponente: Manipulation wird als Verhaltenssteuerung im Dienste "fremder" Zielsetzungen verstanden, die der Empfänger nicht akzeptiert.
Der Begriff der Manipulation wird ja meist in die Waagschale geworfen, wenn jemand Beeinflussungstechniken einsetzt, die gegen allgemein anerkannte Ziele oder Werte verstoßen. Niemand bezeichnet Beeinflussungstechniken als "manipulativ", wenn sie in der Kindererziehung eingesetzt werden, obwohl diese Techniken von den Beeinflussten nicht bewusst kontrolliert werden können und sich die Beeinflussten ihnen nicht entziehen können. Da gilt eine Verhaltenssteuerung als legitim. Und selbstverständlich wird in der Kindererziehung nach Kräften manipuliert. Allerdings ist auch in der Mehrzahl der Fälle nicht wirklich etwas dagegen einzuwenden…
Manipulation kann in der Marktkommunikation durch verschiedene Formen erfolgen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Beeinflussungsabsicht zu tarnen:
- Schleichwerbung: Die häufigste Form der Manipulation in der Absatzwerbung ist die Schleichwerbung, bei der es vor allem darum geht, die werbliche Absicht gegenüber dem Umworbenen zu verbergen. Eine Form der Schleichwerbung ist die Platzierung redaktionell gestalteter Anzeigen in Zeitungen und Zeitschriften, ohne sie als Werbung zu kennzeichnen. Schleichwerbung ist verboten, kommt aber in der Realität nur gar zu oft vor.
- Unterschwellige Werbung: Dabei werden Reize so kurzzeitig dargeboten, dass sie nicht bewusst wahrgenommen werden können. Also nur Bruchteile von Sekunden lang. Auch sie ist verboten.
Keine Wahnvorstellung über die geheimnisvolle Manipulation unschuldiger Konsumenten durch Werbung hat sich so hartnäckig in den Köpfen festgesetzt wie die, dass Werbebilder, die für Sekundenbruchteile in einen Film eingeblendet werden und von den Zuschauern überhaupt nicht bewusst wahrgenommen werden können, den Konsum von Popcorn, Coca-Cola und anderen Produkten jedoch über alle Maßen steigern.
Die Geschichte ist inzwischen fast jedermann bekannt. Da gab es in den 1950er Jahren ein Experiment in einem Kino in New York. Den Leuten wurde ein Film vorgeführt, in den auf hinterhältige Weise verlockende Bilder mit einem Getränk und mit Popcorn eingeblendet waren. Sie wurden nur Bruchteile von Sekunden ausgestrahlt, sodass die Zuschauer sie in der kurzen Zeit überhaupt nicht bewusst wahrnehmen konnten. Doch kaum waren die Kinobesucher wieder aus dem Theater heraus, tranken sie Unmengen Cola und aßen ungemein viel Popcorn.
Dass so etwas möglich ist und auch praktiziert wird, glauben noch heute die meisten Leute. Doch an der ganzen Geschichte ist noch nicht einmal ein Körnchen wahr. Die Mär von den "geheimen Verführern" und der unterschwelligen Werbung ist ein nackter Betrug, der sich seit den 1950er Jahren noch viel hartnäckiger als der Glaube an den Yeti oder die jungfräuliche Empfängnis festsetzte. Aber noch immer träumen Werbeleute davon, ihre Produkte durch direkte Ansprache des Unterbewusstseins zu verkaufen; denn das ist nicht so kritisch wie das Bewusstsein. Unklar ist nur, wie genau das funktionieren soll.
Die Psychophysik und die Wahrnehmungspsychologie gehen generell davon aus, dass es eine Schwelle (Reizschwelle, Unterschiedsschwelle) gibt, die bewusst wahrnehmbare von bewusst nicht wahrnehmbaren Reizen (Stimuli) trennt. Wo genau diese Schwelle (Limen) liegt, hängt unter anderem von der Dauer und Intensität der dargebotenen Reize ab.
Am eindeutigsten ist das bei Geräuschen: Es gibt Töne, die eine so niedrige Frequenz haben, dass ein Mensch sie nicht mehr hört, die aber dennoch mit Geräten gemessen werden können. Damit wir ein Geräusch überhaupt wahrnehmen können, muss es die menschliche Hörschwelle überschreiten.
