Die Waffenlager der Hisbollah sind wieder gefüllt
Neue Waffenlieferungen finden offensichtlich unter den Augen der UNIFIL-Truppen statt
Vor kurzem sind zum ersten Mal Waffen der Hisbollah zerstört worden, die UNIFIL-Truppen im Südlibanon gefunden haben. Darunter auch einige Katyuscha-Raketen und Munition. Laut Angaben von UNIFIL wurden insgesamt 17 Katyuscha-Raketen entdeckt. Mit der Hisbollah habe das allerdings nichts zu tun, sagte Vize-Generalsekretär General Naim Quasim. Es sei doch ganz normal, nach einem Krieg Waffen im offenen Gelände zu finden. „Die wollte jemand los werden, vielleicht waren sie ja beschädigt“, meinte Naim Qasim. „Hisbollah hat damit nichts zu tun. Wir waren nicht das Ziel der UNIFIL-Truppen.“
Die Zahl der bisher gefundenen Waffen ist verschwindend gering, bedenkt man, dass Hisbollah aus ihrem Vorkriegs-Arsenal von 15.000 Katjuscha-Raketen nur etwa ein Drittel verschoss und also noch rund 10.000 übrig sein müssten.
Fast könnte man vermuten, Hisbollah hat die Waffen selbst im „offenen Gelände“ deponiert. Quasi als Arbeitsbeschaffungsmassnahme für UNIFIL, um ihren Auftrag nicht als völlig unnütz erscheinen zu lassen. „Waffen in offenem Gelände“ sind im Gebiet, das von Hisbollah genauestens kontrolliert und observiert wird, sicherlich kein Zufall. Niemand kann unbehelligt in Hisbollah-Territorium ein- und ausreisen. Jeder wird im Südlibanon, aber auch in den schiitischen Stadtteilen Südbeiruts überprüft. Es ist ebenfalls unvorstellbar, dass Hisbollah-Kämpfer ihre Waffen liegen lassen oder „los werden“ wollten. Dazu ist die schiitische Miliz viel zu diszipliniert und organisiert.
Die Waffenfunde der UNIFIL-Soldaten erscheinen noch ein Stück unbedeutender, glaubt man Generalsekretär Hassan Nasrallah, der vor kurzem bei einer seiner TV-Ansprachen behauptete, Hisbollah habe in den drei Monaten nach Beginn des Waffenstillstands auf 33.000 Stück aufgerüstet (Im Libanon brechen neue politische Konflikte auf). Nasrallahs Bekenntnis zu neuer, militärischer Stärke sorgte, außer in Israel, sonst für wenig Resonanz. Obwohl die neue Aufrüstung, wenigstens zum Teil, unter den Augen der UNIFIL-Truppen stattgefunden haben muss.
Die Auf- und Nachrüstung begann bereits in den ersten Kriegstagen. Laut US-Geheimdiensten auf der Route Iran, Syrien, Libanon. Am 19. Juli habe ein US-Spionagesatellit im Iran Bilder aufgenommen, die ein Flugzeug zeigen, das mit Raketen vom Typ C-802 beladen wird. Danach ist die Iljuschin-Transportmaschine Richtung Damaskus geflogen, bekommt aber auf Veranlassung der US-Behörden vom Irak keine Genehmigung für den Luftraum. Die iranische Crew fragt in der Türkei nach und darf türkischen Luftraum benutzen. Allerdings nur unter der Bedingung, in der Türkei ihre Ladung überprüfen zu lassen. Daraufhin kehrt die Maschine nach Teheran zurück.
So erfolgreich waren die US-Geheimdienste nicht immer. Am 19. Juli beschädigt eine C-802 Rakete eine israelische Korvette vor der Küste Beiruts schwer. Die C-802 ist 750 Kilogramm schwer, etwa 6,4 Meter lang und benötigt eine Abschussrampe, die etwa so groß wie ein Traktoranhänger ist. China hat dem Iran mindestens 75 Stück dieses Raketentyps geliefert. Wie viele davon bei Hisbollah gelandet sind, ist nicht bekannt. Ebenso unbekannt bleibt die Anzahl der Flüge, die es aus dem Iran nach Syrien gegeben hat.
Ausgangspunkt der Waffenlieferungen ist das Hauptquartier der Republikanischen Garden in Bandar Abbas am Persischen Golf. Ziel ist der syrische Militärflughafen Abu Ad Duhur in der Nähe der Stadt Homs, von der aus die libanesische Grenze nicht weit liegt. Neben diesem Luftweg gab es offensichtlich auch Lieferungen über Land durch die Türkei und Syrien. Am 14. August war ein LKW mit Ersatzteilen für mobile Raketen-Abschussrampen auf dieser Route unterwegs. Im Nordlibanon wurde er entladen, die Ersatzteile in den Süden zu den Hisbollah-Stellungen gebracht. Über See werden die syrischen Häfen Tartus und Latakia angelaufen. Von da aus geht es über Land in den Libanon. Die deutsche Seeblockade vor der libanesischen Küste nützt also wenig.
Anfang September wird das Schiff Gregorio I nach einem Hinweis von Interpol in Zypern festgehalten. Das Schiff war in China und Nordkorea beladen worden. An Bord befanden sich moderne, mobile Radaranlagen, darunter auch ein Luftabwehrsystem. Nach ein paar Tagen muss die Ladung frei gegeben werden, da Syrien als Empfänger ausgewiesen ist und es von der UNO keine Restriktionen bezüglich Waffenlieferungen existieren.
Nach dem Ende der israelischen Luftblockade erreichte angeblich die erste iranische Waffenlieferung Beiruts internationalen Flughafen am 8. September. Waffenkisten sollen an Bord von zivilen Flugzeugen transportiert und als „computer equipment“ deklariert worden sein. Ohne jegliche Kontrolle sei die Lieferung in der Stadt Baalbek, einer Hisbollah Hochburg, angekommen sein. Bereits Mitte August hatte die US-Regierung die Konten von zwei syrischen Militärs einfrieren lassen, die geholfen haben sollen, Hisbollah mit Waffen zu versorgen. Betroffen waren General Hisham Ikhtiyar, ehemaliger Leiter des syrischen Geheimdienstes, sowie General Jama’a Jama’a, ehemaliger Leiter des syrischen militärischen Geheimdienstes.
Mit den Waffenlieferungen während und nach Ende des Krieges wurden nur die Lager der Hisbollah wieder aufgefüllt. Ein Großteil der Hisbollahwaffen waren lange vor dem Krieg geliefert worden. Zwischen 1992 und 2005 bekam Hisbollah insgesamt 11.500 Raketen aus dem Iran. Dazu 400 Granaten, sowie entsprechende Raketen-Abschussrampen. Über die Jahre wurden rund 40 verschiedene Raketentypen geliefert. Im Jahr 2005 kamen große Mengen von Anti-Flugzeugraketen vom Typ Sam-7, die C-802 aus chinesischer Produktion und Boden-Boden-Raketen vom Typ Fajr und Shahin mit einer Reichweite von 150 Kilometern. Außerdem soll es noch Raketen neueren iranischen Typs geben, die eine Reichweite von 250 bis 350 Kilometern besitzen, mit deren Einsatz Hassan Nasrallah während des Kriegs gedroht hatte, falls Israel das Zentrum Beiruts bombardieren würde. In den Kämpfen im Juli und August benutzte Hisbollah modernste Panzerabwehrwaffen, auf die die israelische Armee offensichtlich nicht vorbereitet war.