Die Ukraine, die USA und die Korruption
US-Vizepräsident Biden forderte die ukrainische Regierung zum Kampf gegen die Korruption auf, sein Sohn ist Mitarbeiter in einem dubiosen ukrainischen Energiekonzern
Es war schlechtes Timing für den Besuch von US-Vizepräsident Biden in der Ukraine. Dort stellte er sich demonstrativ hinter die ukrainische Regierung, die allerdings kaum mehr einen Rückhalt in der Bevölkerung hat, forderte aber, dass die Ukraine schnell Reformen weiterführen müsse. In einer Rede in der Rada, dem ukrainischen Parlament, erklärte er, es sei noch nicht das Notwendige zur Bekämpfung der Korruption getan worden - was mit einem Oligarchen an der Spitze, der sich nicht von seinen Unternehmen trennen wollte, auch unwahrscheinlich wäre.
Er mahnte eine Justizreform an und erklärte, alle, auch Oligarchen, müssten nach denselben Regeln behandelt werden, was auch das Zahlen von Steuern betrifft. Poroschenko feierte er und kündigte weitere Zahlungen an die Ukraine an.
And as I told the President at our meeting, as long as you continue to make progress to fight corruption and build a future of opportunity for all Ukraine, the United States will stand with you. We will stand with you.
Joseph Biden
Das Vermögen von Präsident Poroschenko jedenfalls hat durch Krieg und Krise nicht gelitten. Im Unterschied zu anderen Oligarchen, ist sein Reichtum größer geworden. Poroschenko besitzt als wenig leuchtendes Vorbild an der Spitze des Landes weiterhin seinen Fernsehsender 5 Kanal und seinen Schokoladenkonzern Roshen. Sein Vermögen soll 2015 gegenüber 2014 um 20 Prozent auf 979 Millionen US-Dollar gestiegen sein, wodurch auf der Rangliste der reichsten Ukrainer vom neunten auf den sechsten Platz vorgerückt ist. Noch immer der reichste Oligarch ist Rinat Achmetow, der aber wegen der Kämpfe in der Ostukraine viel Vermögen eingebüßt hat. Der drittreichste Oligarch ist Igor Kolomoiski, ein Konkurrent von Poroschenko, der ihn als Gouverneur von Dnipropetrowskim März 2015 absetzte.
Neben dem Oligarchenpräsidenten ist Regierungschef Jazenjuk, den die USA 2014 an die Macht bringen wollten und dies auch schafften, der Korruption verdächtig. Ausgerechnet beim Besuch Bidens wurde bekannt, dass die ukrainische Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen Jazenjuk eingleitet hat. David Sakvarelidze, der stellvertretende Generalstaatsanwalt, teilte mit, so berichtet die britische Times, dass bei einem staatlichen Unternehmen in Odessa bei einer Durchsuchung Hinweise auf Korruption gefunden, die direkt in Richtung Jazenjuk zeigen. Es soll sich um einen Korruptionsfall handeln, bei dem es jährlich um 90 Millionen US-Dollar geht.
Aber Biden ist keineswegs ein Engel, der nun korrupten ukrainischen Politikern Mores lehren kann. Bekanntlich ist er über seinen Sohn Hunter Biden selbst tief in das Geschacher um die Ressourcen der Ukraine verwickelt. Als die USA sich hinter die Ukraine und gegen Janukowitsch und Russland stellten, hat Bidens Sohn die Gelegenheit im Mai 2014 genutzt, in den Konzern Burisma Holdings mit Hauptsitz in Zypern einzusteigen, der im ukrainischen Gas-, aber auch Ölgeschäft tätig ist. Zuvor waren schon der frühere polnische Präsident Aleksander Kwaśniewski und der ehemalige Wahlkampfmanager des jetzigen US-Außenministers John Kerry, Devon Archer, in den Verwaltungsrat eingestiegen. Man wird sich erinnern, wie wichtig der US-Regierung bei der Unterstützung der Ukraine und beim Kampf gegen Russland die Energie war, also die durch Ablösung von Russland zu gewinnende "Energiesicherheit" Europas und der Ukraine.
Burisma Holdings gehört - höchstwahrscheinlich - Mykola Zlochevsky, der unter Janukowitsch Umweltminister war und ebenso wie dieser aus der Ukraine geflüchtet ist. Er wird von der Staatsanwaltschaft wegen Machtmissbrauch und illegaler Bereicherung gesucht und steht auch auf der Sanktionsliste der EU. Auf Zypern hat er Unternehmen, der ukrainische US-Botschafter Pyatt rügte erst im September, dass die frühere Staatsanwaltschaft Zlochevsky geholfen habe, von Großbritannien wegen Korruptionsverdacht eingefrorene 23 Millionen US-Dollar wieder freizugeben und nach Zypern zu senden.
Allerdings erwähnte Pyatt, der eine Wiederaufnahme der Ermittlungen forderte, nicht Bidens Sohn, der als Mitarbeiter von Burisma mit Zlochevsky kungelt, wie auch die New York Times anmerkt. Die Zeitung zitiert Edward C. Chow vom Center for Strategic and International Studies, der anmerkt, dass die Aufforderung der US-Regierung, gegen Korruption vorzugehen, daher nicht ernst genommen werde.
Kate Bedingfield, Sprecherin des Vizepräsidenten, erklärte, dass Hunter Bidens Aktivitäten in der Ukraine nichts mit der politischen Position des Vizepräsidenten zu tun habe. Sein Sohn sei ein "private citizen", gemeint ist wohl, kein Angehöriger der Regierung, der Vizepräsident soll hingegen über den Dingen schweben und kein Privatunternehmen unterstützen. Der Sohn wollte sich lieber gar nicht dazu äußern. Man könnte freilich annehmen, dass Hunter über Informationen aus dem Weißen Haus es für lukrativ erachtet hat, seine Karriere in der Ukraine im Energiesektor fortzusetzen, auch in einem Unternehmen mit dubiosen Eigentumsverhältnissen, die alles andere als transparent sind.