Während die Psychophysik annimmt, dass Reize umso wirksamer sind, je besser sie bewusst wahrgenommen werden können, geht die psychoanalytisch geprägte Wahrnehmungspsychologie davon aus, dass die unterhalb der Schwelle der bewussten Wahrnehmung dargebotenen Reize vom Unterbewusstsein wahrgenommen werden (subliminale Wahrnehmung) und dort ebenso wie andere Wirkungskräfte des Unterbewusstseins gewissermaßen unter Umgehung der rationalen Kontrolle durch das Bewusstsein das Verhalten des Individuums beeinflussen können.
Weltweit bekannt wurden Praktiken der unterschwelligen Werbung durch den amerikanischen Journalisten Vance Packard, der über die von James M. Vicary, dem Inhaber der New Yorker Werbeagentur "Subliminal Projection Co.", entwickelte Technik der unterschwelligen Beeinflussung in der Werbung in seinem Buch "Die geheimen Verführer" (The Hidden Persuaders) (1957) berichtete.
Diese Technik lief stets darauf hinaus, einem Publikum in einem Kino bei der Vorführung eines Spielfilms Diapositive mit suggestiven Werbebotschaften ("Drink Coca Cola" und "Eat Popcorn") durch Einblendung für wenige Bruchteile von Sekunden so darzubieten, dass sie diese bewusst nicht wahrnahmen. Im Vergleich zu einem Kontrollpublikum in einem anderen Kino, dem die Dias nicht vorgeführt wurden, konsumierte das beeinflusste Publikum wesentlich mehr Cola oder Popcorn als das Publikum ohne einen Kontakt mit dieser unterschwelligen Werbung. Nach Packard steigerte die kurzzeitige, nicht bewusst wahrnehmbare Werbeeinblendung in Kinofilmen den Automatenverkauf im Foyer des Filmtheaters um 18,1 Prozent für Coca-Cola und um 57,7 Prozent für Popcorn.
Rein technisch sind unterschwellige Reize bei Filmen problemlos möglich: Ein Kinofilm enthält 24 Bilder pro Sekunde. Das Gehirn errechnet daraus eine flüssige Bewegung. Deshalb kann man einzelne Bilder in die Bewegung hineinmontieren, ohne dass sie bewusst wahrgenommen werden.
Vicary gab später zu, dass seine Zahlen gefälscht waren. Fake Figures auf jeden Fall. Trotzdem ist das Thema bis heute nicht totzukriegen. Mitte der 1980er Jahre brandete die Diskussion um unterschwellige Botschaften wieder auf. Befürchtet wurde, dass rückwärts in Rockmusik eingespielte Botschaften (Backmasking), die sich auf Drogen, Satanskulte oder sexuelle Inhalte bezögen, Jugendliche manipulieren und verführen.
Zuletzt hat ein Wahlspot der Republikaner so etwas im US-Wahlkampf 2000 praktiziert. In einem Fernsehspot der Republikaner blitzte bei dem Satz "Gores Finanzierungsplan: Die Bürokratie entscheidet" für eine dreißigstel Sekunde das Wort "RATS" (Ratten) auf. Der Spot war ein niederträchtiger Versuch, den politischen Gegner mit einer negativen Assoziation zu diffamieren.
1984 soll eine Supermarktkette in den USA in ihre Hintergrundmusik Botschaften wie "Stehle nicht" und "Kauf‘ viel ein" eingeblendet haben und dadurch Ladendiebstähle eingedämmt und ihre Umsätze massiv erhöht haben. 1988 wurde François Mitterand bezichtigt, er habe die Wahl gewonnen, weil sein Konterfei täglich im Vorspann der Nachrichten für den Bruchteil von Sekunden zu sehen gewesen sei. 2000 schloss die russische Regierung den Fernsehsender Avtorskiye Televisionniye Novosti (ATN), weil er die Zuschauer angeblich unterschwellig dazu aufgefordert habe, sitzen zu bleiben und ATN zu schauen.
