Die Welt vor der Rezession: Diese alten Fehler werden die Lage verschärfen

Seite 2: Jede Regierung braucht eine seriöse makroökonomische Beratung

Das politische Problem der wirtschaftspolitischen Beratung ist leicht zu verstehen. Die Institute sind samt und sonders finanziell weitgehend vom Staat abhängig.

Außerdem ist die politische Ausrichtung derzeit sehr homogen (es gibt zu der wirren Diagnose keine abweichende Meinung), weil es kein Institut gibt, dem man explizit eine andere theoretische Position zugesteht (wie das früher beim DIW einmal der Fall war).

Es ist daher nahezu unmöglich, eine Rezession vorauszusagen, ohne in enorme politische Schwierigkeiten zu geraten. Folglich lässt man seinen Vorurteilen freien Lauf, weil die bei dem einen oder anderen Minister der Regierung wenigstens auf Gegenliebe stoßen.

Mit der von der Regierung beschlossenen Gaspreisdeckelung ist die Schuldenfrage beim Staat immerhin geklärt. Die öffentlichen Schulden werden weit über das vorgesehene Maß hinaus steigen, um für eine Entlastung der privaten Haushalte und Unternehmen zu sorgen, die Gas verbrauchen.

Ob das ausreicht, einen tiefen Einbruch der Wirtschaft zu verhindern, ist eine völlig offene Frage, weil ja niemand weiß, wie hoch die Zahlungen des Staates schließlich sein werden, da niemand den Gaspreis des nächsten Jahres kennt.

Auch ist nicht auszuschließen, dass auch andere Energiearten subventioniert werden müssen, weil die einseitige Entlastung der Gasverbraucher auf politischen Widerstand stößt und auch die Anbieter anderer Energieträger ein Interesse an steigenden Preisen ihres Produkts haben, wie das die OPEC+ gerade vorführt.

Wie dem auch immer sei, eine deutsche Regierung, die ihrer Verantwortung gerecht werden will, muss sich – für Deutschland und für Europa – sofort von der Schwäbischen-Hausfrau-Mentalität und der Schuldenbremse lösen.

Sie braucht strategisches Denken und Handeln unter herausragender Berücksichtigung der globalen makroökonomischen Zusammenhänge.

Da offensichtlich weder die Minister noch die vorhandenen Stäbe das leisten können, sollte sofort eine Task Force auf europäischer Ebene gebildet werden, die mit Persönlichkeiten besetzt ist, die wirklich unabhängig sind, ausreichende praktische Erfahrung haben und die relevanten theoretischen Ausrichtungen der Makroökonomik repräsentieren.

Der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck ist Herausgeber des Online-Portals flassbeck-economics.com. Zuvor war er Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und Chef-Volkswirt bei der UN-Organisation für Welthandel und Entwicklung.

Vom Autor erscheint monatlich eine Kolumne zu Hintergründen wirtschaftlicher Entwicklungen und zur Wirtschaftspolitik.

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