Die Zukunft des Journalismus

Ignacio Ramonet sieht die Journalisten durch die neuen Technologien in der "Kommunikationsfalle"

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Der spanische Medientheoretiker Ignacio Ramonet ist der Direktor der "Le Monde diplomatique", der in Paris erscheinenden Monatszeitung für internationale Politik. Und genau so liest sich auch sein neues Buch "Die Kommunikationsfalle. Macht und Mythen der Medien." Es ist eine Sammlung etwas akademischer, vor allem aber zu lang geratener Feuilleton-Artikel, die vorgeben, ein Thema erschöpfend zu behandeln, aber weit vor der angepeilten Ziellinie landen. In Essays wie "Medien-Messianismus", "Nekrophiles Fernsehen" und "Neue Imperien" stellt Ramonet zunächst die bekannten Merkmale einer "globalen Informationsgesellschaft" heraus, um anschließend der Frage nachzugehen, was es heute eigentlich noch heißt, als Journalist zu arbeiten.

Klar ist, dass die "neuen" Technologien Fernsehen und Internet die traditionellen Arbeitsweisen des Journalismus grundlegend verändert haben. Nichts ist heute mehr, wie es einmal war. Zum x-ten Mal schüttelt Ramonet enttäuscht den Kopf über die Medien-Entgleisungen in der Lewinsky-Affäre oder im Anschluss an den Tod von Lady Di. Doch was bringt das? Ignacio Ramonet gibt vor, um jene Leser zu kämpfen, "die verstehen wollen, um in unseren verschlafenen Demokratien besser handeln zu können". Doch sein Buch vermittelt ein Wissen, dass besser und aktueller täglich auf den Medienseiten der Tageszeitungen aufbereitet wird. Nur wer noch einmal im Einzelnen vorgeführt bekommen will, worin die "Lügen des Golfkriegs" und die doppelten Wahrheiten der CNN-Bilder damals bestanden haben, der ist in der "Kommunikationsfalle" gut aufgehoben.

Es ist die Kombination von Allgemeinplätzen und bekannten Standards, die das Buch ausmacht: "In Wirklichkeit wird aber die erste Gewalt heute ganz klar von der Wirtschaft ausgeübt." Das ist so einer der Sätze, die in dem Buch häufig fallen. Aber was meint er damit und überhaupt, warum? Fehlanzeige. Noch eine Kostprobe: "Die Diskrepanz zwischen dem angeblichen Fehltritt und der Medienhatz wurde so groß, dass manche Clinton verdächtigten, die Krise gegen Bagdad im Februar und Dezember 1998 frei erfunden zu haben, um die unheilvolle Macht der Medien auf den Irak und Saddam Hussein abzuleiten. Ja, hat der Direktor der "Le Monde diplomatique" noch nichts von Barry Levinsohns Film "Wag the Dog" (1998) und der Diskussion, die um diesen Film herum stattgefunden hat, gehört?

Es ist nicht so, dass Ramonets pauschale Medienklagen vollkommen substanzlos wären. Die Werbeleute und Anzeigenkunden zum Beispiel haben ja tatsächlich einen immer größeren Einfluss auf die tägliche Gestaltung der Zeitung oder des TV-Formats. Gerade in der letzten Woche war zu hören, dass es rund um die Los Angeles Times in Amerika einen neuen Skandal gegeben hat. Die renommierte Zeitung, die seit einiger Zeit die Grenze von Redaktion und Verlag aufgehoben hat, setzt sich immer mehr dem Vorwurf aus, Artikel kaufen zu lassen. Jüngster Anlass: Die L.A. Times berichtete über die Eröffnung einer neuen Sport- und Entertainment-Arena, an der der Verlag finanziell beteiligt ist. Sofort mäkelte die Wochenzeitung Newsweek, hier sei wieder einmal der journalistische Grundsatz verletzt worden, nicht über einen Menschen oder eine Institution zu berichten, mit der man finanzielle Interessen teilt. Die Kritik zeigte Wirkung. Verlagschef Mark H. Willis, jahrelang im Vorstand eines Lebensmittelkonzern, gab unfreiwillig offen zu: "Das ist genau die Folge davon, dass man Leute als Verleger hat, die keine Erfahrung mit Zeitungen haben."

Beispiele für die von Ignacio Ramonet angemahnten Probleme gibt es also reichlich. Und doch macht er es sich insgesamt zu einfach. Interessant wird das Buch dagegen, wenn er die Versuche der traditionellen Medien beschreibt, mit dem Tempo von Fernsehen und Internet mitzuhalten. Wenn bislang galt, dass eine Information erst dann an den Leser weitergegeben wird, wenn sie durch den Journalisten aufgenommen, geprüft und analysiert worden ist, so ist dieses Dreiecksschema aus Ereignis, Journalist und Bürger spätestens seit dem Echtzeit-Wahn der Medien und den 24-Stunden-Nachrichtenkanälen hinfällig. Aus dem Dreieck ist längst eine Gerade geworden. Der Journalist ist nicht mehr gefragt. Das Fernsehen und das Internet haben einen Vorsprung, den die traditionellen Medien nicht mehr einholen können.

Ein letztes Aufbäumen war der Versuch der großen japanischen Tageszeitung "Asahi Shimbun" (12 Millionen Auflage). Die Sportredaktion der Zeitung hatte sich vorgenommen, die Wettkämpfe der Olympischen Winterspiele von Nagano 1998 in Echtzeit zu verfolgen und ihre Leser quasi "live" zu informieren. Und wie ging das? Für die wichtigen Wettkämpfe richtete sich ein Journalist in seiner Kabine mit Blick auf das Terrain ein. Er beschrieb, was er sah, genau in dem Moment, in dem es passierte. Als der Wettkampf zu Ende war, war auch er mit seinem Bericht fertig, drückte einen Knopf, um die fertige Seite direkt in die Druckerei zu schicken, wo sie automatisch in die neueste Ausgabe aufgenommen wurde. Im Idealfall sollten die Zuschauer beim Verlassen des Stadions eine Zeitung vorfinden, die einen illustrierten Bericht über den Wettkampf erhielt, dem sie soeben beigewohnt hatten. Doch was als Erfolg verkauft wird, bestätigt nur einmal mehr das endgültige Ende des Journalisten als kritischen Beobachter, das Ignacio Ramonet in seinem Buch so lautstark beklagt.

Ignacio Ramonet: "Die Kommunikationsfalle. Macht und Mythen der Medien". Aus dem Französischen von Gabriela Zehnder. Rotpunktverlag, Zürich 1999, 180 S., 36 DM