Auch Normalverbraucher werden mit Angeboten für unterschwellige Beeinflussung bombardiert. "Rauchentwöhnung im Schlaf" und "Mehr Erfolg bei Frauen" durch geheime Botschaften auf CDs, die das Selbstbewusstsein steigern. Eine IT-Firma bietet eine Software an, die in unhörbaren Frequenzen Computersüchtigen einflüstert: "Schalt‘ die Kiste aus." Diese Botschaft an das Unterbewusstsein könne die Sucht heilen - so die Hersteller.
Selbst subliminale Musik ist im Handel: Dafür werden erbauliche Texte verfremdet und mit Entspannungsmusik unterlegt. Sogar diverse Computerprogramme, mit denen man seine eigenen Botschaften oder Bilder in Filme einspielen kann, stehen im Netz zum Download bereit: in Wahrheit alles Hokuspokus, der allenthalben den Betrügern mehr Geld beschert.
Empirische Untersuchungen haben keinerlei Anhaltspunkte dafür geliefert, dass man das Verhalten von Menschen durch unterschwellige Werbung beeinflussen kann.
Die ausführlichste Auseinandersetzung mit dieser Theorie stammt von Horst W. Brand vom Institut für Sozialpsychologie der Universität Köln in seinem Buch "Die Legende von den 'geheimen Verführern'" (Weinheim 1978):
In sämtlichen Fällen, in denen Nachweise für die Wirksamkeit unterschwelliger Stimulationen postuliert werden, liegen, nicht nur auf Seiten der abhängigen Variablen (beeinflusstes Verhalten), sondern mehr noch auf Seiten der unabhängigen Variablen (,subliminaler' Stimulus) methodische Unzulänglichkeiten vor, die in hohem Maß das Zustandekommen artifizieller Befunde begünstigen.
Dies betrifft vorrangig die gänzlich fehlende oder allenfalls oberflächliche experimentelle Überprüfung der Annahme, dass die jeweils exponierten Stimuli mit hinreichend geringer Irrtumswahrscheinlichkeit als unterschwellig anzusehen sind.
Horst W. Brand
Dagegen hält Werner Kroeber-Riel es zwar für möglich, durch unterschwellig dargebotene Reize die Gefühle und Bedürfnisse der Umworbenen zu beeinflussen; für die Werbung habe dies jedoch nur wenig Bedeutung, da derartige Werbeaktionen sehr aufwändig seien, selten eine stärkere Wirkung als überschwellige Maßnahmen hätten und kaum geeignet seien, Kaufabsichten und Meinungen gegenüber bestimmten Produkten und Marken zu verändern.
Insgesamt könne man deshalb davon ausgehen, dass unterhalb oder nahe der Wahrnehmungsschwelle dargebotene Werbebotschaften - wenn überhaupt - nur unspezifische Bedürfnisse (Hunger, Durst), nicht jedoch bestimmte Kaufhandlungen auslösen könnten.
Kroeber-Riel meint, die Diskussion lenke vom eigentlichen Problem ab: der überschwelligen Werbung. Zwar sei es möglich, negative oder positive Stimmungen oder Empfindungen über nicht wahrnehmbare Botschaften zu transportieren, die Entscheidung zum Kauf einer bestimmten Marke oder die Wahl eines Präsidentschaftskandidaten seien jedoch viel zu komplex, um durch unterschwellige Botschaften manipuliert werden zu können. Werbung funktioniere über direkte Vergleiche oder positiv übersteigerte Assoziationen ohnehin viel besser.
Krönung reinen Wunschdenkens über Manipulierbarkeit primitiver Konsumidioten
Die einigermaßen gesicherte Erkenntnis, dass es sich bei der unterschwelligen Werbung um die Krönung des reinen Wunschdenkens und vollkommen überzogene Ideologie der Manipulation und der Manipulierbarkeit konsumidiotischer Primitivpersonen handelt, hat allerdings der Verbreitung der Vorstellung der Möglichkeit einer Manipulation mit Hilfe von Werbung durch Appell an das Unterbewusstsein auch durch subliminale Beeinflussung keinen Abbruch getan.
