Die Ukraine ist weiterhin zerrissen
Nicht einmal die Hälfte ist für einen EU-Beitritt, im Osten sprechen sich weniger als ein Drittel dafür aus
Geht man nach Umfragen, so ist nicht einmal die Hälfte der Ukrainer dafür, dass das Land der EU beitreten soll. Tatsächlich ist das Land weiterhin gespalten. Das Kyiv International Institute of Sociology (KIIS) hatte im Februar über 2000 Ukrainer über 18 Jahre in einer repräsentativen Umfrage, die auch die von den Separatisten kontrollierten Gebiete einbezog, aber nicht die Krim, nach ihrer geopolitischen Orientierung befragt. Veröffentlicht wurde die Umfrage Mitte März.
Sieht man sich die Zahlen allgemein an, so wollen 47,2 Prozent der Ukrainer, dass sich ihr Land der EU anschließt. Eigentlich hätte man mehr erwartet, zumindest wenn man die Äußerungen der ukrainischen und vieler westlicher Politiker hört. Immerhin 27,3 Prozent wollen sich weder der EU noch der von Moskau geformten Zollunion anschließen. Letztere würden 12,3 Prozent vorziehen, 13,1 Prozent sagen, sie wüssten es nicht.
Seit 2013 hat die Neigung zugenommen, sich der EU anzuschließen. Von damals 38 Prozent (Februar 2013) stieg die Zustimmung im August 2013 zunächst auf 41 Prozent, um dann noch einmal nach dem Maidan und dem Beginn des Krieges auf 47 Prozent anzusteigen. Dagegen sank der Wunsch, sich der Zollunion anzuschließen, von ebenfalls 38 Prozent im Februar 2013 auf 35 Prozent im August 2013, um dann bis Februar 2015 auf 13 Prozent abzusacken. Die Indifferenten gingen von 15 auf 13 Prozent, dafür stieg die Zahl derjenigen, die sich keinem der Wirtschaftsorganisationen anschließen wollen, von 11 Prozent auf 27 Prozent. Der Wunsch nach Unabhängigkeit, den etwa auch die rechtsnationalistischen Kreise wie etwa der Rechte Sektor äußern, könnte mit den Sparauflagen des IWF weiter zunehmen.
Wenn jetzt ein Referendum stattfinden würde, würde sich allerdings eine knappe Mehrheit von 50,7 Prozent für einen EU-Beitritt entscheiden, während 25,7 Prozent dagegen votieren würden. Im Februar 2014 hätten 41 Prozent für einen EU-Beitritt gestimmt. Interessant ist, dass der Anteil der Befürworter im Dezember 2014 auf 53 Prozent angestiegen war, also die Zustimmung sinkt, während die Ablehnung steigt.
Schaut man sich die Zahlen zur ersten Frage, welchen Weg die Ukraine einschlagen soll, nach Regionen aufgegliedert an, bemerkt man den Riss durch das Land. Im Westen sprechen sich 75 Prozent für einen EU-Anschluss aus, im Zentrum 57 Prozent. Dagegen sind allerdings auch 17 bzw. 24 Prozent. Klar ist aber, dass eine Nähe zu Russland hier abgelehnt wird, nur bzw. 3 Prozent sind für die Zollunion.
Aber im Süden spricht sich mit 33 Prozent gerade ein Drittel für einen EU-Anschluss aus, 37 Prozent wollen weder zur EU noch zur Zollunion. Auf die haben auch nur 18 Prozent Lust. Im Osten, also in den Oblasten Charkiw, Lugansk und Donezk, also auch in den Gebieten, die nicht von den Separatisten kontrolliert werden, wird der Unterschied noch deutlicher. Zur EU wollen nur 20 Prozent, 30 Prozent ziehen die Zollunion vor, 32 Prozent wollen weder noch.
Die Lage in der Ukraine ist nach einer anderen, Anfang März durchgeführten Umfrage im Auftrag der the Rinat Akhmetov Foundation Humanitarian Center düster, auch wenn sich die Stimmung ein wenig verbessert hat. 63 Prozent der Ukrainer sagen, es sei schwierig, aber möglich zu leben (Dezember 2014: 48%), 30 Prozent sagen, es sei unmöglich in solch einer Armut zu leben (Dezember 2014: 43%). Allerdings gaben weiterhin 45 Prozent an, es würde ihnen an Lebensmitteln fehlen, für 50 Prozent ist die medizinische Versorgung unzureichend (Dezember 2014: 58%).
In den "Volksrepubliken" braucht ein Drittel der Menschen Medikamente, 45 Prozent seien auf Lebensmittelhilfen angewiesen, so die Achmetow-Stiftung. Hier sollen sogar 68 Prozent dennoch sagen, es sei schwierig, aber möglich zu leben. wollen erstaunliche 89 Prozent bleiben, nur 6 Prozent wollen diese verlassen, 2 Prozent planen dies.
Das OCHA, der UN-Nothilfekoodinator, berichtet, dass die Hilfen, die aufgrund der Bedürftigkeit vor allem in die Ostukraine gehen, drastisch gesenkt werden müssen, weil von den versprochenen Mittel bislang weniger als ein Sechstel bezahlt wurden. Von den beantragten 316 Millionen US-Dollar für 2015 seien bis 27. März erst 51 Millionen gezahlt oder angekündigt worden, 16 Prozent des von OCHA als notwendig Erachteten. Die Menschen werden also mehr auf russische Konvois und die Hilfe von Stiftungen wie die von Achmetow angewiesen sein.