Die Welt ist keineswegs alles, was Google auflistet
Die weltweit mächtigste Suchmaschine "nationalisiert" ihre Ergebnisse
Es geht bei Google nicht nur ums Geschäft, auch wenn es darum auch indirekt geht (Indexsäuberungen bei Google). Nach einem Bericht des Berkman Center an der Harvard-Universität wurden bei google.de und google.fr mehr als 100 Websites bei den Suchresultatenen nicht aufgeführt, die bei google.com aber nicht zensiert werden. Dabei handelt es sich offenbar vorwiegend um antisemitische und rechte Websites, deren Inhalte in Deutschland bzw. Frankreich verboten sind oder rechtlich bedenklich sein können. Gibt man beispielsweise "Stormfront White Pride World Wide" als Suchbegriffe ein, so führt google.com 17 Seiten an, google.fr und google.de jedoch keine einzige.
Auf derartige nationale ausgerichtete Zensurpraktiken hatte bereits vor kurzem in Telepolis Burkhard Schröder hingewiesen (Google filtert). Stillschweigend werden einfach bestimmte Ergebnisse dem Benutzer nicht angezeigt. Der könnte daher der Meinung sein, es gäbe derartige Seiten gar nicht, während sie bloß zensiert sind.
Die Autoren des Berichts "Localized Google search result exclusions" rügen die Suchmaschinenbetreiber, dass die unterdrückten Links wenigstens in Textform angegeben werden sollten. Der Nutzer müsse in Kenntnis gesetzt werden, dass hier aufgrund nationaler Gesetzgebung Zensur betrieben wird. Ein Sprecher der Suchmaschine entgegnete, dass man doch nur die Angabe der Websites zensiere, auf die man hingewiesen worden sei, weil sie gegen nationales Recht verstoßen. Auf die Frage, welche Sites nach welchen Maßstäben bei welchen nationalen Ablegern zensiert werden, wollte man allerdings nicht konkret antworten.
Allgemein sagte Nat Tyler, der Sprecher für Google, dass man die Herausnahme von URLs aus dem Suchindex sehr ernst nehme und mit Juristen bespreche: "Wir teilen keine Einzelheiten im Sinne der Unternehmenspolitik mit, warum oder wann wir eine bestimmte Site aus unserem Index entfernen. Wir erhalten gelegentlich Benachrichtungen von unseren Partnen, von Benutzern oder von Behörden o.ä. über Sites in unserem Index. Wir erwägen sorgfältig bei jedem Einzelfall jede glaubwürdige Beschwerde und unternehmen das Notwendige, wenn dies erforderlich ist. Dies geschieht nicht vorwegnehmend (pre-emptive), wir reagieren nur auf die an uns gerichteten Forderungen ... Um rechtliche Haftung zu vermeiden, entfernen wir Seiten aus den Suchergebnissen, die mit nationalen Gesetzen in Konflikt stehen."
Zensur als eine Art Geschäftsgeheimnis zu verstehen, ist zumindest im politischen Bereich sehr bedenklich, auch wenn die Offenlegung des Zensierten - ein altes Problem - die Zensur natürlich weitgehend hinfällig macht. Trotzdem: In einer Demokratie muss der Souverän, d.h. der Bürger, wissen, was man ihm vorenthalten will.
Zudem werden von Google auch Websites wie 1488.com (die juristische Beratung für Chinesen anbietet) oder 14words.com, ein Webhoster, mit betroffen, die nicht gegen deutsches oder französisches Recht verstoßen. Das aber macht die Schwierigkeiten einer Zensur - oder von Filtern - im Web deutlich. Die Bereitschaft der Suchmaschinenbetreiber, die mit ihrem Angebot schließlich für die Nutzer den Zugang zum Netz eröffnen und erst einmal nach der IP die nationale Suchmaschinenversion anbieten (oder zwangsweise, auch wenn leicht zu umgehen, nahelegen), sich den nationalen Anforderungen zu beugen, ist verständlich, aber bedenklich. In der Tendenz würde das bedeuten, dass eine Suchmaschine gar nicht mehr die Möglichkeit für Benutzer aus einem bestimmten Land, die nach ihrer IP-Adresse identifiziert werden, eröffnet zu sehen, was er nicht sehen soll oder darf.
Google würde dann tatsächlich das sein, was der Fall ist - national. Damit würden aber auch die Potenziale des World Wide Web zerschlagen werden, die Offenheit und Demokratisierung verbreiten. Die Nationalisierung des Web, die von nationalisierten Suchmaschinen gefördert wird, würde letztlich Diktaturen und undemokratische Systeme, damit wahrscheinlich aber auch die Brutstätte des Terrorismus fördern. Und die Heraufkunft des Internet kann nicht bedeuten, dass wir in die fremdverschuldete Unmündigkeit eintauchen müssen. Anstatt nationale Gesetzgebungen 1:1 einfach auf das Internet zu übertragen, sollten Regierungen, die Demokratisierung, Offenheit und Aufklärung gerade jetzt fördern wollen, erst einmal überlegen, welche Chancen eine globale Öffentlichkeit bietet.