In den letzten Jahren haben sich nun aber auf Grund der Ergebnisse der Hirnforschung wieder vermehrt Forscher dem Thema gewidmet. Das Vertrackte daran ist zugleich das Dilemma der Werbung: Ohne jeden Zweifel gibt es unterschwellige Wahrnehmung. Das ist unstrittig. Und ohne jeden Zweifel verarbeitet unser Gehirn viele Dinge, die überhaupt niemals den Weg ins Bewusstsein schaffen.
Das Gehirn nimmt also unterhalb der Bewusstseinsschwelle Dinge wahr und verarbeitet sie auch. Obwohl sie die Schwelle zum Bewusstsein nicht überschreiten und nur unbemerkt ihre Spuren im Gehirn hinterlassen, können sie auch Entscheidungen beeinflussen. Die Frage ist nun, kann man das Gehirn auch dazu bringen, unterbewusst wahrgenommenen Werbebotschaften zu folgen?
Die Hirnforschung hat dazu eine Vielzahl von Experimenten durchgeführt, die nachzuweisen scheinen, dass dies möglich ist. So zum Beispiel eine aktuelle US-amerikanische Studie. Sie kam zu dem Ergebnis: Die unterschwellige Einblendung von Markensignalen beeinflusst die anschließende Markenwahl. Entscheidend: Die Beeinflussung gelingt nur, wenn das unterschwellige Signal auf ein aktiviertes Bedürfnis trifft.
Die Testpersonen mussten am Computer eine Aufgabe lösen. Ohne ihr Wissen wurde bei der Hälfte der Personen unterschwellig das Logo der Eistee-Marke "Lipton Ice" eingeblendet. Der anderen Hälfte wurden dieselben Buchstaben, aber in zufälliger Reihenfolge (Npeic Tol") präsentiert. Keine Testperson bemerkte die unterschwelligen Signale. Anschließend sollten sie zwischen zwei Getränken wählen: Lipton Ice Tee oder Spa Rood (ein Mineralwasser).
Über 80 Prozent der unterschwellig beeinflussten Probanden wählten Lipton Ice Tea - aber nur, wenn sie durstig waren. Wir wollen an dieser Stelle darauf verzichten, Kritik daran zu üben, dass an der Studie überhaupt nur 61 Personen teilnahmen und es daher einfach unseriös ist, für derart mickrige Probandenzahlen Prozentwerte zu berechnen. Die "80 Prozent" waren nämlich nur 24 Personen.
An den anderen Testpersonen prallten die unterschwelligen Botschaften ab. Allgemeiner formuliert: Werbung kann keine magischen Bedürfnisse wecken, schon gar nicht mit unterschwelligen Botschaften. Aber wenn Bedürfnisse vorhanden sind, können unterschwellige Reize das Wahlverhalten beeinflussen, so wenigstens die Schlussfolgerung der Forscher.
Es ist danach also gar nicht entscheidend, ob die Menschen unterschwellig beeinflussbar sind oder nicht. Die Wahrnehmungsschwelle ist sowieso von Mensch zu Mensch verschieden. Unterschwellige Darbietungen von Werbebotschaften wären deshalb nicht nur ethisch fragwürdig, sondern auch praktisch sinnlos. Es ist auch gar nicht nötig, Botschaften unterschwellig zu präsentieren. Ja, Sie lesen das jetzt ganz richtig: Die Forscher, die dieses total verkorkste Experiment über unterschwellige Beeinflussung gemacht haben, sagen am Ende: Unterschwellig wirkt, ist aber egal, weil es gar nicht darauf ankommt. Weshalb dann das doofe Experiment?
Vieles, was man bewusst wahrnimmt, verliert im Laufe der Zeit seine Qualität als bewusster Reiz. So nimmt man täglich eine Vielzahl von Produktnamen wahr, ohne sich daran im Nachhinein noch zu erinnern. Und doch beeinflussen solche "implizit" im Gedächtnis gespeicherten Produktnamen das Kaufverhalten: Produkte, die man häufig wahrgenommen hat - egal ob bewusst oder unbewusst - werden besser bewertet und für höherwertig gehalten. Sie sind einem vertraut, ohne dass man sich dessen bewusst ist.
Die meiste Werbung wirkt unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle
95 Prozent aller Werbekontakte erfolgen ohnehin sehr oberflächlich, dauern nur wenige Sekunden, und die Menschen können sich in den meisten Fällen nicht einmal bewusst daran erinnern. Nur an weniger als 10 Prozent aller Werbespots, die sie gesehen haben, erinnern sich die Menschen. Diese Werbekontakte erfolgen zwar nicht unterhalb der Wahrnehmungsschwelle - sie sehen die Werbung ja bewusst -, aber sie erfolgen häufig unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle - also ohne bewusste und konzentrierte Aufmerksamkeit.
Und trotzdem kann Werbung auch in diesen Fällen wirken. Werbung kann also zum Beispiel die Markenwahl auch dann beeinflussen, wenn sie nur für einige Momente beachtet wird. Dazu kommt, dass die meisten Menschen nicht glauben, dass Werbung sie beeinflusst.
So sinkt die innere Abwehr und die Botschaft entfaltet ihre Wirkung. Aber nur, und das ist entscheidend, wenn sie aktivierte und relevante Bedürfnisse anspricht und entsprechend gestaltet ist. Auch und gerade bei oberflächlichen Kontakten mit Werbemitteln zeigt sich, dass die bewusste Wahrnehmung oder Erinnerung an Botschaften keine Voraussetzung für deren Wirkung ist, aber die unbewusste Wahrnehmung eben erst recht nicht.
Und genau das ist der fundamentale Trugschluss all dieser Experimente. Diese "Nachweise" laufen auf platteste Experimental-Onanie hinaus; denn sie funktionieren nur im Laboratorium, und selbst dort ziemlich schlecht. Obwohl das Eistee-Experiment für das Gegenteil herhalten muss, ist es der überzeugende Beweis dafür, dass unterschwellige Beeinflussung nicht funktionieren kann. Im Experiment trinken unterschwellig Berieselte also etwas mehr Eistee als Nichtberieselte, wenn sie gerade durstig sind. Na schön.
Man muss das auf Werbung übertragen. Da sieht jemand im Fernsehen - wo das eigentlich verboten ist - unter vielen anderen auch einen Spot mit unterschwelliger Eisteewerbung (wir tun hier jetzt einfach einmal so, als ob unterschwellige Werbung nicht verboten wäre). Und eine Woche später beim Einkaufen greift er dann zum Lipton-Tee, wenn er gerade durstig sein sollte und der Spot auch überzeugend gestaltet war - und das selbst dann noch, wenn er in der Zwischenzeit ein paar hundert andere Werbespots und sonstige Werbebotschaften nicht minder flüchtig gesehen hat?
Die meiste Forschung zur unterschwelligen Werbung ist Bockmist
Das ist nichts als gequirlter Bockmist, den nur jemand ernst nehmen kann, der schon seit vielen Wochen nicht mehr aus seinem Experimentallabor herausgekommen ist. Denn solange ein Reiz nicht ins Bewusstsein vordringt, lässt sich sein Einfluss sowieso nur für eine sehr kurze Zeit nachweisen, zum Beispiel in albernen Laborexperimenten. Nicht bewusst wahrnehmbare Reize lösen eine messbare Reaktion im Gehirn aus. Von einer tiefgreifenden Manipulation komplexer Urteile und Entscheidungen kann überhaupt keine Rede sein. Wie die Forschung heute weiß, ist die Wirkung unterschwelliger Reize - wiewohl nachweisbar - ziemlich unspektakulär.
Es bleibt dabei: Unterschwellige Beeinflussung ist ein hässlicher Wunschtraum all jener Werber, die hoffen, sie könnten die Konsumenten mit hinterhältigen Tricks zum Kaufen überlisten. Sie würden gerne, aber sie können es nun einmal nicht. Und das ist auch gut so.
- Ablenkende Kommunikation: Um Konsumenten vom Beeinflussungsziel abzulenken, können beispielsweise Bilder gezeigt werden, die nicht zur Argumentation passen. Durch ablenkende Reize wird der Widerstand gegen eine Meinungsänderung geschwächt. Der Konsument durchschaut nicht, wie sich der Beeinflussende dessen kognitive Mechanismen zunutze macht: Die willentliche Kontrolle wird umgangen, indem man weitgehend automatisch ablaufende Verhaltensweisen auslöst. Aber nicht alle Techniken der ablenkenden Kommunikation sind für den Werber von Vorteil. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass der Ablenkungsreiz die Wirkung der Werbeansage überlagert.
- Selektive Informationsweitergabe: Dabei wählt jemand aus der Fülle des Informationsangebots nur dasjenige aus, was seinen Zielsetzungen oder seiner Ideologie entspricht. Das Publikum bekommt also nur gefilterte Informationen.
Die Manipulationsinstrumente der Werber sind also allesamt ziemlich grobschlächtig und eben nicht solch unheilschwangere, geheimnisvolle Techniken, die viele Konspirationstheoretiker mit hypnotischem Manipulations-Macumba verbinden. Auch auf Seiten der Rezipienten sind der Beeinflussung durch Kommunikation natürliche Grenzen gesetzt. Vor allem wirkt die selektive Wahrnehmung. Erreicht die Werbebotschaft den Verbraucher, so ist noch längst nicht sichergestellt, dass er sie auch wahrnimmt oder in sich aufnimmt; denn aus der Gesamtheit aller Reize, die auf ihn tagtäglich einwirken, wählt er jene aus, die in irgendeiner Form für ihn bedeutsam sind. Es haben daher nur solche Botschaften die Chance, verarbeitet und somit verhaltenswirksam zu werden, die den selektiven Filter durchdringen.
Darüber hinaus kann die Wirkung von Beeinflussung durch Reaktanz weitgehend abgeschwächt werden: Der Verbraucher bemerkt die Beeinflussungsabsicht der Werbebotschaft und reagiert verärgert. Auch wird Werbung von vielen Verbrauchern nur für eingeschränkt kompetent gehalten, und sie nehmen daher den Werbeaussagen gegenüber von vornherein eine misstrauische Haltung ein.
Schließlich ist Werbung nur eine von sehr vielen Informationsquellen: Der Konsument kann sich auch durch Verkäufer, Bekannte oder Freunde beraten lassen oder Auskünfte bei Verbraucherberatungsstellen einholen, Testergebnisse von Warentests oder Berichte in Zeitungen und Zeitschriften zu Rate ziehen. Eine Manipulation durch Werbung wird nicht zuletzt dadurch eingeschränkt, dass die einzelnen Werbebotschaften zueinander in Konkurrenz stehen und einander in ihrer Wirkung kompensieren.
Manipulation durch Werbung ist ein besonders widerwärtiger Wunschtraum, den Werbungtreibende und Werber nur allzu gerne träumen. Dem steht gottlob die Realität der beeinflussenden Kommunikation entgegen, in der die Werbung nur über relativ schwache Einflusstechniken verfügt - Anzeigen, Prospekte, Handzettel, Werbespots, Plakate, Werbebanner -, deren Wirkung einigermaßen gut bekannt ist. Da ist kein einziges Instrument dabei, das Konsumenten vom Stuhl reißen könnte. Verschwörungen lassen sich damit auf jeden Fall nicht anzetteln.
Wolfgang J. Koschnick gilt in Deutschland, Österreich und der Schweiz als einer der bestinformierten Kritiker der internationalen Werbeforschung und Werbung. Er hat über 50 anerkannte Nachschlagewerke aus dem weiten Feld von Marketing, Management, Marktkommunikation, Werbe- und Mediaplanung, Markt-, Media- und Sozialforschung geschrieben, mit denen mehrere Generationen von Nachwuchswerbern, Marketingexperten, Werbe- und Mediaforschern ausgebildet werden. Dabei bewahrte er stets seine Unabhängigkeit und eine gewisse Streitbarkeit. Bei Bedarf legt er sich mit Werbungtreibenden, Werbern, Werbeagenturen und sonstigen Interessenvertretern ohne Ansehen der Personen, Organisationen und Institutionen an.
Der 7. Teil der Serie "Wie Werbung wirklich wirkt" erscheint in etwa einer Woche:
Kann Werbung wirklich Bedürfnisse erzeugen, die es vorher gar nicht gab?
Verwegene Theorien und wüste Mysterien